c't-Labs: Wo versickert der Strom

Wenn ein Komplett-PC im Labor fast doppelt so viel Strom schluckt wie erwartet, weckt das unsere Neugierde. Spurensuche im c't-Labor.

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Von
  • Benjamin Benz
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Benjamin Benz

hat einen Job als Ingenieur aufgegeben, um bei c't immer mal wieder über den Tellerrand zu schauen und nicht zum Fachidioten zu werden. In den c't-Laboren gibt es aber erfreulicherweise so viel Messtechnik, dass bislang wenig Heimweh aufkam.

Es gibt Dinge, die ärgern uns Hardware-Tester nicht nur, sondern wir verstehen sie geradezu als Herausforderung. Ein Paradebeispiel dafür hat sich am Rande eines Tests von Komplett-PCs für die kommende Ausgabe der c't 15/13 ereignet: So schluckte ein spartanisch ausgestatteter Testkandidat bereits im Leerlauf 28,8 Watt. Dabei war uns im Rahmen der Vorstellung von Intels Haswell-Prozessoren positiv aufgefallen, dass man damit richtig sparsame Systeme bauen kann. 14,5 Watt im Leerlauf waren Labor-Rekord für einen PC aus Standardkomponenten.

Zum Vergleich: Die besten Ivy-Bridge-Systeme kamen nur knapp unter 20 Watt. Lediglich ein paar hoch optimierte Mini-PCs mit integriertem Netzteil brachten es auf knapp unter 10 Watt – so zum Beispiel der Esprimo Q910 von Fujitsu.

Unser Ehrgeiz war geweckt. Wir wollten wissen, warum der Testkandidat fast das Doppelte fraß. Auf die Anklagebank kamen erst einmal die Windows-Vorinstallation samt Treibern, das BIOS, das Mainboard, die nicht gerade topmoderne 500-GByte-Festplatte sowie das Netzteil. Doch das sollte nicht reichen ...

Nachdem gestern unsere Messgeräte Hitzefrei hatten, haben wir die Beweisaufnahme in unsere auf 22°C klimatisierten Labors verlegt. Ausgangspunkt waren demnach nicht 28,8 sondern 28,4 Watt. Die Differenz von 0,4 Watt ist dem Temperaturunterschied zu unseren Büros geschuldet.

Einen Anfangsverdacht weckten die einfachen Patzer des Herstellers – sprich die Ausrufezeichen im Gerätemanager. 0,6 Watt (also 27,8 statt 28,4 Watt) brachte die Installation der vergessenen Treiber für Intels Management-Engine.

Zudem erreichte uns der PC mit einem nicht gerade topaktuellen BIOS. Nach dem Update kletterte die Leistungsaufnahme erst einmal wieder auf 29,6 Watt, weil in den Voreinstellungen die Option "Package C-State Limit" auf "Auto" und nicht "C7s" stand. Und siehe da, die Leistungsaufnahme sank auf 26,3 Watt.

Allerdings hatten wir die auch mit einer SSD und nicht einer Festplatte gemessen. Folglich musste die 3,5-Zoll-Platte (7200 U/min, 500 GByte, 1 Scheibe) unserer Test-SSD weichen. Das Ergebnis war verblüffend: 21,5 Watt, also weitere 4,3 Watt. Ganz so viel hatten wir nicht erwartet.

Ein weiteres halbes Watt konnten wir dem vorinstallierten Windows 8 anlasten – auf der SSD war eine Installation von uns. Nach einer sauberen Neuinstallation auch auf der Platte zeigte das Messgerät nur noch 25,8 Watt statt zuvor 26,3 Watt.

Für die Verhandlung des vorletzten Verdächtigen kam wieder die SSD zum Einsatz, Ausgangswert waren also die bereits erreichten 21,5 Watt. Der Wechsel vom verbauten 35-Euro-Netzteil auf ein erwiesenermaßen sparsames wenn auch 10 Euro teureres Modell senkte die Leerlaufleistung auf 17,3 Watt.

Für die verbleibende Differenz zu unserem 14,5-Watt-Rekordhalter könnte durchaus das Mainboard verantwortlich zeichnen...

An dieser Stelle sollte der Blog-Eintrag eigentlich mit ein paar zusammenfassenden Worten enden, doch Denis Fröhlich, der bei uns im Hardware-Ressort über die Messgeräte gebietet, wollte noch immer nicht aufgeben und wandte ein: "In dem PC stecken auch noch ein Gehäuselüfter und ein optisches Laufwerk, lass mich die auch nochmal schnell ausbauen..."

Sein Zuruf – "13 Watt!" – hat mich schnell überzeugt, noch einmal (oder genauer gesagt mehrfach) den Texteditor anzuwerfen, einen weiteren Absatz und eine eigene Zwischenüberschrift zu spendieren sowie das Urteil zu revidieren: Ohne das (wohlgemerkt untätige) optische Laufwerk sinkt die Leistungsaufnahme um 3,3 Watt. Der 12-cm-Lüfter dreht im Leerlauf bereits mit 1250 U/min. Ohne ihn geht es nochmal 12,0 Watt nach unten. Mit 12 Watt Leistungsaufnahme im Leerlauf ist damit das Mainboard nicht nur völlig entlastet, sondern sogar zum neuen Rekordhalter aufgestiegen.

Wer nun aufmerksam mitgerechnet hat, versteht, warum wir alle Messungen noch mehrfach bei definierten 22°C Raumtemperatur wiederholt haben: Wir hatten selbst die zwischendurch beobachteten 13 Watt unterboten. Doch jetzt sind wir sicher: Für einen Desktop-PC aus Standardkomponenten haben wir einen neuen Rekord von 12,0 Watt im Leerlauf. Warum wir zwischendurch ins Schwitzen kamen, lesen Sie im vorigen Blog-Eintrag.

Einen einzigen Hauptschuldigen konnten wir nicht ausmachen. Wenn ein PC-Hersteller beim Bau seiner Rechner allerdings an so ziemlich jeder möglichen Stelle ein paar Watt liegen lässt, wird aus einem schlanken System schnell ein Stromschlucker. Umgekehrt folgt daraus: Wer ein wirklich sparsames System bauen will, muss von der Komponentenauswahl über BIOS-Updates und -Einstellungen bis hin zur Betriebssysteminstallation wirklich überall genau nachdenken – das gilt auch für Gehäuselüfter und optische Laufwerke. Ein sparsames Board alleine reicht noch lange nicht. Ach ja und Klimaanlagen oder Gewitter helfen Hardware-Testern.

Modifikation Leistungsaufnahme¹ Veränderung²
Testkandidat (bei Raumtemperatur von 22°C) 28,4 Watt
ME-Treiber installiert 27,8 Watt -0,6 Watt
BIOS-Update mit Default Settings 29,6 Watt +1,8 Watt
BIOS-Optionen angepasst 26,3 Watt -3,3 Watt
Neuinstallation Win 8 25,8 Watt -0,5 Watt
SSD statt HDD 21,5 Watt -4,3 Watt
anderes Netzteil 17,3 Watt -4,2 Watt
optisches Laufwerk entfernt 14,0 Watt -3,3 Watt
Gehäuselüfter entfernt 12,0 Watt -2,0 Watt
Resultat 12,0 Watt -16,4 Watt
¹primärseitig gemessen, also zwischen Netzteil und 230-Volt-Steckdose
²Differenz zur jeweils voranstehenden Zeile. Würde man die Reihenfolge der Modifikationen ändern, würde sich das auch auf die einzelnen Differenzen auswirken.
  • Den Test der PCs, der uns zu dieser Messreihe veranlasst hat,
    lesen Sie in der kommenden Ausgabe von c't 15/13

(bbe)