Glass? Linse!

Koreanische Forscher haben eine handelsübliche Kontaktlinse mit einer Leuchtdiode und einer neuartigen transparenten Elektrode kombiniert.

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Von
  • Katherine Bourzac

Koreanische Forscher haben eine handelsübliche Kontaktlinse mit einer Leuchtdiode und einer neuartigen transparenten Elektrode kombiniert.

Google Glass spaltet die Technikwelt: Während einige die Datenbrille schon jetzt als das ultimative Endgerät für die vernetzte Welt feiern, finden andere sie vor allem lästig und hässlich. So ein Glasbalken vor dem Auge ist Geschmackssache. Experten gehen aber ohnehin davon aus, dass Google Glass nur ein Übergangsprodukt ist und Displays für die erweiterte Realität in den kommenden Jahren in Kontaktlinsen wandern. Ingenieure vom Nationalen Institut für Wissenschaft und Technik im koreanischen Ulsan haben nun einen ersten Schritt dorthin gemacht: Sie haben eine handelsübliche Kontaktlinse mit einer Leuchtdiode und einer neuartigen transparenten Elektrode kombiniert.

Die LED sitzt dabei auf einer leitfähigen und elastischen Mischung aus Graphen und Nanodrähten aus Silber, die als Elektrode dient und von der Gruppe um Jang-Ung Park selbst entwickelt wurde. Bei Graphen handelt es sich um Kohlenstoffschichten, die eine Dicke von nur einem Atom haben und als vielversprechender Werkstoff für eine künftige Nanoelektronik gelten.

Die Kontaktlinsen testeten die Koreaner an Kaninchen, deren Augen eine ähnliche Größe wie von Menschen haben. Die Nager zeigten sich auch nach fünf Stunden unbeeinträchtigt von den Linsen, weder rieben sie mit ihren Pfoten die Augen, noch liefen diese rot an. Die Elektronik funktionierte auch nach fünf Stunden einwandfrei, wie die Forscher im Journal "Nano Letters" berichten. An dem Projekt waren auch zwei Forschungsabteilungen von Samsung beteiligt.

Andere Forschungsgruppen haben in den letzten fünf Jahren ebenfalls elektronische Kontaktlinsen konzipiert. Die Schweizer Firma Sensimed bietet bereits Linsen an, mit denen Glaukom-Patienten über 24 Stunden den Augendruck messen können. Auch Babak Parviz von der University of Washington, einer der Köpfe hinter Google Glass, hat ein ähnliches System entwickelt. Doch alle bisherigen Modelle verwenden starre oder nicht-transparente Materialien.

Die Schwierigkeit bestand darin, ein biegsames Elektrodenmaterial zu finden, das zugleich leitfähig genug ist. Indium-Zinnoxid, das als Elektrode in Flachbildschirmen verbreitet ist, erwies sich als zu spröde. Außerdem muss es bei hohen Temperaturen auf das Substrat aufgebracht werden – handelsübliche Kontaktlinsen würden dabei schmelzen. Organische Leiter, Graphen und Nanodrähte sind zwar biegsam und transparent, aber alleine noch nicht leitfähig genug.

Die Lösung war eine Sandwich-Struktur aus Silber-Nanodrähten zwischen Graphen-Schichten. Die Kombination hat einen wesentlichen geringeren elektrischen Widerstand als beide Materialien je für sich genommen. Der Industriestandard für transparente Leiter sei ein Flächenwiderstand von 50 Ohm, sagt Nam. Das Graphen-Silber-Sandwich komme auf 33 Ohm (die Einheit für den Flächenwiderstand wird auch als Ohm per Square bezeichnet). Es lässt 94 Prozent des einfallenden Lichts passieren.

Die Kompomenten wurden in einer wässrigen Lösung auf die rotierende Kontaktlinse aufgetragen. Auf der Elektrodenschicht platzierten sie dann eine pixelgroße LED.

Diese Konstruktion ein Display zu nennen, sei zwar übertrieben, aber künftige elektronische Kontaktlinsen könnten nach diesem Prinzip entwickelt werden, sagt Herbert De Smet, der an der Universität Gent selbst an der Technologie arbeitet.

Parks Forschungspartner Sung-Woo Nam von der University of Illinois in Urbana-Champaign sieht zuerst medizinische Anwendungen für kommende Kontaktlinsen-Displays. Aus dem Graphen-Silberdraht-Sandwich will er Sensoren machen, die zum Beispiel die chemische Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit auf einem Auge überwacht. Mit De Smet entwickelt Nam außerdem eine Linse, die bei bestimmten Augenproblemen Licht filtern soll. Park selbst lässt aber keine Missverständnisse aufkommen, worum es ihm geht: „Unser Ziel ist eine Kontaktlinse, die dasselbe kann wie Google Glass.“

Originalveröffentlichung:
Lee, Mi-Sun et al.: „High-Performance, Transparent, and Stretchable Electrodes Using Graphene–Metal Nanowire Hybrid Structures“, Nano Letters, Online-Veröffentlichung, 23.5.2013 (Abstract)

(nbo)