BND leitet massenhaft Metadaten an die NSA weiter

Laut dem Spiegel übermittelt der Bundesnachrichtendienst (BND) in großem Umfang Metadaten aus der eigenen Fernmeldeaufklärung an die NSA.

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Der Bundesnachrichtendienst (BND) übermittelt in großem Umfang Metadaten aus der eigenen Fernmeldeaufklärung an die NSA. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner Ausgabe vom morgigen Montag. Der deutsche Auslandsgeheimdienst gehe inzwischen davon aus, dass sich sein Standort in Bad Aibling hinter einer der beiden Datensammelstellen (Sigads) verbergen könnte, über die der US-Geheimdienst laut Unterlagen aus dem Archiv des Whistleblowers Snowden allein im Dezember vergangenen Jahres unter der Überschrift "Germany – Last 30 days" rund 500 Millionen Metadaten erfasste.

Abhöreinrichtung auf dem Gelände der Mangfall-Kaserne in Bad Aibling.

(Bild: dpa)

Man gehe davon aus, "dass die Sigad US-987LA und -LB" den Stellen "Bad Aibling und der Fernmeldeaufklärung in Afghanistan zugeordnet sind", habe der BND gegenüber dem Blatt erklärt. "Vor der Weiterleitung von auslandsbezogenen Metadaten werden diese in einem mehrstufigen Verfahren um eventuell darin enthaltene personenbezogene Daten Deutscher bereinigt."

Deutscher Telekommunikationsverkehr werde nicht erfasst, habe der BND erklärt. Zudem habe er bislang "keine Anhaltspunkte, dass die NSA personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger in Deutschland erfasst".

Unterlagen aus dem Snowden-Archiv zufolge unterhalten NSA-Abhörspezialisten auf dem Gelände der Mangfall-Kaserne in Bad Aibling eine eigene Kommunikationszentrale und eine direkte elektronische Verbindung zum Datennetz der NSA.

Die Weiterleitung der Metadaten in diesem Umfang wirft neue Fragen auf, etwa nach der rechtlichen Grundlage für einen derart weitgehenden Austausch. Dem BND zufolge laufen "alle Aktivitäten im Rahmen von Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten unter Einhaltung der Gesetze, insbesondere des BND-Gesetzes und des G-10-Gesetzes", so der "Spiegel" weiter.

Auch die technische Kooperation sei enger als bekannt. Unterlagen aus dem Snowden-Archiv zufolge hätten NSA-Spezialisten Vertretern von BND und Bundesamt für Verfassungsschutz ein Training im Umgang mit den neuesten Analysemethoden des Programms XKeyscore gegeben – dem Material zufolge soll es dabei unter anderem um Verhaltenserkennung ("behavior detection") gehen. Umgekehrt hätten sich NSA-Analysten schon vor Jahren an Systemen wie Mira4 und Veras, die beim BND vorhanden waren, interessiert gezeigt. "In einigen Punkten haben diese Werkzeuge Fähigkeiten, die die US-Sigint-Möglichkeiten übertreffen", heißt es in den Unterlagen – der BND habe "positiv auf die NSA-Bitte nach einer Kopie von Mira4 und Veras" geantwortet.

[Update 05.08.2013 8:21]:

Ein BND-Sprecher teilte dpa in einer Reaktion auf den Spiegel-Bericht mit, die Dienste arbeiteten in dem bayerischen Ort seit zehn Jahren zusammen – etwa zum Schutz der in Krisengebieten stationierten deutschen Soldaten. Nach wie vor gebe es "keine Anhaltspunkte dafür, dass die NSA in Deutschland personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger erfasst". Dem BND zufolge laufen alle Aktivitäten im Rahmen bestehender Kooperationen und Gesetze.

Deutsche Innenpolitiker reagierten empört auf die angeblichen Datenweiterleitungen. "Wenn es stimmt, dass sich der BND als Werkzeug für die NSA bei der massenhaften Datenausspähung zur Verfügung gestellt hat, besteht dringender Handlungsbedarf", sagte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dem Münchner Merkur. Der BND müsse alle Fakten auf den Tisch legen.

Die SPD will in Kürze Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) zu den neuen Enthüllungen befragen. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zuvor in einem dpa-Interview Tatenlosigkeit in der Abhöraffäre vor: "Das ist eine Regierung, die vor ihrer eigenen Verantwortung flüchtet. Eine Regierung ohne Haltung, die nicht einmal gegenüber den Freunden den Mut hat, Grenzen aufzuzeigen." SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück äußerte sich am Sonntag bei einer Veranstaltung des Tagesspiegels ähnlich. Er vermisse bei Merkel, "dass sie nicht mit Nachdruck nachfragt: Was findet da eigentlich statt?"

Der Linke-Abgeordnete Jan Korte sagte, es sei höchste Zeit, "dass die Bundesanwaltschaft die Handbremse löst". Der BND liefere – vorgeblich streng rechtsstaatlich – Abermillionen an Daten an die NSA, und die Bundesregierung spiele seit Wochen die Unwissende. "Unglaubwürdiger geht es nicht." (se)