Snapdragon S800: Qualcomm fordert Apple, Nvidia und Samsung heraus

Der Snapdragon S800 für Smartphones und Tablets soll sparsamer arbeiten als Cortex-A15-Monster wie Exynos 5 Octa oder Tegra 4 und mehr Grafik-Power liefern als Apples A6. c't durfte ein Entwicklungsmuster unter die Lupe nehmen.

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Von
  • Benjamin Benz
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Obwohl der S800 nicht in einem Low-Power-Prozess entsteht, soll er ähnlich effizient arbeiten wie sein kleiner Bruder S600.

Immer größere Displays mit höheren Auflösungen sowie komplexe Inhalte und Webseiten treiben die Anforderungen an Prozessoren von Smartphones und Tablets in die Höhe. Qualcomms Antwort darauf lautet: Snapdragon S800. c't hatte zusammen mit den Kollegen von techstage.de die Möglichkeit, Hand an eine Entwicklungsplattform (Mobile Development Platform/MDP) mit dem neuen System-on-Chip zu legen. Diese baut Qualcomm selbst, bestückt sie mit frühen Chips und verteilt sie an ausgewählte Entwickler. Sie erheben – etwa beim Design – nicht den Anspruch, fertige System-Geräte zu sein. Dafür gibt es beispielsweise zusätzliche Temperatur- und Stromsensoren.

Im MSM8974, dass wir für ein paar Stunden vermessen durften, steckt ein Snapdragon S800, der laut eigener Auskunft mit 2,27 GHz taktet und über 1,82 GByte RAM gebietet. Installiert war Android 4.2.2. Unsere Messwerte geben einen ungefähren Eindruck von der Leistungsfähigkeit eines S800. Die Performance eines finalen Gerätes – etwa dem Sony Xperia Z Ultra – kann dabei je nach Speicherausbau, Kühlsystem, Akku, Treibern und Android-Version variieren.

Im CoreMark schaffte der S800 stattliche 28.715 Punkte.

Auch wenn die CPU nur noch rund 15 Prozent der Chipfläche belegt – der Rest geht für Grafikeinheit, Bildprozessoren, Videobeschleunigern, LTE-Modem und Peripherie drauf – haben wir sie zuerst unter die Lupe genommen. Schließlich ist ihre Leistung für Aufgaben wie Websurfen nach wie vor entscheidend.

Wichtigster Unterschied zwischen dem S800 (also Krait-400-Kernen) und den bereits in Smartphones wie dem HTC One oder Galaxy S4 eingesetzten S600 (Krait 300) ist die gestiegene Taktfrequenz. Für den Sprung von bisher maximal 1,9 auf nun 2,3 GHz wechselt Qualcomm den Fertigungsprozess von 28 nm Low Power auf 28 nm High Performance. Die gestiegene Taktfrequenz wirkt sich direkt auf die Rechenleistung aus: So schaffte die MDP 28.715 Coremark-Punkte. Der mit 1,9 GHz getaktete S600 des in der kommenden c't-Ausgabe 15/13 getesteten Samsung Galaxy S4 kommt auf 23.256 Punkte. Anders ausgedrückt: Beide liefern rund 3 Punkte pro Megahertz und Kern. Das wiederum deutet auf eine nahezu unveränderte Architektur hin.

Die Entwicklungsplattform liefert erste Anhaltspunkte für die Performance des Snapdragon S800. Wie schnell damit bestückte Geräte sind, hängt allerdings auch von deren Kühlsystem ab.

Durch die gestiegene Taktfrequenz hält Qualcomm den Anschluss an die Konkurrenz, die auf Cortex-A15-Kerne von ARM setzt, aber bislang mit deren Hitzeentwicklung kämpft. So liefert das Nexus 10 mit zwei Cortex-A15-Kernen bei 1,7 GHz 11.181 Coremark-Punkte – also rund 3,3 Punkte pro Megahertz und Kern. Nicht überprüfen konnten wir die Leistungsaufnahme des Snapdragon S800. Qualcomm selbst gibt sich aber kämpferisch und hat eine Folie veröffentlicht, die dem neuen Chip trotz High-Performance-Prozess eine ähnliche Effizienz bescheinigt wie dem S600. Miserabel schneidet dort ein nicht näher bezeichneter Konkurrent mit 32-nm-HKMG-Technik ab. Gemeint ist jedoch sicher der Exynos 5 Dual von Samsung mit zwei Cortex-A15-Kernen und 1,7 GHz Taktfrequenz, der im Chromebook steckt.

Die interessanteste Neuerung im neuen Snapdragon-SoC ist zweifellos die GPU: Bis zu 50 Prozent schneller soll Adreno 330 im Vergleich zu seinem ohnehin performanten Vorgänger Adreno 320 sein. Viel harte Fakten zur Adreno-330-GPU hat Qualcomm leider nicht herausgelassen. Fest steht zumindest, dass sie mit 450 MHz läuft und Shader-Rechenkerne bietet, die sowohl Pixel- als auch Vertex-Shader-Berechnungen dynamisch übernehmen können (Unified-Shader-Konzept). Damit sind sie vorbereitet für OpenGL ES 3.0 und unterstützen alle relevanten Mobilschnittstellen.

Im 3DMark Ice Storm erreichte Adreno 330 19.661 Punkte – das sind 75 Prozent mehr als das Vorgänger-SoC Snapdragon 600 mit Adreno 320 (HTC One: 11.234 Punkte, Samsung Galaxy S4: 11.320 Punkte). Auch durch den GFXBench 2.7 jagten wir den Neuling und konnten unseren Augen kaum trauen, denn der Adreno zersägt seinen Vorgänger im Egypt-HD-Durchlauf regelrecht: Hier steht es 68 zu 34 fps, noch düsterer sieht es für Apples iPhone-5-GPU PowerVR SGX 543MP3 aus (27 fps). Beim neuen T-Rex-Test ist der Adreno 330 zirka doppelt so schnell wie die erwähnten Kombattanten. Selbst den Grafikprimus iPad 4 (Apple A6X) mit überholt er um 25 Prozent.

Der Adreno 330 soll genug Power für hohe Auflösungen und schicke Effekte bieten.

Federn lassen muss der Snapdragon 800 allerdings beim Dreiecksdurchsatz, der besonders wichtig zur Darstellung hochdetaillierter Charaktere und Spielewelten ist. So schleust der SoC lediglich 83,2 Millionen texturierte Dreiecke pro Sekunde durch seine Pipeline, der A6-SoC von Apples iPhone 5 packt über 50 Prozent mehr. Fügt man noch aufwendige Lichtquellenberechnungen hinzu, verringert sich der Vorsprung des A6 auf gut 20 Prozent. Das zeigt: Zwar bietet der Adreno 330 eine hohe Pixel-Shader-Leistung, jedoch kann die Geometrieverarbeitung nicht mithalten und könnte hier und da als Bremse wirken. Zumindest in der Theorie – praktisch werden Spiele meist so programmiert, dass sie auf dem Handy oder Tablet rund laufen. Allerdings zeigen Titel wie GTA Vice City, wo die Reise beim Handheld-Gaming hingeht, nämlich zu PC-ähnlichen Spielemenüs, in denen sich auch auf Smartphones und Tablets die Grafikeinstellungen und gar die Auflösung anpassen lassen. Je nach dem, an welchem Regler man in zukünftigen Mobil-Spielen dreht, könnte sich eine höhere Geometrie- oder Pixel-Shader-Leistung also durchaus bemerkbar machen.

Das Tablet MSM8974 ist nur für Entwickler gedacht und entsprechend sperrig. Dafür kommt man leicht an den Akku heran - praktisch falls es mal hängen bleibt.

Mit dem Snapdragon S800 hat Qualcomm ein Handy-SoC vorgestellt, das in den nächsten Monaten in diversen High-End-Geräten (Smartphones und Tablets) auftauchen dürfte. Erst diese werden zeigen, ob Qualcomm auch bei Leistungsaufnahme und damit der Wärmeentwicklung sowie Akkulaufzeit die Versprechen halten kann. Wenn das klappt, hätte Qualcomm einen sehr attraktiven Chip, der ohne das für Software-Entwickler komplizierte Big.LITTLE-Konzept auskommt und trotzdem bei der Performance nicht allzuviel langsamer ist als Cortex-A15-Quad-Cores wie Tegra 4 oder Exynos 5 Octa. Letztere lassen übrigens noch auf sich warten, während Geräte mit dem S800 demnächst erscheinen dürfen. Bereits angekündigt sind das Galaxy S4 LTE-A und das Xperia Z Ultra. Die dürften bei der Performance locker an Apples iPhone 5 vorbeiziehen. Selbst die Grafik-Performance-Krone des iPad 4 wackelt. (mfi) / (bbe) (bbe)