Die Woche: Der Ubuntu-Bug Nummer 1

Letzte Woche hat Ubuntu-Begründer Mark Shuttleworth den Ubuntu-Bug Nummer 1 geschlossen: "Microsoft dominiert den Markt". Nur ein Marketing-Trick oder Ausdruck eines veränderten IT-Markts?

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Als Shuttleworth den Bug #1 – "Microsoft dominiert den Markt" – 2004 in der Ubuntu-Fehlerdatenbank anlegte, waren mit "Markt" Desktop-PCs und Notebooks gemeint. In der Ära vor iPhone, iPad und Android konnte man sich unter Personal Computing gar nichts anderes vorstellen. Damals, vor der Mac-Renaissance, lief Windows auf etwa 98 Prozent der mobilen und Desktop-PCs.

Und heute? Den PC-Markt dominiert Microsoft nicht viel weniger weniger als vor neun Jahren. Klar, der Anteil der Mac-OS-X-Nutzer ist seitdem erheblich gestiegen, je nach Quelle sind zwischen fünf und zehn Prozent der Desktop-User mit einem Apple-PC oder -Notebook unterwegs. Auch Linux hat sich auf dem Desktop einen Marktanteil zumindest im niedrigen einstelligen Prozentbereich erobert. Aber dass die Vorherrschaft von Microsoft auf dem Desktop gebrochen wäre, kann man bei einem Marktanteil um die 90 Prozent beim besten Willen nicht behaupten.

Allerdings hat Shuttleworth recht, wenn er zur Begründung schreibt, dass Personal Computing heutzutage nicht nur auf (Windows-) PCs, sondern immer mehr auf Smartphones und Tablets mit Android und iOS stattfindet – und die, da sind sich die Marktforscher einig, graben den Windows-PCs zunehmend das Wasser ab. Wer heutzutage einen Rechner für den persönlichen Bedarf braucht, landet nicht mehr automatisch beim (Windows-) PC oder -Notebook, sondern entscheidet sich zwischen Smartphone, Tablet, Notebook und stationärem PC. In diesem erweiterten "PC"-Markt ist Microsoft nur noch einer von mehreren Playern. Die Zeiten, wo alle Augen nach Redmond gerichtet waren, sind in der Tat vorbei.

Trotzdem lügt sich der Ubuntu-Sponsor in die Tasche, wenn er sagt, der Bug Nummer 1 wäre gefixt. Der Fix, das hat er selbst in die Beschreibung des Bugs eingetragen, besteht nämlich darin, dass "die Mehrzahl der verkauften PCs ausschließlich freie Software enthalten sollte". Und davon kann nun nun wirklich keine Rede sein.

iOS? Ja, da steckt ein bisschen freier FreeBSD-Code drin, aber ansonsten hat das iPhone neue Maßstäbe der Unfreiheit gesetzt – der Besitzer eines iOS-Geräts kann ohne Jailbreak nicht mal beliebige Programme darauf installieren. Android? Ist zum größten Teil Open Source, zugegeben, aber auf Android-Geräten ist immer auch eine Menge proprietäre Software installiert – von Treibern über die Google-Apps bis zu den herstellerspezifischen Erweiterungen. Und die meisten Android-Geräte müssen genau wie iPhone und iPad erst gerootet werden, bevor der Besitzer volle Kontrolle darüber hat – freie Software geht anders. Von Windows Phone, RT und 8 oder Blackberry wollen wir gar nicht erst anfangen.

Ja, Mr Shuttleworth, Personal Computing hat sich seit 2004 verändert. Ja, Microsoft spielt bei den Geräten, mit denen die Menschen heutzutage mailen und chatten, im Internet surfen und spielen, keine dominante Rolle mehr. Aber ein Durchbruch für freie Software ist das nicht. Im Gegenteil: Smartphones und Tablets gängeln den Anwender stärker, als das ein Windows-XP-PC von 2004 getan hat. Insofern müsste man Bug Nummer 1 heutzutage vielleicht ein bisschen anders formulieren – gefixt ist er aber nicht. (odi) (odi)