Gedenksekunde für Hedonisten

Porsche fahren für den Spaß, elektrisch für die Vernunft? Ein Vergleich mit überraschendem Ergebnis.

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Porsche fahren für den Spaß, elektrisch für die Vernunft? Ein Vergleich mit überraschendem Ergebnis.

Ich bin kürzlich einen Porsche Panamera im direkten Vergleich zu einem Elektroauto gefahren. Der Unterschied war bemerkenswert. Der Stromer war ein von Continental umgerüsteter Renault Megane, angetrieben von einem fremderregten Synchronmotor mit etwa 80 Kilowatt – also weder Leichtgewicht noch Leistungsrakete. Obwohl die Batterie nicht mehr in Hochform war, bekam ich das Grinsen kaum aus dem Gesicht, so vehement legte der Wagen aus dem Stand los.

Dass E-Autos gerade beim Anfahren Laune machen, ist zugegebenermaßen weder neu noch überraschend. Überrascht war ich hingegen davon, wie spaßarm sich der mehr als drei Mal so starke Porsche im Vergleich dazu anfühlte. Tritt man bei 80 aufs Gas, passiert erstmal eine Sekunde lang – nichts. Dann eine weitere Sekunde: nichts. Irgendwann hat das Getriebe endlich ein Einsehen und schaltet einen Gang runter, der Motor röhrt auf und die Zwei-Tonnen-Fuhre kommt doch noch in Fahrt.

Erstaunlich, dass sich hedonistische Gutverdiener solch lange Gedenksekunden des Getriebes gefallen lassen. Bisher dachte ich immer, Geschosse wie der Panamera seien zwar zu sonst nichts gut, machen aber wenigstens Spaß – das ist ja schließlich ihre einzige Existenzberechtigung. Aber wenn ihr Spaßfaktor nicht einmal den eines mittelmäßig motorisierten E-Autos übertrifft, was bleibt dann noch übrig? Ein Cockpit, das so eng und überladenen ist, dass ich Angst hatte, mir beim Einsteigen einen der Lenkstockhebel ins Auge zu stechen. Ach ja: und eine in der Härte verstellbare Luftfederung. Sie soll den Nutzern offenbar auf Knopfdruck die Illusion vermitteln, in einem englischen Roadster statt in einem rollenden Denkmal deutscher Ingenieurskunst zu sitzen. Wer die Details der Fahrbahn dann doch nicht so genau wissen will, kann das Fahrwerk wieder auf "weich" stellen. Welch ein Auto.

Nun ist die Klage darüber, dass Autos immer komplexer werden, zwar berechtigt, aber billig. Logischerweise soll jede neue Baureihe die Vorgängerserie übertreffen, und viele der neuen Features sind tatsächlich sinnvoll – schließlich ist es vor allem den Autoingenieuren zu verdanken, dass die Zahl der Verkehrstoten seit 1970 stets gesunken ist. Und wo die Grenze zum Schnickschnack verläuft, kann jeder Kunde selbst bestimmen. Trotzdem frage ich mich, ob Autos wie der Panamera nicht später als Dinosaurier der Komplexität in Technikmuseen bestaunt werden, nur noch geschätzt von ein paar Enthusiasten, so wie mechanische Armbanduhren nach dem Aufkommen der Swatch. Um den Fahrspaß müssen wir uns in diesem Fall jedenfalls keine Sorgen machen – der wird die Overkill-Oberklasse überleben. (grh)