TV-Sender könnten wissen, was Smart-TV-Besitzer schauen

Zumindest technisch wären Fernsehsender bereits jetzt dazu in der Lage, TV-Quoten über das Internet in Echtzeit zu erheben. Dies ergab eine Studie der TU Darmstadt.

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Von
  • Ronald Eikenberg

Smart-TVs bieten den Betreibern von TV-Sendern ungeahnte Möglichkeiten, ihre Zuschauer zu überwachen: Sobald man einen Sender einschaltet, der Hbb-TV anbietet, kommuniziert der Fernseher regelmäßig mit einem Server des Herstellers – vorausgesetzt, es besteht eine Internetverbindung. Wie häufig das genau passiert, haben Forscher der TU Darmstadt untersucht. Dabei erlebten sie eine Überraschung: Schaltet man bestimmte Sender ein, nimmt der Fernseher selbstständig Kontakt zu Tracking-Dienstleistern wie Google Analytics auf.

Die drei Forscher Marco Ghiglieri, Florian Oswald und Erik Tews haben analysiert, wie häufig HbbTV-fähige Fernseher mit dem Internet kommunizieren, während bestimmte Sender eingeschaltet sind. Dabei stellte sich heraus, dass es nach einem Senderwechsel in allen Fällen zu einer Kontaktaufnahme mit dem Internet kommt, weil der sogenannte "Red Button" abgerufen wird. Dabei handelt es sich um ein kleines Infofenster, das den Zuschauer darüber benachrichtigt, dass der aktuelle Sender Inhalte über HbbTV zur Verfügung stellt. Diese kann man über den roten Knopf der Fernbedienung aktivieren. Die Information darüber, über welche URL der Fernseher die Daten für den Infodialog abrufen kann, finden sich im DVB-Datenstrom.

Doch dabei blieb es nicht: Die Forscher entdeckten periodische Anfragen in Abständen von einer Sekunde bis hin zu 15 Minuten – obwohl der rote Knopf noch gar nicht gedrückt wurde. Einige Sender wiesen den Fernseher offenbar an, die Daten für die HbbTV-Anwendungen alle paar Minuten zu aktualisieren, damit sie sofort angezeigt werden kann, wenn der Zuschauer auf Knöpfchen drückt. Bei der ProSiebenSat1-Gruppe, Arte und dem österreichischen Sender Puls 4 soll der Fernseher allerdings in regelmäßigen Abständen mit Servern von Tracking-Anbietern wie Google Analytics, Chartbeat.com und Webtrekk kommuniziert haben. Warum dies geschieht geht aus der Studie nicht hervor. Die Sender der RTL-Gruppe haben die Forscher aus technischen Gründen nicht untersucht.

heise Security liegt ein Dokument der ProSiebenSat1-Gruppe vor, das an Anzeigenkunden gerichtet ist, die über die HbbTV-Anwendung Werbung schalten möchten. Darin beschreibt das Unternehmen, dass Anzeigenkunden die Reichweite von Werbung mittels "3rd Party Tracking" erheben können. Ferner besteht die Möglichkeit, die Seitenaufrufe von Anzeigenseiten (Microsites) mittels Google Analytics messen zu lassen. Diese Tracking-Methoden sind im Internet allgegenwärtig – und kommen durch HbbTV offenbar auch auf dem Smart-TV an. Das Vorladen der HbbTV-Anwendung sorgt vermutlich dafür, dass die Tracking-Server auch ohne Zutun des Zuschauers kontaktiert werden.

Dass über das Anzeigen-Tracking auch die Fernsehgewohnheiten ausgekundschaftet werden, ist eher unwahrscheinlich. Die technischen Mittel um eine Quotenerhebung in Echtzeit durchzuführen, bietet HbbTV allerdings durchaus. Über die in der Studie beschriebenen periodischen HTTP-Abfragen könnten die Senderbetreiber theoretisch registrieren, wann und wie lange man ihr Programm schaut. Ob dies in der Praxis jedoch passiert – und legal wäre –, ist derzeit nicht bekannt. (rei)