Neue Peinlichkeiten im Kältemittel-Streit

Autoklimaanlagen sind nicht nur mit umweltfeindlichen Kältemitteln befüllt - sie halten nicht einmal dicht.

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Autoklimaanlagen sind nicht nur mit umweltfeindlichen Kältemitteln befüllt - sie halten nicht einmal dicht.

Immer, wenn ich bisher glaubte, die Debatte um das neue Kältemittel für Autoklimaanlagen könne gar nicht mehr absurder und jämmerlicher werden, schlägt die Geschichte eine neue Volte.

Was bisher geschah: Die EU hat das bisherige Kältemittel R134a verboten, weil es rund 1300-mal so klimaschädlich ist wie CO2. Einzige Alternative ist nun das synthetische R1234yf, das bei einem Brand aber hochgiftige Flusssäure freisetzt. Weitgehend untergegangen ist zudem eine Meldung vom April, dass R1234yf auch dann gefährlich ist, wenn es gar nicht brennt, sondern einfach nur so in die Atmosphäre gelangt.

Daimler will nun das alte Kältemittel weiterverwenden und hat dem Kraftfahrtbundesamt erfolgreich klargemacht, dass die öffentlich als völlig neues Auto beworbene A-Klasse eigentlich so alt ist, das sie keine neue Typgenehmigung braucht. Ausgerechnet Frankreich entdeckt nun sein Herz für den Klimaschutz und will Mercedes-Fahrzeuge mit dem alten Kältemittel nicht zulassen. Nicht nur Verschwörungstheoretiker unterstellen Frankreich, sich damit für die politische Blutgrätsche zu rächen, mit der Angela Merkel einen schon fertig ausgehandelten EU-Kompromiss zur Senkung des CO2-Ausstoßes abgeschossen hat. Der hätte nämlich vor allem der französischen Autoindustrie genutzt.

Ob aktuelle Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamtes mehr Licht in die Sache bringen, ist ungewiss. Dabei geht es um so schöne Fragen wie die „Strömungsverhältnisse in einem unfallverformten Motorraum“, also darum, ob und wie eine entweichende Kältemittelwolke mit heißen Motorteilen in Kontakt kommt. Die Befürworter von R1234yf hoffen offenbar darauf, dass sich ein Wagen bei einem Crash stets genau so verknautscht, dass dies nicht passiert. Na danke.

Ich frage mich, wann sich Steven Soderbergh oder Michael Mann die Filmrechte für den Stoff sichern. Allerdings gibt es in dem Stück zwar viele Versager, aber wenig Helden. Auch Daimler nicht. Der Konzern hat sich für seine Standhaftigkeit sogar Lob von Greenpeace eingefangen, aber er hat es – wie die ganze Autobranche – trotz langer Vorlaufzeit versäumt, rechtzeitig Klimaanlagen mit dem alternativen Kältemittel CO2 marktreif zu machen.

Die jüngste Frechheit aber hat das Vox-Magazin „Auto Mobil“ aufgedeckt. Danach verbauen mittlerweile praktisch alle Hersteller Klimaanlagen aus so minderwertigem Aluminium, dass sie schon nach wenigen Jahren zerbröseln. Die Folge sind nicht nur teure Reparaturen, sondern auch der Verlust des gesamten Kältemittels. Bei einer Füllung von 750 Gramm entspricht das der Klimawirkung von rund einer Tonne CO2, die da mal eben so in die Atmosphäre entweicht. Dafür kann man locker 7000 bis 8000 Kilometer Auto fahren. Klimaanlagen aus Kupfer hingegen können Jahrzehnte überstehen.

Mit anderen Worten: Die Hersteller verdödeln nicht nur den Umstieg auf ein wirklich umweltfreundliches Kältemittel, sie kriegen es nicht einmal hin, dass das alte umweltfeindliche Mittel auch da bleibt, wo es hingehört, im Kühlkreislauf nämlich. Wenn Ingenieure in den Läden mehr zu sagen hätten als Controller, davon bin ich fest überzeugt, wären die ganzen Peinlichkeiten nie passiert. (grh)