Ex-NSA-Chef: "Wir waren sehr offen zu unseren Freunden"

In "Casablanca" spielt der korrupte Polizeichef Renault gern den Ahnungslosen. An ihn fühlt sich der frühere NSA-Chef erinnert, wenn er die Empörung deutscher Politiker über die US-Ausspähaktionen sieht. Er ist nicht der einzige.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 111 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Hinweise auf eine Einbindung europäischer Nachrichtendienste in die Ausspähprogramme des US-Geheimdienstes NSA verdichten sich. Nach Darstellung des früheren NSA-Chefs Michael Hayden hatten die USA ihre Kooperation mit den Europäern nach den Anschlägen vom 11. September 2001 massiv ausgeweitet – und dabei keinen Zweifel an den Zielen gelassen: "Wir waren sehr offen zu unseren Freunden." In Deutschland wächst derweil die Verärgerung über die schleppende Aufklärung. Ein geheimes US-Gericht verlängerte inzwischen die Genehmigung zum Sammeln von Telefonverbindungsdaten durch US-Behörden.

Die Ausspäh- und Überwachungsprogramme des US-Geheimdienstes NSA, mit denen auch in Deutschland zigtausendfach Daten von Telefon- und Internetnutzern gesammelt worden sein sollen, haben weltweit für Empörung gesorgt. Einzelheiten und Umfang der Ausspähung sind seit Wochen unklar. Die Bundesregierung hat in Washington Auskünfte zum Prism-Programm angefordert. Die Opposition dringt auf rasche Aufklärung.

Laut Hayden haben die Geheimdienste ihre Informationen in einer Art Pool-System gebündelt. Die Kooperation wurde offenbar bei einem geheimen Treffen der US-Dienste mit den Chefs der europäischen Nachrichtendienste kurz nach den Anschlägen vom 11. September vereinbart. "Wir waren sehr klar darüber, was wir vorhatten in Bezug auf die Ziele, und wir baten sie um ihre Kooperation", sagte Hayden in einem ZDF-Interview am Rande des Sicherheitsforums in Aspen. "Nicht nur in Deutschland, aber dort fand, glaube ich, das Treffen statt."

Sollten diese Angaben zutreffen, wäre die Kooperation schon in der Zeit der rot-grünen Bundesregierung ausgeweitet worden. Hayden machte deutlich, dass er die Überraschung deutscher Politiker über die Enthüllungen des früheren Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden für unglaubwürdig hält. "Ich bin da mal sehr respektlos, okay? Das ist wie in dieser Filmszene aus "Casablanca", in der Polizeichef Renault informiert wird, dass in Rick's Café Glücksspiel stattfindet."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die USA am Freitag erneut aufgerufen, auf deutschem Boden deutsches Recht einzuhalten. Man habe den Amerikanern einen umfangreichen Fragenkatalog übermittelt und warte nun auf Antworten, sagte sie. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekräftigte am Samstag im ZDF, alle Fakten müssten auf den Tisch.

Der Opposition reicht das nicht aus. "Nach fast sieben Wochen haben wir immer noch keine Klarheit, was geschehen ist. Das ist beschämend", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der Bild am Sonntag. Es gebe klare Hinweise, dass die Regierung mehr über Prism gewusst habe als sie zugebe. Linke-Chefin Katja Kipping sprach im SWR von einer "deutsch-amerikanischen Schnüffelkooperation".

Die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries forderte die Bundesregierung auf, die Aktivitäten der US-Geheimdienste hierzulande zu stoppen. Um solche Aktionen zu verhindern, "brauchen wir Verträge zwischen der EU und den USA", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Nötig seien zudem "internationale Vereinbarungen, die sicherstellen, dass europäische Mitgliedsstaaten und Partnerländer sich nicht gegenseitig ausspähen".

Ein geheimes US-Gericht hat die Genehmigung zum Sammeln von Telefonverbindungsdaten durch die US-Behörden inzwischen verlängert. Normalerweise bleiben Entscheidungen des Gerichts geheim. "Angesichts des erheblichen und anhaltenden öffentlichen Interesses an dem Programm zur Sammlung der Telefonverbindungsdaten" habe man sich aber zur Veröffentlichung entscheiden, erklärte am Freitag (Ortszeit) das Büro des obersten Chefs der US-Geheimdienste (DNI), James Clapper. (dpa) / (uk)