Open Access: Freier Zugang zu Forschungsveröffentlichungen unter Beschuss

In den USA spitzt sich der Streit um das staatliche Zweitveröffentlichungsrecht für die Ergebnisse der öffentlichen geförderten Forschung zu.

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Von
  • Richard Sietmann

Seit April verlangt das US-amerikanische Bundesgesundheitsamt (National Institutes of Health, NIH), dass die durch das NIH geförderten Forscher ihm im Gegenzug ein Zweitveröffentlichungsrecht an diesen Publikationen einräumen. Wissenschaftler, die die öffentlichen Mittel in Anspruch nehmen, müssen seither dem NIH eine elektronische Kopie der endgültigen Fassung von jedem in dem geförderten Projekt entstandenen Aufsatz übermitteln, damit die Publikationen binnen zwölf Monaten nach dem Erscheinen in einer Zeitschrift über den Archivserver PubMed Central im Internet der Öffentlichkeit frei zugänglich werden.

Obwohl das NIH mit der neuen Vertragsklausel lediglich einem Auftrag des US-Kongresses nachkam, sieht es sich jetzt dem heftigen Beschuss einiger Wissenschaftsverlage ausgesetzt. Der Association of American Publishers (AAP) war es gelungen, in die Kongressverfügung vom Dezember vorigen Jahres einen Vorbehalt zu platzieren, demzufolge die Umsetzung der Open-Access-Regeln "in einer mit dem Copyright-Gesetz übereinstimmenden Weise" zu erfolgen habe. Genau dies sei aber nicht der Fall, behauptet die AAP; vielmehr würden hier das Copyright-Gesetz umgeschrieben und obendrein internationale Handelsvereinbarungen verletzt.

Das Zweitveröffentlichungsrecht zugunsten des NIH sei eine erzwungene Rechtsübertragung, die im Copyright-Gesetz ausdrücklich untersagt sei, argumentiert die Verlegervereinigung in einem Rechtsgutachten, mit dem sie gegen die neue Regelung Front macht. Das NIH schneide "aus dem 'Rechtebündel' des Copyright-Inhabers zwangsweise, umfassend und dramatisch die grundlegendsten Rechte der Vervielfältigung, öffentlichen Darbietung und der öffentlichen Verbreitung heraus", heißt es darin, und stelle "das Werk in Konkurrenz zum Verleger einem unbegrenzten, weltweiten Publikum zur Verfügung".

Der Vorstoß rief jetzt wiederum die Association of Research Libraries (ARL) auf den Plan. "Das Copyright ist ein Autorenrecht", unterstreicht sie in ihrem Gegenpapier die Vertragsfreiheit der Autoren. "Nach der Logik der AAP-Argumentation wäre dann jeder Vertrag, den ein Romanautor mit Random House für ein Abschlagshonorar und Tantiemen im Austausch gegen das Copyright am Erstlingswerk eingeht, eine 'erzwungene Übertragung' des Copyright."

Die rechtlichen Einwände des Verlegerverbandes seien, so der Vorwurf der Vereinigung der wissenschaftlichen Bibliotheken in den USA, "völlig daneben und stellen die wesentlichen Fakten und Gesetze falsch dar". Das gelte auch für die behauptete Verletzung internationaler Handelsvereinbarungen. "Die Berner Übereinkunft zum Urheberrecht und der TRIPS-Vertrag beziehen sich auf die Substanz des Urheberrechts, nicht auf die Konditionen, unter denen den Vereinigten Staaten Lizenzen im Austausch gegen eine öffentliche Finanzierung gewährt werden." Beide Abkommen hätten lediglich Mindestanforderungen an das Urheberrecht zum Gegenstand, zu denen sich die Unterzeichnerstaaten mit ihrer nationalen Gesetzgebung bekennen. Die NIH-Richtlinien dagegen "beziehen sich auf Vertragsbedingungen zwischen Autoren und einer Einrichtung zur Forschungsförderung".

Das NIH ist einer der größten Mittelgeber für die biomedizinische Forschung weltweit. Sein Jahreshaushalt übersteigt noch den der NASA von 17 Milliarden Dollar oder den der National Science Foundation (6,4 Milliarden Dollar) und liegt 2008 bei 29 Milliarden Dollar. Damit finanziert es knapp 50.000 Forschungsprojekte, aus denen jährlich rund 80.000 Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften hervorgehen. (Richard Sietmann) / (anw)