Netzbetreiber halten nichts von einer EU ohne Roaming

Unter europäischen Netzbetreibern regt sich Widerstand gegen die Reformpläne der EU-Kommission für einen einheitlichen Telekommunikationsmarkt. Der Branche fällt vor allem der Abschied von Roaming-Gebühren schwer.

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Die EU-Pläne für einen einheitlichen europäischen Telekommunikationsmarkt stoßen auf Widerstand seitens der großen Netzbetreiber. Für Unmut in der Branche sorgt vor allem das Vorhaben von Kommissions-Vizepräsidentin Neelie Kroes, die Roaming-Gebühren innerhalb der EU abzuschaffen. "Mit diesem Vorschlag würde der Rubikon überschritten", sagte ein ungenannter hochrangiger Branchenvertreter der Financial Times. Der Ton wird schärfer; die Vorstandschefs großer Netzbetreiber treten am Montag bei Kroes in Brüssel an, um für ihre Interessen zu kämpfen.

Es geht ums Geld. Analysten schätzen, dass die Netzbetreiber rund 5 Prozent ihres Umsatzes mit Roaminggebühren machen, die bei der Nutzung von anderen Mobilfunknetzen im Ausland anfallen. Laut Juniper Research waren das im vergangenen Jahr branchenweit rund 46 Milliarden US-Dollar (35 Milliarden Euro). Insbesondere wegen der zunehmenden Internetnutzung in Mobilfunknetzen sollen diese Einnahmen in den nächsten Jahre noch kräftig wachsen.

Zieht Brüssel seine Marktreform wie geplant durch, werden die europäischen Netzbetreiber von diesem Umsatzwachstum abgeschnitten. All dieses Geld fehle dann für Investitionen, lautet die stets gleiche Rechnung – und implizite Drohung – der Unternehmen, unter ihnen die ganzen Ex-Monopolisten. "Der Regulierer wird auf einen Streich unsere gesamten jährlichen Investitionen in regionale Infrastruktur ausradieren", beklagt sich ein Top-Manager, der nicht genannt werden will, in der Financial Times.

Doch fürchten die Netzbetreiber noch etwas: Der Verzicht auf Roaminggebühren und sinkende Interconnection-Gebühren, die sich die Netzbetreiber untereinander berechnen, könnte neue Billiganbieter begünstigen - sogenannte Virtuelle Mobilfunknetzbetreiber (MVNO), die ihre Dienste unter eigener Marke anbieten, die Netzleistung dafür aber bei den Netzbetreibern einkaufen. So könnte ein MVNO, der seine Netzleistung in dem einem EU-Land vergleichsweise billig einkauft, auch auf Märkten in höherpreisigen Ländern wildern.

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass Kroes noch von ihren Roaming-Plänen abrückt, ist die EU-Kommission offenbar gewillt, diese Befürchtungen ernst zu nehmen. Das Ziel sei, die Roaming-Gebühren abzuschaffen, ohne solche Geschäftsmodelle zu schaffen oder Investitionen zu unterlaufen, sagte ein Kommissionssprecher der Financial Times. "Wir sehen ganz klar, dass Arbitragegeschäfte der Branche schaden, ohne dass der Verbraucher was davon hat." Im September will die Kommission einen Entwurf vorlegen.

Allerdings will Brüssel auch nicht als Buhmann für andere Probleme der Branche herhalten. "Die beschweren sich über Peanuts und versuchen, die EU-Regulierung für ihre eigenen betrieblichen Herausforderungen vorzuschieben", zitiert die Financial Times einen anonymen EU-Beamten. EU-Kommissarin Kroes wird da deutlicher: "Es gibt verschiedene Stadien der Trauer: von Verleugnung über Wut und Verhandeln zur Akzeptanz", sagte Kroes der Zeitung. "Das gilt auch für Unternehmen, die ihre Cash-Cow verlieren".

Da die Netzbetreiber am Montag in Brüssel sind, um mit der Kommission über die Pläne zu reden und ihre Interessen zu vertreten, befinden wir uns in dem von Kroes bemühten Trauermodell nach Elisabeth Kübler-Ross offenbar in der Verhandlungsphase. Was den Netzbetreibern demnach als nächstes bevorsteht, hat die Vizepräsidentin der Kommission nachfühlenderweise ausgelassen: Vor der Akzeptanz kommt die Depression. (vbr)