Microsoft wollte angeblich mit abgespecktem Vista Intel helfen

Aus internen Microsoft-E-Mails, die die Anwälte von unzufriedenen Computerkäufern vor Gericht vorgebracht haben, geht hervor, dass der Konzern angeblich aus Rücksicht auf die Bilanzen Intels das Logo-Programm "Vista Capable" kreiert hat.

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Microsoft-Mitarbeiter haben die Probleme, die beim Verkauf einer Vista-Version "Home Basic" ohne die aufwendigen charakteristischen Neuerungen wie der Aero-Glass-Oberfläche entstehen können, vorausgesehen. Das geht aus unternehmensinternen Dokumenten wie E-Mail-Wechsel hervor, die die Anwälte von unzufriedenen Käufern "Vista-fähiger" PC bei Gericht eingereicht haben. Dazu wurden auch Beweggründe deutlich, aus denen heraus Microsoft dennoch ein abgespecktes Vista herausbrachte: Es ging anscheinend darum, dem Prozessorhersteller Intel zu helfen, geht aus der Klageschrift (PDF-Datei) hervor.

Die Anwälte der Kanzlei Gordon, Tilden, Thomas & Cordell klagen, da zwei Mandanten im Weihnachtsgeschäft 2006, also noch vor dem Erscheinen von Windows Vista, einen Computer gekauft haben, der mit dem Logo "Vista Capable", nicht mit "Premium ready" versehen war. Nachdem Vista Ende Januar 2007 erschien, hatten sie feststellen müssen, dass die Aero-Oberfläche und die "Flip"-Funktion auf ihren Rechnern nicht lauffähig sind. Die Kläger meinen, Microsoft habe sie trotz der eigenen Beteuerungen, genügend Aufklärung geleistet zu haben, absichtlich im Unklaren gelassen. Das Gericht hat kürzlich ihrem Antrag auf Anerkennung als Sammelklage stattgegeben.

Die Anwälte meinen, Microsofts offiziell vorgebrachtes Argument, Vista Home Basic sei als "Einstiegsprodukt" eigens entwickelt worden, um unterschiedlichen Bedürfnissen und Preisvorstellungen zu entsprechen, sei nicht korrekt. Vielmehr habe Microsoft "in letzter Minute" die Hardware-Anforderungen für Vista gesenkt. Laut US-Medienberichten herrschte die Besorgnis, Intel könne den für die aufwendige Vista-Nutzerschnittstelle nötigen Chipsatz 945 nicht in der erforderlichen Menge produzieren.

Bereits im Jahr 2005 hat es laut Klageschrift bei Microsoft Bedenken gegeben, unterschiedliche Hardware-Anforderungen für das Programm "Windows Vista Capable" könnten unter Verbrauchern für Verwirrung sorgen. Nach der Vorstellung des Logo-Programms bei Handelspartnern habe es auch von außen Kritik gegeben, so zum Beispiel von Wal-Mart, der sich "extrem enttäuscht" gezeigt habe. Dennoch sei Microsoft Intel entgegengekommen und habe dessen Chipsatz-Generation 915 in den Anforderungen für das im März 2006 gestartete Logo-Programm berücksichtigt. Ansonsten hätte der Sticker "Vista Capable" lediglich auf 4 Prozent der erhältlichen PCs kleben können, heißt es. Die übrigen hätten nicht als aufrüstbar gegolten und hätten somit für einen niedrigeren Preis verkauft werden müssen.

Microsofts General Manager John Kalkman hat laut US-Medienberichten in einer E-Mail vom 26. Februar 2007 den Schritt als Fehler bezeichnet. "Wir haben die Anforderungen abgesenkt, um Intel zu helfen, weiterhin Mainboards mit 915er-Chipsätzen verkaufen zu können und damit die Quartalsvorgaben einzuhalten", wird der Manager zitiert. Intel-Sprecher Chuck Mulloy bestreitet die Angaben vehement. "Wir wissen nicht, wer John Kalkman ist. Wir wissen, dass er nicht qualifiziert ist, irgendwelche internen finanziellen Prognosen bei Chipsätzen, Mainboards oder anderen Produkten zu kennen." Kalkman habe zu keinem Zeitpunkt Einsicht in Intels finanzielle Notwendigkeiten gehabt. Das würde auch gegen die Vorschriften der Börsenaufsicht verstoßen, die es nicht erlauben, finanzielle Details herauszugeben, ohne auch die breite Öffentlichkeit zu informieren.

Demnach könnte sich das Problem von zwei Windows-Nutzern, die sich von Microsoft in die Irre geführt sehen, zu einem Anschauungsbeispiel für die teilweise symbiotischen Beziehungen zwischen Microsoft und Intel entwickeln. Aus kartellrechtlicher Hinsicht seien solche Produktabsprachen nicht sanktionierbar, denn die beiden Unternehmen seien keine Konkurrenten, analysiert der Seattle Post-Intelligencer. Er zitiert aber auch den Analysten Roger Kay von Endpoint Technologies Associates, der es als branchenuntypisch und fragwürdig ansieht, dass ein Unternehmen die finanziellen Bedürfnisse einer anderen Firma berücksichtigt, ohne in einem Besitzverhältnis zu ihr zu stehen.

Der Techniker Marvin Duran von der mexikanischen Firma Mexicali, der auf eigene Faust eine Online-Petition an Intel initiierte, um den Prozessorhersteller dazu zu bringen, Vista-Premium-fähige Treiber für die i910/915-Chipsätze herauszubringen, meint, es sei erschreckend, dass der Profit als Motivation höher stehe als die Bedürfnisse der Verbraucher. Der Seattle Post-Intelligencer schreibt, die Probleme mit Vista hätten Duran dazu gebracht, zu Linux zu wechseln. (anw)