Telekom-Chef verteidigt Flatrate-Kappung: "Wir lieben unsere Kunden"

Die Bandbreiten-Drosselung für Internet-Vielnutzer hat der Telekom viel Kritik eingetragen. Telekom-Chef Obermann verteidigt erneut persönlich das Vorhaben: "Wir finden es fairer, wenn die, die das Netz ganz besonders viel nutzen, auch etwas mehr zahlen."

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Von
  • Jürgen Kuri

Telekom-Chef René Obermann: "Wir wollen das Internet schneller machen und die Preise soweit es geht stabil halten."

(Bild: dpa, Jochen Lübke)

Konzernchef René Obermann hat die scharf kritisierte Flatrate-Kappung der Deutschen Telekom für Internet-Vielnutzer verteidigt. "Bisher zahlen die Intensivnutzer genauso viel wie die Wenignutzer. Wir finden es fairer, wenn die, die das Netz ganz besonders viel nutzen, auch etwas mehr zahlen", sagte Obermann in einem Interview, das die Welt am Sonntag mit ihm und Timotheus Höttges, seinem baldigen Nachfolger als Telekom-Chef, führte. "Wir wollen das Internet schneller machen und die Preise soweit es geht stabil halten."

Die Telekom hatte am 2. Mai zunächst für Neukunden monatliche Daten-Obergrenzen für Festnetz-Flatrates eingeführt, ab denen die Internet-Geschwindigkeit drastisch gedrosselt werden darf. Die Tempo-Bremse soll frühestens im Jahr 2016 greifen. Die von der Telekom geplanten Obergrenzen für den monatlichen Datenverkehr bei Festnetz-Flatrates werden dann spätestens ab 2018 alle DSL-Kunden treffen. Dann sollen alle ISDN- und Analog-Festnetzanschlüsse auf IP-Anschlüsse umgestellt werden, die Kunden müssen dann auch die neuen Geschäftsbedingungen akzeptieren.

Flatrate-Kappung und Netzneutralität

Seit dem 2. Mai sieht die Telekom Volumengrenzen für ihre Internet-Flatrates vor. Begründung: Das Datenvolumen steigt, der Ausbau der Netze kostet Geld, nur wenige User erzeugten einen großen Anteil am Traffic. Kritik wurde schnell laut: Die Backbones hätten bei weitem genug Kapazität auch für steigende Datenvolumen. Und die Telekom bevorzuge eigene Angebote wie den IPTV-Dienst Entertain oder von Partnern wie Spotify. Die Telekom zielt mit dem Übergang zu Next Generation Networks (NGN) darauf ab, aus dem "Best-Effort"-Internet eine Ansammlung von "Managed Services" zu machen, die ihr Kontrolle und Monetarisierung ermöglichen.

Für die allermeisten Kunden werde sich nichts ändern, sagte Obermann. Wer nur gelegentlich viel Volumen brauche, könne dies für wenige Euro dazu buchen. "Der Wettbewerb ist so hart, dass wir ohnehin nur das verkaufen können, was sich am Markt durchsetzen lässt", sagte Obermann. Ziel bleibe es, Kunden zu halten und vor allem neue zu gewinnen. Flatrates werde es auch weiterhin geben. Aus heutiger Sicht würden die Vielnutzer 10 bis 20 Euro monatlich mehr zahlen. Dies sei erforderlich, weil die Telekom in den nächsten Jahren rund sechs Milliarden Euro in den Festnetzausbau investieren müsse. Der deutsche Telekommunikationsmarkt habe zudem in den letzten sieben Jahren einen Umsatzrückgang von neun Milliarden Euro verkraften müssen.

Der Verein Digitale Gesellschaft hatte kritisiert, eine solche Drosselung mache "die Verbindung unter heutigen Ansprüchen nicht mehr nutzbar". Die Geschwindigkeit werde damit auf ein Niveau der 90er Jahre reduziert. "De facto ist das eine Sperre", erklärte Markus Beckedahl, Vorstand des Vereins Digitale Gesellschaft. Und ein Bündnis ruft zur Hauptversammlung der Telekom am 16. Mai in Köln zu einer Demonstration unter dem Motto "Lass Dich nicht erdrosseln!" auf. "Wir haben mit Kritik gerechnet", sagte Obermann. "Und dass man mit der Ankündigung einer Preisdifferenzierung innerhalb der Netzgemeinde niemals Sympathiepunkte sammeln kann, war uns auch klar." Höttges und Obermann meinten aber: "Wir lieben unsere Kunden." Die Telekom kämpfe um jeden einzelnen Kunden "heute und in Zukunft."

Der zentrale Vorwurf gegen das Vorhaben der Telekom richtet sich aber mittlerweile gar nicht gegen höhere Kosten für höhere Datenvolumen, sondern gegen den Angriff auf das "Best-Effort"-Internet, das mit der Flatrate-Kappung verbunden ist. Denn Telekom-Dienste wie das IPTV-Angebot Entertain sind im Gegensatz zu konkurrierenden Diensten von der Volumenbegrenzung befreit. Obermann hatte bereits zuvor damit argumentiert, dass das IPTV-Angebot Entertain als "Managed Service" nicht als regulärer Internerverkehr betrachtet werden könne und daher die Herausrechnung des Telekom-IPTV-Datenaufkommens aus der Volumenobergrenze keine Verletzung der Netzneutralität darstelle. Das Telekom-IPTV-Angebot Entertain sei kein typischer Internet-Dienst, sondern eine von den Landesmedienanstalten durchregulierte separate Fernseh- und Medienplattform, für die die Kunden ein zusätzliches Entgelt bezahlten. Entertain sei damit eine Ausnahme, weil es ein "Managed Service" sei, bei dem der Konzern die Qualität garantiere.

Solche "Managed Services", die die herkömmlichen Datenströme ersetzen, sind das eigentliche Ziel von Carriern wie der Telekom, das sie mit den sogenannten Next Generation Networks (NGN) und ihrem IP Multimedia Subsystem erreichen wollen. Auf IP-Basis wird aus dem "Best-Effort"-Internet damit eine Ansammlung von "Managed Services" unter Kontrolle der Carrier. Diese stehen dann zur weiteren Monetarisierung zur Verfügung. Jeder Traffic-Typ, ob es sich nun beispielsweise um Datenverkehr zu Webseiten, Musikstreaming oder Videotransfers handelt, ist dann jeweils nur eine bestimmte Ausprägung eines "Managed Service" im NGN. Von einem Best-Effort-Netz wie dem Internet, in dem alle Daten unterschiedlos auf dem bestmöglichen Weg transportiert werden, sind solche Next Generation Networks weit entfernt – und die Argumentation, Entertain sei ein spezieller Dienst, der mit dem Internet nichts zu tun habe, wäre hinfällig. (jk)