Die Woche: Komfort oder Lerneffekt?

Einfach zu installieren und leicht zu bedienen: Ist Komfort wirklich die beste Empfehlung bei einer Linux-Distribution? Wer sich die Mühe macht, sein System kennenzulernen, lernt viel über Linux und erhält ein ganz auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittenes System.

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Das Spektrum der Linux-Distributionen ist breit: Am einen Ende rangieren benutzerfreundliche Systeme wie Ubuntu, bei denen Installation und Konfiguration weitgehend automatisch geschehen und auch Einsteiger nicht mit komplizierten Fragen belästigt werden. Das andere Ende kennzeichnen Distributionen wie Arch Linux, die dem fortgeschrittenen Anwender einiges an Know-how oder die Bereitschaft, vieles nachzulesen und zu erlernen, abverlangen. Andere Systeme liegen irgendwo dazwischen, doch die meisten schreiben sich – zumindest auf ihrer Projekt-Website – "Einsteigerfreundlichkeit" auf die Fahnen.

Canonical beispielsweise spricht mit Ubuntu auch diejenigen Anwender an, die sich eigentlich gar nicht für ihr Betriebssystem im Allgemeinen oder gar Linux im Besonderen interessieren – und das dürfte die breite Masse der Computer-Nutzer sein. Diese Ignoranz gegenüber einer Hacker-Community, die ein kostenlos verfügbares, zuverlässiges, vielseitig anpassbares und flexibel einsetzbares Betriebssystem entwickelt hat, ist eingefleischten Linux-Verfechtern schon lange ein Dorn im Auge.

Doch sie hat auch etwas Gutes: Meinen Freundinnen beispielsweise ist es egal, ob ich bei der Rechnerwartung ihr geschrottetes Windows wieder in Schuss bringe oder stattdessen Linux installiere – Hauptsache, es funktioniert und sie können surfen, Mails verschicken, Filme schauen und Musik abspielen. Erzähle ich was von Sicherheit, Stabilität und "leicht zu aktualisieren", nehmen sie das wohlwollend als Zusatz-Bonus hin, entscheidend ist es für sie nicht. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht, dass das System keine Probleme macht, es soll unsichtbar im Hintergrund laufen, ohne unangenehm aufzufallen. Und obwohl sich die meisten meiner Freundinnen nicht die Bohne für Linux interessieren, kommen sie – ist es einmal eingerichtet – damit genauso gut zurecht wie vorher mit Windows. Das ist auch der Benutzerfreundlichkeit von Ubuntu & Co. zu verdanken.

Meine erste Arch-Linux-Installation hier in der Redaktion löste bei vielen Kollegen – auch aus dem Linux-Ressort – ungläubiges Staunen aus. Einen grafischen Installationsassistenten sind schließlich auch die Kollegen gewöhnt, die sich sonst vor allem auf der Kommandozeile zu Hause fühlen. Auch dass der Rechner nach der eigentlichen Installation noch längst nicht arbeitsfähig war, bot reichlich Gelegenheit für spottende Kommentare ob der noch fehlenden grafischen Oberfläche, nachzuinstallierenden Programmen und zu konfigurierenden Systemdiensten. Doch das Aufsetzen des Systems bot mir die Gelegenheit, mich mal wieder mit den Details meines Linux-Systems zu beschäftigen, neuere Entwicklungen im Arch-Wiki nachzulesen und das System dann genau so einzurichten, wie ich es brauche. Keine überflüssigen Dienste im Hintergrund, keine unnötigen Pakete und genau die Programme, die ich nutze.

All das hat mir wieder einen guten Überblick darüber verschafft, was hinter den Kulissen eines modernen Linux-Systems eigentlich so abläuft. Bei Ubuntu & Co. bekommt man dagegen gar nicht mit, welche Arbeiten einem der Installer abnimmt und was dann so alles im Hintergrund werkelt. Da keine Notwendigkeit besteht, sich genauer mit dem System zu beschäftigen, ist der Lerneffekt gleich null. Das rächt sich spätestens dann, wenn doch mal irgendwas nicht geht und man gar nicht weiß, wo man mit dem Troubleshooting anfangen soll.

Werde ich mal wieder darum gebeten, ein Linux-System zu empfehlen, wird meine Antwort jedenfalls deutlich ausführlicher ausfallen. Natürlich tun sich viele Anwender mit Ubuntu, OpenSuse oder Mageia zunächst leichter, doch wer ein maßgeschneidertes System möchte und bei Problemen nicht immer andere um Hilfe bitten will, dem bietet Arch Linux eine gute Gelegenheit, den Dingen auf den Grund zu gehen und mit Hilfe des umfangreichen Wikis nach und nach dazuzulernen. Ein ganz auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmtes Linux-System gibt es als Bonus oben drauf. (lmd) (lmd)