Nichts als die Wahrheit

Warum investiert die CIA in ein Unternehmen, dessen Software vollautomatisch journalistische Texte erstellt? Dreimal dürfen Sie raten.

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Warum investiert die CIA in ein Unternehmen, dessen Software vollautomatisch journalistische Texte erstellt? Dreimal dürfen Sie raten.

Man soll nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Hat schon meine Oma gewusst. Dabei hat sie wahrscheinlich daran gedacht, dass Menschen ja Fehler machen – absichtlich oder unabsichtlich.

Was sie nicht gewusst hat, ist, dass die zunehmende Computerisierung die gezielte Falschinformation auf eine völlig neue Stufe führen könnte. Wie das? Nun, Anfang Juni flackerte die Meldung durch das Internet, dass In-Q-Tel, die Investment-Abteilung der CIA, in "Narrative Science" investiert.

Die Meldung hat hierzulande wenig Aufmerksamkeit erregt, ist aber ziemlich spannend, weil „Narrative Science“ der meines Wissens bislang einzige Anbieter von Software ist, die vollautomatisch Daten aus dem Internet saugt und daraus journalistische Texte generiert.

Unter anderem gibt es Software, die automatisch Sportberichte erstellt, oder Wirtschaftsmeldungen. "Schon klar", habe ich mir gedacht, "das kann ja nicht so schwer sein" – ich muss dazu sagen, dass ich den Sportteil der Zeitung immer gleich aussortiere. Aber nach ein bisschen googeln habe ich meine anfängliche Skepsis runtergefahren. Denn Kris Hammond und Larry Birnbaum haben sich durchaus ein paar Gedanken gemacht. Unter anderem zieht ihre Software Meinungen aus sozialen Netzwerken und bereitet die dann für die Berichterstattung auf.

Was verspricht sich die CIA davon? Die nüchterne Pressemitteilung verrät nicht viel. Da ist die Rede von "strategischem Investment", um das Verständnis, die Analyse und die Kommunikation von Daten "zu verbessern". Viel allgemeiner kann man das wohl nicht formulieren.

Haben die nicht genügend Analysten, die sich durch die Datenberge wühlen? Oder könnte irgendjemand auf die Idee gekommen sein, dass es vielleicht interessant wäre, Blogs und soziale Netzwerke gezielt mit bestimmten Geschichten zu füttern, um die öffentliche Aufmerksamkeit in bestimmte Richtungen zu lenken? Das kann man natürlich auch mit menschlichem Personal machen – für so etwas gibt es schließlich Pressesprecher, Pressestellen und PR-Agenturen. Aber die wollen nicht nur gelegentlich hässlich viel Geld.

Manchmal steigen solche Leute auch komplett aus und geben dann ihre gesammelten Erfahrungen an die Medien weiter – wie jetzt dieser Snowden. Wie viel schöner wäre es da, auf diskrete, verlässliche Software zurückgreifen zu können. Da kriegt das Wörtchen "Agent", das die KI-Forscher so gerne benutzen, doch gleich ein völlig neue Bedeutung, gell?

Ist ein beunruhigender Gedanke. Ein bisschen paranoid. Aber wie wir ja jetzt gelernt haben, kann man gar nicht paranoid genug sein. Das einzige, was mich tröstet, ist, dass auch die Technologie von Narrative Science noch immer auf menschliche Texte zurückgreifen muss. Jedenfalls sieht das so aus, wenn man sich die Patentschrift anschaut. Bis zur vollautomatisierten Desinformation fehlt also noch ein bisschen was. Aber ich bin ziemlich sicher: Früher oder später wird das menschliche Monopol auf Lügen fallen. (wst)