"Ökodesign ist oft ein Taschenspielertrick"

Für den Hamburger Design-Professor Jesko Fezer befindet sich moderne Produktgestaltung auf einem Irrweg.

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Von
  • Niels Boeing

Für den Hamburger Design-Professor Jesko Fezer befindet sich moderne Produktgestaltung auf einem Irrweg.

TECHNOLOGY REVIEW: Herr Fezer, ich habe hier einen iPod von 2003. Damals war das Gerät der letzte Schrei. Heute gilt sein Design als altmodisch – nach nur zehn Jahren. Wie kommt das?

JESKO FEZER: Es ist eine offene Wahrheit, dass zumindest ein Teil der Produktindustrie sich neue Absatzmärkte eröffnet, indem sie ästhetische Erscheinungsbilder künstlich altern lässt, also die Form von Modell zu Modell so verändert, dass die Vorgängerversion weniger attraktiv wirkt. Wenn die Sachen von vor zehn Jahren immer noch gut aussehen würden, wäre es schwierig, allein aufgrund technischer Verbesserung neue Produkte zu verkaufen. Technische Innovation steigert selten das Konsumbedürfnis so sehr, dass Menschen dafür auch wirklich Geld hinlegen.

Ist das der Grund für den aktuellen Design-Boom?

Womöglich der Hauptgrund, ja. Der Massenmarkt der Nachkriegszeit war irgendwann versorgt: Alle hatten ein Auto, ein Telefon, einen Föhn und genug Stühle. Das war für die Konsumindustrie ein ernstes Problem. Der einzige Ausweg war, so etwas wie Veralterung als Entwertung einzuführen, und dafür ist Design ein hilfreiches Werkzeug. Die Zyklen werden kürzer, die Intensität der Bewerbung und Gestaltung wird höher. Der zweite Grund für den Boom ist wohl, dass Design kaum mehr auf den praktischen Gebrauch der Dinge zielt, sondern ein Mittel zur Identitätsfindung, zur Selbstdarstellung und zur Abgrenzung geworden ist.

Das kann man am Apple-Design gut beobachten. Interessanterweise erinnert es an das Braun-Design von Dieter Rams, der heute wieder gefeiert wird. War Rams ein Visionär, dessen Gestaltung sich nun doch als Standard etabliert, nach all den postmodern-kugeligen Alessi-Kannen der achtziger Jahre?

Man muss sich zwei Sachen anschauen. Einmal: Wo kommt dieser Rams eigentlich her? Aus dem wirtschaftlich fokussierten Funktionalismus der Nachkriegszeit. Die Frage war: Wie kann man etwa günstige, gute Möbel in der Massenproduktion herstellen? Durch Weglassen von Dekors und durch Standardisierung. Das führte zu Reduktion und Vereinfachung, weil es eben anders nicht herstellbar gewesen wäre. Das Nachkriegsdesign war außerdem ein Gegenmodell zum Nazi-Deutschland, es stand für Offenheit, Demokratie. Auch daran kann man sehen, dass das funktionalistische Design nicht die zeitlose, wahre Form an sich suchte. Ich glaube aber, dass das Apple-Design Rams bewusst zitiert, um einen gewissen Wahrheitsanspruch auszudrücken: eine Ewigkeit und Endgültigkeit anzudeuten, die das blanke Gegenteil der Produkte mit ihren kurzen Lebenszyklen darstellt.

(nbo)