PRISM: Kritik an US-Datensammelwut aus allen Richtungen

Die Überwachungsmethoden des US-Geheimdienstes stoßen weltweit auf Empörung. Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA selbst und in China hagelt es Kritik. Sind neue Enthüllungen zu erwarten?

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Nach der Aufdeckung der massiven Spionageaktivitäten der USA im Internet formiert sich auch in den USA breiter Widerstand gegen die Überwachungsmethoden. Unter dem Motto "Stop Watching Us" (Hört auf, uns zu beobachten) eröffnete eine Gruppe von Firmen und Bürgerrechtsorganisationen eine Kampagne gegen die Überwachung von Internet- und Telefondaten durch den US-Geheimdienst NSA. Europäische Politiker fordern Aufklärung über das Ausmaß der Überwachung. Kanada gab zu, das Internet ähnlich auszuspionieren.

Edward Snowden

(Bild: The Guardian)

Von dem US-Amerikaner Edward Snowden, der die massiven Schnüffeleien aufgedeckt und nach Hongkong geflüchtet war, fehlte am Mittwoch weiter jede Spur. Er hatte am Montag ein Hotel in der chinesischen Sonderverwaltungsregion verlassen. Der Reporter Glenn Greenwald von der britischen Zeitung Guardian, die wie die Washington Post den Skandal enthüllt hatte, kündigte weitere Berichte über die NSA an. "Wir arbeiten an Geschichten", sagte Greenwald dem Nachrichtensender CNN.

Auch aus China kommt Kritik: Der Künstler Ai Weiwei zeigte sich "geschockt". "Ich habe zwölf Jahre in den USA gelebt. Dieser Missbrauch staatlicher Macht läuft meinem Verständnis von einer zivilisierten Gesellschaft entgegen", schrieb der Regimekritiker im Guardian. Die Amerikaner dürften das nicht zulassen. "Privatsphäre ist ein grundlegendes Menschenrecht." In der Sowjetunion, heute in China und selbst in den USA glaubten Offizielle immer, sie handelten im Interesse des Staates und der Menschen. Die Geschichte lehre aber, dass staatliche Gewalt begrenzt werden müsse.

Snowden wurde derweil von seinem Arbeitgeber entlassen. Die Beratungsfirma Booz Allen Hamilton kündigte ihm "wegen der Verletzung des Ethikkodexes und der Richtlinien". Snowden hatte angegeben, er sei als Mitarbeiter der Firma bei der NSA auf Hawaii im Einsatz gewesen. Booz Allen Hamilton zufolge arbeitete Snowden weniger als drei Monate für das Unternehmen. Die US-Behörden arbeiten laut Medienberichten an einer Anklage gegen Snowden.

Die Zeitungen Guardian und Washington Post hatten unter Bezug auf Snowdens Informationen berichtet, der US-Geheimdienst NSA sammele und analysiere massenhaft Nutzer-Daten von Unternehmen wie Google, Yahoo, Microsoft, Apple oder Facebook. Die NSA habe über das Programm "PRISM" Zugriff auf Fotos, Nachrichten und Dateien. Die Unternehmen bestreiten einen direkten Zugang der Behörden auf ihre Server. Zuerst Google und laut BBC nun auch Facebook sowie Microsoft bitten inzwischen US-Behörden um Erlaubnis, weitere Details veröffentlichen zu können. Damit soll dem verdacht entgegengetreten werden, den Geheimdiensten uneingeschränkt Zugang zu seinen Systemen gewährt zu haben.

Unterdessen haben acht US-Senatoren beider Parteien ein Gesetz vorgelegt, das die juristischen Hintergründe des Spionageprogramms aufklären soll. Veröffentlicht werden müssten demnach Entscheidungen des Gerichts FISC (Foreign Intelligence Surveillance Court), das die elektronischen Überwachungsmaßnahmen genehmigt. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union wiederum reichte eine Klage gegen die Sammlung von Telefon-Verbindungsdaten ein.

Der Firefox-Entwickler Mozilla begann mit Rückendeckung von Bürgerrechtsaktivisten und anderen Firmen die Kampagne "Stop Watching Us". Sie sammeln im Internet Unterschriften für einen offenen Brief an den US-Kongress. "Diese Art der pauschalen Datensammelei kratzt an den amerikanischen Grundwerten von Freiheit und Privatsphäre", heißt es darin. Dadurch würden Eckpfeiler der Verfassung verletzt. "Wir rufen den Kongress auf, sofort zu handeln, um diese Überwachung zu stoppen." Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

In Europa gerieten die USA ebenfalls weiter in die Kritik. Grüne und SPD drängten die Bundesregierung zu kritischen Nachfragen bei US-Präsident Barack Obama. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, es werde ein Fragenkatalog an die Amerikaner formuliert. Das Innenministerium will von den USA wissen, in welchem Umfang und auf welcher Grundlage Daten gesammelt worden seien. Verfechter der EU-Datenschutzreform hoffen, dass der Skandal ihren Ruf nach strengeren Datenschutzregeln für alle 27 EU-Staaten bestärkt.

Kongressmitglieder wurden am Dienstag in Washington hinter verschlossenen Türen über die geheimen Anti-Terror-Aktionen der NSA informiert. Einzelne Politiker äußerten ihre Sorge über ausufernde Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger, während die meisten die Maßnahmen aber unterstützten. Kanadas Verteidigungsminister Peter MacKay bestätigte, dass sein Land ebenfalls ein Abhör- und Spähprogramm betreibe. Er habe den Geheimdienst CSE autorisiert, die Telekommunikation weltweit auszuspähen und digitale Spuren von Telefon- und Internetverbindungen zu sammeln. "Das ist etwas, was seit Jahren passiert." (mit Material von dpa) / (mho)