Energie-Sammler

Immer mehr Aufgaben lassen sich mit den modernen digitalen Begeleitern erledigen – jedenfalls so lange wie die Akkuladung reicht. Mittels Energy Havesting versorgen sich die Geräte kostenlos aus der Umwelt mit Energie.

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Lesezeit: 28 Min.
Von
  • Angela Meyer

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Das Ziel, jederzeit und überall ungehindert all seinen digitalen Leidenschaften frönen zu können, rückt näher, immer mehr Aufgaben lassen sich mit immer kleineren mobilen Geräten erledigen – jedenfalls so lange wie die Batterie- oder Akkuladung reicht. Energy Harvesting soll Kleinst- und Kleinverbraucher nun vom Zwang zum regelmäßigen Nachladen befreien.

Eigentlich ist Energy Harvesting ein alter Hut: Windmühlen und Segelschiffe haben schon vor Jahrtausenden Energie direkt aus ihrer Umgebung für ihren Antrieb genutzt und moderne Windparks erzeugen so schon länger Strom für den Netzbetrieb. Da die Idee bestechend ist, die Energie einfach kostenlos aus der Umgebung zu ziehen, hat man schon früh erste Versuche gestartet, auch kleine Geräte mit eigenen Energiewandlern auszustatten. Bei den möglichen Energiespendern für mobile Elektronik gehört Wind allerdings nicht zu den Favoriten. Mehr Chancen haben Photovoltaikzellen, die Sonnenenergie in elektrische Energie umwandeln. Bereits in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts gelang ihnen als Energiespender für einfache Taschenrechner oder Spielzeuge ein erster Schritt in den Markt für mobile Hardware. 1997 stellte Nokia mit dem Modell 1611 das erste Mobiltelefon vor, das seine Energie zumindest teilweise aus Solarzellen gewann. Auch andere Energiequellen wurden bereits vor Jahrzehnten angezapft: Anfang der 90er-Jahre brachte Seiko eine Quarzuhr ohne Batterie auf den Markt, bei der die Handbewegungen über die Kette Schwungrad – Rotor – Generator die notwendige Spannung erzeugen und überschüssige Energie in einem Kondensator gespeichert wird. Auch wenn einzelne Anwendungen sich bewährten, blieben Energiewandler für mobile Geräte aber eine Nischenanwendung.

Nun mehren sich die Anzeichen, dass der Ansatz, kleine elektronische Geräte die von ihnen benötigte Energie selbst gewinnen zu lassen, als Micro-Energy-Harvesting (MEH)-Techniken vielleicht doch noch eine steilere Karriere machen könnte. Nachdem in den vergangenen Jahren Anwendungen wie solar betriebene Ladegeräte und Bluetooth-Headsets auf dem Mobilmarkt auftauchten, gab es bei und nach dem diesjährigen Mobile World Congress (MWC) im Februar in Barcelona gleich von mehreren Herstellern Ankündigungen, dass sie Solarhandys auf den Markt bringen wollen.

Solar-Handys

Das niederländische Unternehmen Intivation, das 2003 zunächst mit der Entwicklung kleiner stationärer Solaranwendungen gestartet war, konzentriert sich seit 2008 auf die Herstellung mobiler Solargeräte. Intivation zielt damit vor allem auf die etwa 1,6 Milliarden potenziellen Kunden in Gebieten mit fehlender, unzuverlässiger oder zu teurer Stromversorgung, die gleichzeitig mit reichlich Sonnenschein gesegnet sind. Der karibische Provider Digicel wollte nun das von Intivation gemeinsam mit dem chinesischen Telekommunikationshersteller ZTE in Barcelona vorgestellte Solar Coral 200 im Juli für weniger als 40 US-Dollar zunächst in Haiti auf den Markt bringen, vor wenigen Tagen kündigte auch der kenianische Provider Safaricom an, dass Modell zu vertreiben. Commtiva kündigte das ebenfalls mit Intivation-Technik ausgestattete Modell Sola an, verriet aber noch nicht, wann es wo zu welchen Konditionen auf den Markt kommen soll.

Intivation reklamiert für sich die Entwicklung einer besonders effizienten Solarzelle, die zugleich die Produktion vereinfacht und damit den Einstieg in die Lowcost-Produktion von Solarhandys ermöglicht habe – was inzwischen mit mehreren Innovationspreisen honoriert wurde. Nach anderthalb Stunden Laden in voller Sonne soll das kurz auch SC200 genannte Digicel-Modell 5 Minuten telefonieren, 5 SMS und 16 Stunden Standby-Betrieb möglich machen. Diese Werte bilden laut einer von Intivation zitierten Studie den durchschnittlichen Handygebrauch in Afrika ab. Das Sola soll nach 2 Stunden Laden sogar 40 Minuten Gespräch und 39 Stunden Standby bieten. Da die Sonne in den Zielregionen mindestens fünf Stunden lang mit der erforderlichen hohen Intensität scheint, könnten diese einfachen, mit einem kleinen Farbdisplay ausgestatteten Handys nicht nur die Bedürfnisse einer relativ großen Kundengruppe erfüllen, sondern vielen Kunden überhaupt erstmals ein Handy ermöglichen.

Der japanische Telko-Konzern KDDI setzt dagegen mit dem von Sharp produzierten und für Ende Juni angekündigten wasserfesten Solarhandy SH002 nicht auf den Niedrigpreismarkt, sondern in erster Linie auf Outdoor-Fans, die notfalls nach 30 Minuten Laden 2 Minuten telefonieren können sollen. Für den Gesamtbetrieb ist das Solarpanel bei diesem Modell allerdings nicht gedacht: Anders als bei den Lowcost-Solarhandys bietet es unter anderem ein großes Display mit einer Auflösung von 480 × 854 Pixel, eine 5-Megapixel-Kamera, WLAN und TV-Tuner.

Samsung testet gleich mehrere Zielgruppen an. Ebenso wie LG, das für Ende des Jahres ein noch recht vage beschriebenes Solarhandy angekündigt hat, setzt das koreanische Unternehmen mit dem Blue Earth einerseits auf die Green-IT-Welle. Das Öko-Handy, bei dem die Solartechnik in ein Gehäuse aus recyceltem Kunststoff integriert ist, soll im Laufe des Jahres in Großbritannien auf den Markt kommen. Bereits Ende Juni will Samsung außerdem das Solarhandy Guru E1107 für umgerechnet 42 Euro auf den indischen Markt bringen. Neben der herkömmlichen Ladetechnik soll bei beiden nach einer Stunde Laden ein fünf- bis zehnminütiges Gespräch möglich sein, die nach 10 bis 14 Stunden voll geladene Batterie soll für bis zu 4 Stunden Telefonieren reichen.

Mehr als Solar

Das neu erwachte Interesse an Energy Harvesting beschränkt sich jedoch nicht auf Solarenergie. Zu den Vorreitern, die bereits seit Jahrzehnten MEH-Techniken entwickeln, gehört Joseph Paradiso vom MIT Media Lab. Mit seinem Team arbeitete er bereits in den 90er-Jahren unter anderem intensiv an verschiedenen Energiewandlern in Schuhen. Speziell diese Anwendungsidee, zu der es bereits 1924 ein erstes Patent für einen magnetischen Generator gab, hat bis heute nicht wirklich gezündet, aber für das Energy Harvesting an sich erwärmen sich zunehmend mehr Forscher und Unternehmen. Ein 2005 von Paradiso gemeinsam mit Thad Starner vom Georgia Institute of Technology in der Fachzeitschrift Pervasive Computing veröffentlichter Überblick zum Stand von Forschung und Technik machte den damals bereits spürbaren Aufschwung breit sichtbar und wirkte als Initialzündung für viele neue MEH-Projekte [1, 2, 3].

Im derzeit laufenden Foresight-Prozess des Bundesforschungsministeriums wird Energy Harvesting als eines von acht Feldern diskutiert, die in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren besonders wichtig sein werden und deshalb noch intensiver gefördert werden sollten. Zunehmend etabliert sich auch eine eigenständige Energy Harvesting Branche, die mit ihren Produkten laut der vom Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDTechEx herausgegebenen Studie „Energy Harvesting and Storage for Electronic Devices 2009-2019“ in diesem Jahr gut 600 Millionen Euro umsetzen wird.

An Ideen, welche Energiequellen man für die Wandlung in elektrische Energie anzapfen könnte, ist kein Mangel. Neben dem Sonnenlicht gehören dazu vor allem andere elektromagnetische Wellen wie Kunstlicht, durch Funk oder Spulen erzeugter Elektrosmog sowie Wärme, beispielsweise von Maschinen, Heizungen oder auch durch Reibung erzeugt, und mechanische Energie aus Vibrationen, Druck oder mechanischen Spannungen. Neben natürlichen Quellen und technischen Einrichtungen aller Art bietet sich auch der menschliche Körper mit seiner Wärme, den Vibrationen aus Blutfluss, der Atmung oder dem Herzschlag sowie den Bewegungen insgesamt prinzipiell als Quelle für fast alle diese Energien an, die unter anderem für den Betrieb von Implantaten oder Sensoren zur Überwachung von Körperfunktionen genutzt werden könnten.

Wandlungen

Dass trotz der vielen – hier nicht bis zur allerletzten exotischen Variante aufgezählten – Möglichkeiten für mobile Geräte bisher vor allem Versuche mit Solarzellen gestartet wurden, ist kein Zufall: Die Photovoltaik ist nicht nur mit integrierten Schaltkreisen kompatibel, sondern bereits in anderen Anwendungen zu einer potenziell langlebigen Technik ausgereift. Sie ermöglicht darüber hinaus bislang die höchste Leistungsabgabe unter den Wandlern – was andere zurzeit noch weniger ausgereifte Verfahren aber nicht automatisch für alle Zeiten und schon gar nicht für alle Anwendungen disqualifiziert.

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Die Leistung von Energy-Harvesting-Generatoren liegt überwiegend deutlich unter der Anfangsleistung herkömmlicher Batterien – soll dafür aber während der Lebensdauer eines Gerätes konstant bleiben können. Vergrößern

In einer Solarzelle setzt die Energie des im Material absorbierten Lichts im Halbleiter Elektronen frei. Von außen angelegte elektrische Felder zwingen die Elektronen, in eine bestimmte Richtung abzufließen, sodass diese als Gleichstrom der Zelle entnommen werden können. In vollem Sonnenlicht sollen so Leistungen von etwa 10 mW/cm² erreicht werden können, wobei die Leistung bei sich ändernden Lichtverhältnissen stark schwankt.

Für erste Indoor-Solarzellen, die an das Spektrum von um mehrere Größenordnungen schwächer strahlenden Lampen angepasst sind, werden dagegen bisher nur Werte von einigen µW/cm² angegeben – wobei es anders als bei den Outdoor-Zellen mangels Messstandards noch keine wirklich vergleichbaren Leistungswerte gibt. Indoor-Zellen haben den Vorteil, dass man ihre Quelle rund um die Uhr gleichbleibend nutzen kann. Allerdings liefern verschiedene Lampen unterschiedliche Emissionsspektren, sodass eine Solarzelle das Licht verschiedener Lampen bislang unterschiedlich effizient umwandelt.

Derzeit werden als Halbleiter für die Photovoltaik vor allem verschiedene Siliziumvarianten genutzt. Nun sollen auch erste organische Solarzellen bald marktreif sein. Diese würden auch flexible, transparente und deutlich billiger produzierbare Lichtwandler ermöglichen. Die an der Forschung beteiligten Firmen zielen darauf, diese auch als Energiequelle für Handys oder Laptops einzusetzen.

Nur für Spezialfälle eignet sich dagegen die Thermophotovoltaik, bei der die Elektronen mit der Energie der absorbierten Infrarotstrahlung freigesetzt werden. Zwar muss die Quelle theoretisch nur wärmer sein als der Empfänger, aber praktisch wird dieses Verfahren nur mit Strahlern von 900 °C bis 1300 °C genutzt.

Breiter einsetzbar sind thermoelektrische Generatoren (TEG), die den Seebeck-Effekt nutzen, um ebenfalls eine Gleichspannung aufzubauen. Diese hängt bei diesem auch Thermovoltaik genannten Verfahren im Wesentlichen von der Temperaturdifferenz, den Seebeck-Koeffizienten der verwendeten Materialien sowie der Anzahl und Größe der Thermopaare und damit der Größe des Thermomoduls ab. Interessant ist das Verfahren beispielsweise zur Nutzung von Abwärme, wenn die Wärme anderweitig nicht sinnvoll genutzt werden kann.

In Mikrosystemen ist die Nutzung von TEG nicht ganz einfach. Die meisten Systeme erreichen nur wenige Grad Temperaturdifferenz und damit nur einen geringen Output. Die bisher nur als Forschungsprojekt vorgestellten nanostrukturierten TEG sollen mit potenziellen Werten im Bereich von mW/cm² deutlich energieeffizienter sein. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass ein damit betriebenes Mikrosystem auch eine brauchbare Ausgangsspannung liefert.

Um die Bewegungsenergie von Vibrationen auszunutzen, gibt es mehrere Prinzipien, die alle eine Wechselspannung erzeugen: Bei den elektromagnetischen Wandlern schwingt ein Magnet in einer Spule, bei den piezoelektrischen Wandlern nehmen frei schwingende Streifen die Vibrationen auf und beim elektrostatischen oder kapazitiven EH übertragen sich die Vibrationen auf die beiden beweglichen Platten eines vorgeladenen Kondensators.

Auch die drei Vibrationsverfahren lassen sich nicht ohne Weiteres für kleine Anwendungen nutzen. Am einfachsten kann man das elektrostatische Harvesting miniaturisieren, da bereits die übliche Herstellungsmethode mit der Herstellung integrierter Schaltkreise kompatibel ist. Am schwierigsten ist die Integration bei den außerdem recht teuren piezoelektrischen Systemen. Prinzipiell lassen sich mit allen drei Verfahren die benötigten Ausgangsspannungen sowie Leistungen im Bereich von mW/cm³ erreichen. Bei den bisher üblichen Vibrationswandlern muss allerdings die Vibrationsfrequenz mit der Resonanzfrequenz des Wandlers übereinstimmen, damit sie ihre maximale Energieausbeute erreichen. Je kleiner eine Masse, umso höher ist diese Frequenz: Viele miniaturisierte Wandler arbeiten daher optimal im Kilohertz-Bereich. Die Frequenzen der üblicherweise an Oberflächen nutzbaren Vibrationen liegen allerdings in einem recht weiten Bereich um 100 Hz. Inzwischen haben einige Forschungsgruppen daher auch Konzepte und Prototypen für selbsttunende oder nicht resonante Systeme entwickelt. Recht viel versprechend für eine einfachere Miniaturisierung scheint ein Konzept für Piezonanogeneratoren aus Zinkoxid-Nanodrähten zu sein, das ein Team um Direktor Zhong Lin Wang vom Center for Nanostructure Characterization des Georgia Institute of Technology entwickelt hat. Im Idealfall ließe sich daraus ein Verfahren entwickeln, das zwar eine nur kleine, dafür aber direkt nutzbare Gleichstromleistung von ungefähr 10 µW/cm² liefert.

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Fernsteuerung ohne Batteriewechsel: Sensoren mit eigenem Harvester informieren die Steuerzentrale per Funk zum Beispiel über ein geöffnetes Fenster. Zukünftig soll diese dann EH-Aktoren veranlassen, die Heizventile zu schließen. Vergrößern

RF-Wandler nutzen die elektromagnetischen Wellen von Funkanwendungen wie Radio, Fernsehen, Mobilfunk oder WLAN. Die schwingende Magnetfeldkomponente der Funkwellen induziert in den Windungen einer Verstärkerantenne eine Wechselspannung. Nokia, das Solarenergie zwar weiterhin für Mobiltelefone für nutzbar hält, aktuell aber kein Solarhandy anbietet, gehört zu den Unternehmen, die das Potenzial dieser Technik erforschen. Laut kürzlich von Technology Review vorgestellten Forschungsergebnissen soll der im Nokia Research Center im britischen Cambridge entwickelte Prototyp aus der Strahlung eine Leistung von bis zu 50 Milliwatt erzeugen können, was zumindest für den Standby-Betrieb genügen soll. Nokia will diese Technik zusammen mit anderen Techniken, insbesondere Solarzellen, in einem Handy integrieren – was aber wohl noch einiger weiterer Arbeit bedarf.

Auch eine nahe Verwandte der RF-Wandler hat bisher nur potenziell das Zeug dazu, Solarzellen Konkurrenz zu machen: Optische Verstärkerantennen im Nanomaßstab sollen theoretisch Licht mit einer höheren Effizienz in elektrische Energie wandeln können als Solarzellen.

Wieso jetzt?

Die diesen Verfahren zugrunde liegenden physikalischen Prinzipien sind seit langem bekannt. Auslöser für das in jüngerer Zeit deutlich gestiegene Interesse, Micro Energy Harvesting auch für kleine Geräte zu nutzen, sind mehrere Entwicklungen gewesen, die sich gegenseitig begünstigen. Ausschlaggebend ist ganz wesentlich die Miniaturisierung elektronischer Geräte, die eine Vielzahl neuer mobiler Anwendungen im Hosentaschenformat und kleiner ermöglicht und ebenso den zunehmenden Einsatz von Mikroprozessoren auch in kleinen stationären Anwendungen befördert hat. Angepasste Funktechniken lassen das kabellose Gerät immer mehr zum Standard werden. Mobile Anwendungen sind ein so großer Markt geworden, dass sich die Entwicklung neuer Energietechniken auch dann lohnen kann, wenn sie nur bestimmte Zielgruppen ansprechen.

Die Miniaturisierung war bisher allerdings nicht uneingeschränkt erfolgreich: Während Komponenten wie Prozessoren und Speicher dank ihrer exponentiell steigenden Leistungsfähigkeit mehr Funktionen in immer kleinerem Volumen ermöglichen, ließ sich die Energiedichte von Batterien und Akkus trotz der Entwicklung besserer Materialien und Techniken bisher nur relativ langsam steigern. Bei der Miniaturisierung erweist sich die Energieversorgung als ein wesentliches Hindernis und nimmt inzwischen häufig den größten Teil des Gesamtvolumens und -gewichts ein, ohne dass sich dies in besonders attraktiven Laufzeiten niederschlagen würde. Die auf die Ladekapazität der Batterien und Akkus beschränkte Energie wirkt so als letztes Hindernis für ein „alles jederzeit und überall nutzen“. Dies wiederum hat zusammen mit einem generell gestiegenen Umweltbewusstsein die Entwicklung energiesparender Techniken als einer wesentlichen Voraussetzung auch für MEH-Techniken gefördert. Beides lässt seit einiger Zeit das Interesse an einer prinzipiell anderen, besser miniaturisierbaren und umweltverträglicheren Energiequelle wachsen.

Zusätzlichen Auftrieb bekam dieser Trend hin zu Low-Power-Elektronik und alternativen Energiequellen mit der Idee von einer vollständig vernetzten Welt, in der alle Dinge ihre Umgebung wahrnehmen und per Funk über sich selbst Auskunft geben oder andere Dinge steuern können. Einer der Knackpunkte ist auch hier die Energieversorgung: Mit dem vor ein paar Jahren als Funkstandard für das Internet der Dinge propagierten RFID lassen sich zwar kleine, praktisch überall anbringbare Funklabels herstellen. Diese passiven Informationsträger funken ihre Daten aber nur weiter, wenn ein allerhöchstens wenige Meter entferntes Lesegerät ihnen die hierfür notwendige Energie per Funk übermittelt. Sollen jedoch Sensoren beispielsweise den Standort von weltweit genutzten Containern angeben, möglichst engmaschig Umwelteinflüsse messen, Feuer in einem Waldgebiet melden oder eingebettet in Brücken oder Flugzeugteile deren Alterung überwachen, ist dies nur mit aktiv sendenden Sensoren ohne Zugriff auf eine externe Stromquelle sinnvoll machbar.

Die auf den ersten Blick naheliegende Standardenergieversorgung mit Batterien kann gerade bei solchen Anwendungen aber problematisch sein: So kann der Batteriewechsel eine Anwendung unwirtschaftlich machen. In Extremfällen wie bei der Rohstoffgewinnung in der Tiefsee oder gefährlichen Industrieanlagen, die für einen Wechsel extra abgeschaltet werden müssten, ist der Batteriewechsel sehr teuer, sodass Anwendungen mit Batterie nur genutzt werden, wenn dies absolut unverzichtbar ist. Ist der genaue Ort über große Flächen verteilter Sensoren nicht bekannt oder nicht zugänglich, ist ein Wechsel gar nicht durchführbar. Und bei Sensoren, die in einer Struktur integriert sind, wird man in vielen Fällen eine austauschbare Batterie prinzipiell nicht einbauen können.

Sensoren, Schalter & Co.

Sensornetze sind daher zu einem wichtigen Treiber für die Entwicklung von MEH-Techniken geworden, weil diese etliche Anwendungen überhaupt erst möglich machen. Dass sich Forschergruppen und Unternehmen mit Interesse an Energy Harvesting besonders hierauf konzentrieren, liegt allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil auch mit daran, dass viele Sensoranwendungen mit vergleichsweise wenig Energie auskommen können. Beides zusammen sorgt für relativ gute Chancen, mit dieser Technologie marktfähige Produkte zu entwickeln. Wirklich einfach umzusetzen sind MEH-Techniken aber auch bei Sensoranwendungen nicht.

Zu den Vorreitern unter den MEH-Herstellern gehört EnOcean. Parallel zu den frühen MIT-Aktivitäten um Paradiso laufende Forschungen bei Siemens Corporate Technology hatten 2001 zur Ausgründung des Unternehmens geführt. Inzwischen nutzen mehr als hundert OEM-Partner die EnOcean-Technik für ihre Produkte. Der Schwerpunkt liegt bisher auf der energieeffizienten Steuerung von Beleuchtung und Klimatisierung in Gebäuden, weitet sich aber immer mehr auch auf Sensoranwendungen in der Industrie aus. Bei einer Energy Harvesting Tagung, zu der IDTechEx Forscher, Hersteller und Anwender eingeladen hatte, berichtete Frank Schmidt, Gründer und Entwicklungschef von EnOcean, von den bisherigen Erfahrungen.

Ursprung der heutigen Modulpalette von EnOcean war die Entwicklung und Optimierung einer ganz speziellen Anwendung: Funkende Sensoren, die Schalter aller Art ersetzen können. Betätigt man den auf den ersten Blick wie ein herkömmlicher Schalter funktionierenden Sensor, so funkt dieser beispielsweise den Schaltbefehl an eine Lampe. Bei einem Dimmer regelt diese ihre Helligkeit so lange weiter, bis beim Loslassen der Stoppbefehl gesendet wird. Die Energie für die Signale bezieht der Sensor aus der Schalterbewegung. Nachdem die Entwickler zunächst auf piezoelektrische Wandlung gesetzt hatten, schwenkten sie dann doch auf magnetoelektrische Wandler um. Zum einen wurden Piezomaterialien nicht billiger, wie ursprünglich gehofft, zum anderen war die Leistung der Piezos bereits nach 100.000 Zyklen auf die Hälfte gefallen – die Kunden erwarteten aber eine stabile Leistung über 1 Million Zyklen. Inzwischen sind mit EnOcean-Technik ausgestattete Funksensoren, die beispielsweise die Klimaanlage ausschalten lassen, wenn das Fenster geöffnet wird, in mehr als 100.000 Gebäuden weltweit eingebaut – was erheblich weniger Aufwand bedeutet als die sonst übliche Verkabelung.

EnOcean hat inzwischen auch thermoelektrische und photovoltaische Wandler entwickelt. In der Gebäudeautomation müssen diese auch unter Worst-Case-Bedingungen funktionieren. Für die Solarmodule definiert EnOcean dies als unbeleuchteten Flur im Winter, in dem man für sechs Stunden mit einer recht dämmrigen Beleuchtung von lediglich 50 Lux rechnen kann. Vergleichbare Beschränkungen bei der verfügbaren Energie gelten auch für andere Sensoranwendungen, sodass ihr Energieverbrauch, auch wenn sie mit deutlich weniger Energie auskommen als ein Handy, massiv optimiert werden muss, damit sie tatsächlich laufen.

Optimierung

Nach der unmittelbaren Wandlung der Umgebungsenergie in eine Spannung oder einen Strom ist die Entwicklungsarbeit daher noch lange nicht getan. Hat man zunächst eine Wechselspannung erhalten, muss diese noch in eine Gleichspannung konvertiert und generell der Spannungspegel des EH-Wandlers an die Anforderungen der aus Mikrocontroller, Transmitter für die Kommunikation und Sensoren oder Aktoren bestehenden Anwendung angepasst werden. Jedes EH-System hat seine eigene Strom-Spannungs-Charakteristik und Ineffizienzen bei der Anpassung können schnell zum Verlust nennenswerter Teile der mühsam gesammelten Energie führen. Ebenso wichtig wie die Auslegung des AD-Wandlers ist ein intelligentes Energiemanagement in allen Schichten.

Trotz aller Sorgfalt, kein Quäntchen der gewonnenen Energie wieder zu verschwenden, bleibt die mehr oder weniger kontinuierlich gewinnbare Leistung auch bei einfachen Sensoranwendungen häufig unter der für eine Aktion des Moduls benötigten Leistung. Die Anwendung funktioniert also nur, wenn ihr ständiger Verbrauch deutlich kleiner ist als die gewonnene Energie, damit der Überschuss zwischengespeichert werden kann. Auch EH-Anwendungen brauchen daher meist eine Batterie, um die geringen Energien dann für pulsartige Anwendungen nutzen zu können. Das bedeutet aber auch, dass zusätzliche Energie für die Ladeelektronik der Superkondensatoren oder wiederaufladbaren Batterien nötig ist. Bei letzteren scheinen Dünnfilmakkus wie die kürzlich von Infinite Power Solutions (IPS) vorgestellte, gut briefmarkengroße Thinergy Micro Energy Cell (MEC), die weniger anfällig für eine Entzündung durch Überhitzung sein und sich während ihrer Lebensdauer von 10 bis 20 Jahren nicht nennenswert von alleine entladen sollen, für EH-Anwendungen noch interessanter zu sein als die wegen ihrer hohen Energiedichte geschätzten Lithium-Ionen-Akkus. Die Thinergy-Modelle speichern bis zu 1mAh.

Nur mit einer Ultra-Low-Power-Elektronik kann man aus der wenigen gelieferten und gespeicherten Energie ein Maximum an Funktionalität, Leistung und Betriebsdauer herausholen. Dazu gehört auch, den Energieverbrauch von Betriebssystem, Middleware und Anwendungen zu minimieren, indem man komplexere Funktionen wie Verschlüsselung möglichst in Hardware implementiert und Funktionen generell nur dann betreibt, wenn man sie auch wirklich braucht. Auch herkömmliche Funktechniken sind nicht brauchbar, weil sie viel zu geschwätzig sind und der Leerlauf mit Lauschen oft fast genauso viel Energie verbraucht wie Empfangen. Das Ziel der Entwickler sind daher Funkeinheiten, die möglichst viel schlafen, schnell aufwachen, möglichst kurz arbeiten und sich dann gleich wieder schlafen legen.

Das Solarfunksensormodul von EnOcean gewinnt beispielsweise bei einer normalen Innenbeleuchtung von 400 Lux 20 µW. Der die Aktionen auslösende Timer kommt als einziger ständiger Verbraucher mit 60 nW aus. Eine typische Messung mit einer Dauer von 2,5 ms benötigt weniger als 10 µWs, das von EnOcean entwickelte Funktelegramm braucht 110 µWs. Mit voll geladenem Superkondensator kommt das Modul mit Messungen alle paar Sekunden, die alle paar Minuten gesendet werden, bis zu fünf Tage ohne Licht aus.

Standardisierung

Da jede Anwendung so weit wie möglich ausgereizt werden muss, gibt es keine Allround-Lösung für alle Anforderungen. Andererseits ist es sehr schwierig, bezahlbare oder gar günstige Produkte anzubieten, wenn man bei jeder Entwicklung wirklich völlig von Grund auf neu startet. Dass die Schalter von EnOcean mit herkömmlichen Schaltern konkurrieren können, liegt zu einem erheblichen Teil auch daran, dass bei Neubauten die Kosten für die Verkabelung wegfallen. Zwei Entwicklungen sollen die Preise mittelfristig sinken lassen: Die Entwicklung von integrierten EH-Schaltkreisen und Rolle-zu-Rolle-Verfahren für eine kostengünstige Herstellung sowie die Standardisierung von EH-Techniken. Die Standardisierung ist auf vielen Ebenen notwendig. Sie muss die bereits begonnene Entwicklung von Modulen vereinheitlichen und Schnittstellen definieren, sodass Systemhersteller auch mehrere EH-Techniken zu universellen Energielieferanten integrieren können. Diese sollten optimal mit verschiedenen UltraLow-Energy-Anwendungen zusammenspielen können, von denen wiederum eine Vielzahl in Netzen neben- und miteinander funken können müssen. Bislang haben es die Hersteller konkreter Anwendungen auch noch schwer, die möglichen Techniken und konkret angebotenen Bauteile miteinander zu vergleichen, da es auch für die Charakterisierung bislang nur vereinzelt Standards gibt, die aber nicht über die Grenzen von EH-Techniken oder Anwendungsbereichen hinausgehen.

Mit der Systemarchitektur Dolphin hat EnOcean ein System-on-Chip (ASIC) samt zugehöriger Middleware, API und Entwicklungsumgebung für die Programmierung kundenspezifischer Firmware in C entwickelt, das die kostengünstige Kombination mit Plug&Play-Modulen erleichtern soll. Damit können auch bidirektionale Sensoren wie Fernbedienungen und Raumsensoren mit Display in das Sensornetz eingebunden werden oder EH-Aktoren wie die von EnOcean derzeit entwickelten zentral gesteuerten Heizventile, die die Energie für ihre Drehung nicht aus einer herkömmlichen Batterie holen, sondern der Heizwärme entziehen.

Mit der EnOcean Alliance treibt die Firma eine der ersten Standardisierungsinitiativen voran, die die EnOcean-Technik langfristig formell als internationalen Standard für Produkte für die Überwachung und Steuerung von Haus- und Gebäudetechnik etablieren will. Auch andere würden gern faktische Standards setzen. So hat IPS zwar keine direkte Standardisierungsinitiative gestartet. Aber das Unternehmen kombiniert seine nicht nur auf die Gebäudeautomation zielende Thinergy MEC zumindest mit einem Energiemanagementsystem zu einer als Micro Power Module (MPM) bezeichneten Gesamtlösung, das sich mit allen EH-Verfahren kombinieren lassen soll.

Die Zukunft

Noch ist vieles im Fluss, was letzten Endes tatsächlich Standard sein wird, lässt sich noch nicht wirklich absehen. Immerhin hat man in einigen Bereichen inzwischen so viel Erfahrung, dass man erste Produkte hinbekommt. Die Grundlagenforschung zu MEH und Ultra-Low-Energy-Systemen ist aber noch lange nicht ausgereizt. Unter anderem gibt es auch Initiativen, die Systeme entwickeln wollen, die mit 0,1 V Spannung nur noch einen Bruchteil der heute üblichen Arbeitsspannung benötigen.

Ob Micro Energy Harvesting langfristig sogar das Zeug zur Energieversorgung der Zukunft hat oder weiterhin nur in bestimmten Bereichen Erfolg haben wird, ist daher noch nicht ausgemacht. Insbesondere die breite Entwicklung wirklich optimierter Systeme für mobile Geräte steht noch ziemlich am Anfang. Die jetzt vorgestellten Solarhandys müssen nicht nur ihre Langzeittauglichkeit erst noch beweisen – Skeptiker sind gespannt, ob die Akkus das regelmäßige Sonnenbad tatsächlich verkraften. Und ein allein mit MEH-Techniken gespeistes Smartphone gibt es bislang nur in ambitionierten Videos zu langfristigen Forschungszielen.

Als Ökotechnik kann Energy Harvesting zwar mit der Einsparung konventioneller Energie punkten, aber der Materialmix und die Herstellung unterscheidet sich nicht prinzipiell von herkömmlicher Elektronik. Da es der Mobilfunkbranche aber nicht nur darum geht, das Öko-Image aufzupolieren, sondern den einzigen Handy-Markt zu erobern, der noch wirklich große Wachstumszahlen verspricht, könnte es durchaus sein, dass jetzt die kritische Masse aus genügend für MEH-Technik engagierten, kreativen Forschern und ausreichend großem finanziellen Einsatz für die Forschung erreicht wird, um Verfahren zu entwickeln, die nicht nur gerade so ein einfaches Handy am Laufen halten.

Der Erfolg von Energy Harvesting wird letzten Endes aber nicht nur davon abhängen, wie gut die Technik funktioniert, sondern auch davon, wie gut die konkurrierenden Techniken sich entwickeln. Eine Ultra-Low-Power-Elektronik in Kombination mit einem sehr langlebigen Energiespeicher wird nicht nur Energy Harvesting fördern, sondern könnte auch dafür sorgen, dass die Idee von einer Batterie für die ganze Lebenszeit realistischer wird (siehe auch Dauerläufer, Langzeittest von NiMH-Akkus mit reduzierter Selbstentladung). Würde diese gleich beim Hersteller mit Wind- oder Solarstrom aus großen Anlagen geladen, würde auch das Klimaschutzargument nicht mehr ziehen. Ganz unmittelbar steht der völlige Abschied vom Ladegerät allerdings weder in der einen noch in der anderen Variante wirklich vor der Tür. (anm)

Literatur
[1] Joseph A. Paradiso, Thad Starner, Energy Scavenging for Mobile and Wireless Electronics, Pervasive Computing, Jan-März 2005, S. 18
[2] Nicholas S. Hudak, Glenn G. Amatucci, Small-scale energy harvesting through thermoelectric, vibration, and radiofrequency power conversion, Applied Physics Reviews, Journal of Applied Physics 103, 101301(2008)
[3] Monika Müller, Michael Freunek, Tolgay Ungan, Leonhard M. Reindl, Micro Energy Harvesting, Stand der Technik in Industrie und Wissenschaft, IMTEK, Universität Freiburg