Mehr elektronische Fußfesseln

Von Bad Vilbel aus werden gefährliche Ex-Häftlinge mit elektronischen Fußfesseln überwacht. Eine Gesetzesänderung dürfte ihre Zahl bald erhöhen.

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Die im Juni 2013 in Kraft tretende Neuregelung der Sicherungsverwahrung könnte für eine deutliche Ausweitung der elektronischen Fußsender sorgen, wie Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 5/2013 (am Kiosk oder direkt im Heise Shop zu bestellen) berichtet.

2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Praxis für verfassungswidrig, als gefährlich geltende Täter auch nach Verbüßen ihrer Strafe weiterhin einzusperren. Die Richter forderten, die Sicherungsverwahrung müsse sich deutlich von der Gefängnishaft unterscheiden. Seit Anfang 2012 werden deshalb rund 30 ehemalige Häftlinge mit elektronischen Fußsendern überwacht. Die Geräte schicken ihre Positionsangaben per Mobilfunk an die „Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL) im hessischen Bad Vilbel.

Für Politik, Justiz und Polizei ist diese „elektronische Aufenthaltsüberwachung“ – so der offizielle Terminus – ein Ausweg aus dem Dilemma, eine Art kontrollierte Freiheit gewähren zu müssen. Das neue Gesetz zur Sicherheitsverwahrung sieht nun eine intensivere Betreuung von gefährlichen Ex-Sträflingen vor und könnte mehr Kundschaft für die GÜL bedeuten. Technisch wäre das kein Problem: Bis zu 500 Fußfessel-Träger könnte die Überwachungsstelle mit der aktuellen Ausstattung bewältigen.

Allerdings bieten die Fußsender „keine hundertprozentige Sicherheit vor weiteren Straftaten“, sagt Sven Voss, Referatsleiter im hessischen Justizministerium. „Wenn Bewährungshelfer und Polizei zusammenarbeiten, vermindert es aber die Gefahr.“ Anders als etwa bei einem Hausarrest können sich die Klienten der GÜL frei bewegen. Es gibt lediglich einige Ausschlusszonen, die sie nicht betreten dürfen – beispielsweise bestimmte Stadtviertel oder Landkreise, Kindergärten oder Schulen. „Solange die Probanden außerhalb der ihnen zugewiesenen Verbotszonen bleiben, wird ihre aktuelle Position nicht auf den Monitoren angezeigt“, sagt GÜL-Leiter Hans-Dieter Amthor. „Begehen die Ex-Sträflinge dann ein Verbrechen, bekommen wir das nicht unbedingt mit.“

Genau dies geschah im April 2012. Die GÜL war gerade vier Monate in Betrieb. Einer der Probanden übernachtete in der Wohnung seiner Lebensgefährtin und ihrer siebenjährigen Tochter. Der 41-Jährige war zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er seine Stieftochter sexuell missbraucht hatte. Nach der Entlassung bekam er einen Fußsender. Dieser hinderte ihn aber nicht daran, das Mädchen in jener Aprilnacht zu missbrauchen, weil die Wohnung nicht in einer Verbotszone lag. Er wurde einige Tage später verhaftet – aber nur, weil er den Akku seiner Fußfessel nicht aufgeladen hatte.

Doch immerhin kann die Überwachung helfen, solche Straftaten nachträglich aufzuklären. Der Computer speichert die Bewegungen der Probanden bis zu zwei Monate. Beim Fall des siebenjährigen Mädchens konnte die Staatsanwaltschaft damit beweisen, dass der Mann in der Tatnacht in der Wohnung war. Amthor hofft, dass dies auch eine vorbeugende Wirkung hat, indem es die Selbstdisziplin der Probanden erhöht.

Erfahrungswerte, die diese Hoffnung bestätigen könnten, gibt es bisher aber kaum. Fußsender gibt es in einigen Bundesländern zwar schon seit Jahren. Die bisherigen Träger waren allerdings keine Gewaltverbrecher, sondern etwa wegen Drogendelikten inhaftierte Kriminelle. Sie konnten mit den Sendern ihren Gefängnisaufenthalt verkürzen. Deren Betreuer bezweifeln aber, dass sich die Erfahrungen aus diesen Projekten auf die Sicherheitsverwahrung übertragen lassen. (grh)