Ausblick mit Schwebeteilchen

Das kalifornische Start-up Atheer Labs arbeitet schon an der nächsten Generation von Datenbrillen: Mit seinem System können Nutzer virtuelle Objekte im Raum bewegen und manipulieren.

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Von
  • Rachel Metz

Das kalifornische Start-up Atheer Labs arbeitet schon an der nächsten Generation von Datenbrillen: Mit seinem System können Nutzer virtuelle Objekte im Raum bewegen und manipulieren.

Kaum ein Gerät hat die IT-Welt zuletzt so in Aufregung versetzt wie Google Glass. Dabei ist die Augmented-Reality-Brille nicht das einzige Konzept für ein Display, das Daten ins Sichtfeld einblendet. Ausgerechnet in der Nachbarschaft des Google-Hauptquartiers im Silicon Valley tüftelt ein Start-up an einer noch ehrgeizigeren Vision: Nutzer sollen im Brillenglas eingeblendete Objekte auch mit Gesten bewegen und manipulieren können.

Anders als Google konzentriert sich Atheer Labs auf die Software. Die könnten dann verschiedene Hersteller in künftige Datenbrillen einbauen, sagt Gründer und CEO Soulaiman Itani. Die interaktiven Einblendungen könnten sich für Spiele oder zum Navigieren durch Karten eignen.

Was an Itanis Vision dran ist, wollte ich im Büro von Atheer Labs selbst testen. Dort konnte ich durch zwei Demo-Geräte schauen, die von außen an sehr dunkle Sonnenbrillen erinnern. Die Geräte sind noch auf Dreibeinen montiert und mit einem Rechner verbunden. Um hindurchzuschauen, tritt man an sie heran wie an ein fest installiertes Aussichtsfernrohr, das sich zur Seite schwenken lässt.

Eine der Brillen ist mit einem Tiefensensor ausgestattet. Der erfasst die Position der Finger, um die virtuellen Objekte im Raum zu manipulieren. In meinem Testbild erschien zunächst ein schwebender Würfel, den ich mit einer Fingerbewegung drehen konnte. Vorbeifliegende Blasen ließen sich durch eine virtuelle Berührung mit dem Finger zum Platzen bringen – genauso wie reale Seifenblasen.

Die zweite Brille arbeitet mit zwei Kameras, um die Fingerbewegungen zu verfolgen. Durch sie hindurch konnte ich in einer virtuellen Zeitung blättern und auf den zunächst flachen Seiten 3D-Bilder und Videos mit einer Geste zum Leben erwecken.

Weil die Displays auf der Innenseite der Brillengläser durchsichtig sind, erscheinen die virtuellen Objekte in der realen Umgebung, die man sieht. Die Atheer-Software muss dabei ermitteln, in welcher Entfernung der Betrachter seinen Blick fokussiert, damit die Objekte auch im richtigen Abstand eingeblendet werden.

In den Versuchen funktionierte das schon ganz gut. Schwierigkeiten hatte das System jedoch mit der Gestenerkennung, wenn meine Finger nicht im richtigen Winkel angeordnet waren. Zwar könnte man die Geräte im Prinzip für eine bestimmte Person kalibrieren. Das größte Problem sei derzeit aber, dass etwa der Tiefensensor noch nicht schnell genug auf Bewegungen reagiert, sagt Itani. Er hofft, dass die nächste Generation dieser Sensoren besser ist.

Die Atheer-Software läuft im Firmenbüro derzeit auf dem Betriebssystem Android und nutzt dessen 3D-Funktionen für Smartphones aus. Sie könne aber in beliebige Betriebssysteme integriert werden, sagt Itani.

Atheer Labs will nun Software-Entwickler ermuntern, erste Apps für die Plattform zu schreiben. In Verbrauchergeräten soll sie 2014 herauskommen. Eine Datenbrille, die die Atheer-Software enthält, würde wohl zwischen 500 und 600 Dollar kosten, schätzt Itani. Läuft die Software auf einem Smartphone und die Brille fungiert nur als drahtlos verbundenes Display, fallen für das Programm allein nur 200 bis 300 Dollar an.

In einigen Jahren könnte man dann in einem Restaurant eine Nachricht mitten im Raum hinterlassen, die Freunde dann später dort in der Luft schweben sehen, schwärmt Itani. „Es wird Filme und Unterhaltung geben, die Sie umgibt und in der Sie sich umschauen können.“

Einige Jahre sind auf dem hart umkämpften IT-Markt allerdings eine Ewigkeit, und noch steckt die Atheer-Technik in den Kinderschuhen. Jason Leigh, Leiter des Electronic Visualization Laboratory an der University of Illinois in Chicago, sieht zudem grundsätzliche Probleme bei neuen tragbaren Geräten für eine erweiterte Realität. Die Menschen müssten überhaupt erst einmal trainiert werden, sie richtig einzusetzen. Versuche beim Militär hätten gezeigt, dass die Nutzer viel zu sehr von den eingeblendeten Bildern absorbiert wurden. „Wenn plötzlich etwas den Hauptwahrnehmungssinn überlagert, muss man sich erst daran gewöhnen, damit man nicht vor den nächsten Baum rennt“, sagt Leigh.

(nbo)