RoboCup German Open: Die Intelligenz steckt in den Beinen

Das Eröffnungsspiel des RoboCup-Turniers traten die Bold Hearts (University of Hertfordshire) gegen die FUmanoids (Freie Universität Berlin) an. heise online sprach mit Daniel Polani, dem Teamchef der Bold Hearts.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die Eröffnungsspiele bei RoboCup-Turnieren sind selten spektakulär. Anfangs haben die Roboter noch Probleme mit dem Untergrund, den Lichtverhältnissen, häufig auch mit sich selbst. So war es auch beim heutigen ersten Spiel in der Kid Size der Humanoid League zwischen den Bold Hearts (University of Hertfordshire) und den FUmanoids (Freie Universität Berlin).

Daniel Polani verfolgt gespannt das erste Spiel seiner Roboter -- und kommentiert es mit der gebotenen Ironie.

(Bild: Hans-Arthur Marsirske)

Für Daniel Polani, Teamchef der Bold Hearts, war es zudem eine besondere Premiere. Der RoboCup-Veteran, der seit 15 Jahren regelmäßig am RoboCup teilnimmt und in den Simulationswettbewerben sehr erfolgreich war, schickte erstmals reale Roboter aufs Spielfeld. Nach dem Spiel konnten wir kurz mit ihm reden.

heise online: Herr Polani, wenn ich richtig informiert bin, haben Sie gerade ihr Debüt in den Hardware-Ligen des RoboCup gegeben, richtig?

Polani: Ja, richtig. Ich habe seit 1998 in der Simulationsliga teilgenommen, habe den Übergang von 2-D zu 3-D und zu 3-D-Humanoid mitgemacht. Aber das war jetzt das allererste Mal, dass wir mit Darwin-Robotern in der Kid Size der Humanoid League vertreten sind. Das ist eine ganz andere Dimension.

heise online: In der 3-D-Simulation spielen Sie ganz vorne mit. Aber wie eben zu sehen war, lässt sich dieser Erfolg nicht ohne weiteres übertragen. Die erfolgreiche Simulationssoftware einfach auf einen Roboter zu überspielen reicht offenbar nicht aus?

Polani: Genau das interessiert uns an diesem Abenteuer: Wie viel von unseren Knowhow aus der Simulation können wir in die Hardware-Liga retten? Es könnte sich am Ende zeigen, dass wir an der Art der Simulation etwas verändern müssen, damit sie relevant für die Realität bleibt. Ich glaube aber, dass wir auch jetzt schon Erkenntnisse aus der Simulation nutzen können. Was genau und auf welcher Ebene – das ist eine sehr interessante Forschungsfrage.

heise online: Sie treten mit Darwin-Robotern an, obwohl die 3-D-Simulation sich auf Nao-Roboter stützt. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Polani: Die Humanoid League erlaubt uns zunächst einmal, die Roboter zu modifizieren. Wir müssen nicht mit standardisierten Robotern arbeiten. Dann wäre uns die Standard Platform League vielleicht auch ein bisschen zu nahe an dem, was wir schon gemacht haben. Und schließlich müssen wir in der Humanoid League mit immer wieder anderen Gegnern rechnen, das erhöht den Reiz zusätzlich.

heise online: Wie sind Sie vorgegangen? Welches sind die ersten Schritte, wenn man zur Hardware-Liga wechselt?

Polani: Zu allererst muss man sich mit Bilderkennung beschäftigen. Die spielt in der Simulation keine Rolle. Man müsste sonst zunächst Bilder generieren, nur um sie dann wieder zu entwirren. Das macht nicht so recht Sinn. Wir konzentrieren uns in der Simulation daher auf andere Dinge wie Kooperation oder Lernverfahren. Beim realen Roboter sind wir dagegen froh, wenn er den Ball sieht, hingeht, ihn kickt und womöglich sogar das Tor trifft. Wenn das dann nicht das eigene Tor war, hätten wir aus meiner Sicht das Soll für diese Runde erfüllt.

heise online: Bis jetzt sind ihre Roboter aber nur zum Ball gelaufen und dort dann regungslos stehengeblieben. Haben Sie schon eine Idee, was da schiefgelaufen ist?

Typische Situation: Ball vor den Füßen, freie Schussbahn -- und dann passiert doch wieder nichts.

(Bild: Hans-Arthur Marsirske)

Polani: Eigentlich haben wir den Übergang zum Kicken ganz gut drauf. Aber es scheint so, als würde der Roboter vorher noch einmal die Position des Tores überprüfen und dabei in eine Programmschleife geraten, aus der er nicht mehr heraus kommt. Das ist ein interessanter Unterschied zum Menschen. Der Roboter merkt nicht, dass er immer wieder das Gleiche macht. Ein Mensch dagegen würde nach einer Weile irgend etwas Neues probieren.

heise online: Könnte man einem Roboter nicht auch so etwas einprogrammieren: Nach soundsoviel vergeblichen Versuchen probiere etwas anderes?

Polani: In diesem speziellen Fall mag das helfen. Aber auf einer grundsätzlicheren Ebene ist das komplizierter. Stellen wir uns zwei Roboter vor, die sich ineinander verhaken. Das kommt durchaus häufig vor, ist aber kein Softwarefehler. Durch eine Regel nach dem Schema „Wenn du dich verhakt hast, dann mache das und das“ lässt sich das Problem nicht lösen.

heise online: Es wird gelegentlich kritisiert, dass der RoboCup nur eine Veranstaltung ist, um Schüler und Studenten für Robotik zu begeistern. Wie sehen Sie das? Wird hier auch die die Forschung vorangebracht?

Polani: Zum einen ist der RoboCup eine perfekte Veranstaltung für Ausbildung und Erziehung. Die Teilnehmer sind hoch motiviert und lernen viel mehr, als wenn sie nur in einer Vorlesung sitzen würden. Dann gibt es die anwendungsbezogenen Wettbewerbe wie RoboCup@home oder RoboCup@work. Sie bieten den Teams eine perfekte Gelegenheit, sich mit anderen zu vergleichen und besser einzuschätzen, wie gut ihre Systeme wirklich sind. Das gilt drittens ebenso für die Wissenschaft. Normalerweise publiziere ich meine Forschungsergebnisse in einem Paper. Das liest dann vielleicht jemand, versucht ein paar Jahre später, das Experiment zu wiederholen und stellt fest: Bei ihm im Labor funktioniert es nicht. Das geht beim RoboCup nicht. Da läuft der Roboter auf dem gemeinsamen Feld, in der gemeinsamen Halle, unter den gemeinsamen Lichtbedingungen oder eben nicht. Wenn etwas richtig gut funktioniert, sehen das alle Teams und benutzen es im nächsten Jahr selbst. Eine Erkenntnis setzt sich sofort durch und wird rasch zum Allgemeinwissen. Ich persönlich habe aus dem RoboCup mehrere sehr wichtige Forschungsideen bekommen, die ich gar nicht im RoboCup nutze, sondern in anderen Projekten. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, wie ich einen Roboter dazu bringe, dass er selbst entscheidet, was er machen soll.

heise online: Das heißt, Sie sind vom Fußball zu Fragen gekommen, wie das Denken grundsätzlich funktioniert?

Polani: Ganz genau. Das Fußballspiel hat viele interessante Eigenschaften: Mehrere Agenten müssen ihre Aktionen in Echtzeit koordinieren, gegen ein anderes Agententeam. Sie müssen von der Motorik bis zur Sensorik das gesamte Paket drauf haben, das ist ziemlich schwierig. Wenn daher ein menschlicher Fußballspieler vielleicht keine besonders klugen Interviews gibt, ist das nicht relevant: Seine Intelligenz steckt in den Beinen. (axk)