Tatort Internet: Unbescholtene Bürger haben nichts zu befürchten

Das LKA Niedersachsen gilt nach der Geschichte um den Sasser-Wurm als eine der führenden Polizeibehörden, die am Tatort Internet ermitteln. LKA-Direkter Uwe Kolmey skizzierte seine Sicht auf das "Internet als Tatmedium".

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Von
  • Detlef Borchers

Vor mehr als 450 Zuhörern startete am gestrigen Mittwochabend die öffentliche Osnabrücker Ringvorlesung Kriminalistik. Die bundesweit einmalige Veranstaltungsreihe basiert auf der Überlegung, dass angehende Juristen, aber auch Studierende anderer Studiengänge und interessierte Bürger aus aktuellen Problemen der Kriminologen lernen können. Zum Auftakt der Ringvorleseung sprach Uwe Kolmey, Direktor des LKA Niedersachsen zum Thema "Das Internet als Tatmedium". Seit der spektakulären Geschichte des Sasser-Wurms gilt das Landeskriminalamt als eine der führenden Polizeibehörden, die am Tatort Internet ermitteln.

Kolmey skizzierte zum Einstieg die allgemeine Nutzung des Internets in Deutschland und wandte sich dann nach kurzer Erwähnung des Sasser-Falles der Kinderpornografie zu, die trotz einer Aufklärungsquote von 90 Prozent zu den beunruhigendsten Delikten in Niedersachsen zähle. Registrierte seine Behörde im Jahre 1995 ganze 58 Fälle, in denen Bürger des Bundeslandes kinderpornografisches Material ins Internet stellten oder konsumierten, konnten die Ermittler im Jahre 2006 erschreckende 513 entdeckte Einzelfälle zählen. Anschließend versuchte der LKA-Chef den Zuhörern die komplizierte Taktik des Phishing zu erklären, in dem viele Parteien beim Betrug beteiligt sind. Auch DDOS-Attacken wurden erläutert, unter besonderer Erwähnung einer Attacke auf den Heise-Verlag, bei der Nachforschungen nach den Tätern bislang keine weiteren Ergebnisse brachten.

Mit eingespielten Videos zum Sprengstoffbau und zur Rekrutierung islamistischer Terroristen behandelte Kolmey die Bereiche, in denen die Polizei nach seiner Aussage den größten Handlungsbedarf hat. Neben der zügigen Realisierung der Vorratsdatenspeicherung für Verbindungsdaten wünschte sich Kolmey die Schaffung eines Straftatbestands für das Anbieten von Sprengstoffen und Bombenbauanleitungen im Internet. Außerdem forderte er eine gesetzliche Verpflichtung für alle Kommunikationsprovider, die Nutzerdaten zu verifizieren. Die Online-Durchsuchung erklärte der LKA-Direktor als unverzichtbares Instrument zur Auslese verschlüsselter Datenträger und Aufdeckung internationaler Beziehungsgeflechte. Weil bei der klassischen Durchsuchung der Tatverdächtige bemerke, dass gegen ihn ermittelt werde, müsse die Durchsuchung der Rechner heimlich erfolgen. "Wenn wir die Online-Durchsuchung nicht bekommen, haben wir es mit gravierenden Unsicherheiten zu tun und nehmen eine berechenbare Sicherheitslücke in Kauf. Das ist nicht verantwortlich."

In der anschließenden kurzen Diskussion mit den Studenten ging es um die Online-Durchsuchung wie um die Demonstrationen gegen die Vorratsdatenspeicherung. LKA-Chef Kolmey dementierte energisch, dass die Online-Durchsuchung zur Totalüberwachung führen kann: "BKA-Chef Ziercke hat davon gesprochen, dass 99,99 Prozent der Bevölkerung nicht von der Maßnahme betroffen sind. Ich würde weitergehen und sogar noch 'ne 9 hinten dranhängen. Die Maßnahme ist sehr aufwendig."

Zu einer juristischen Nachfrage zur Rechtmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung nahm einer der Veranstalter, der Osnabrücker Polizeidirektor Rolf Springmann Stellung: "Wir haben heute schon die Möglichkeit, auf die Daten der Handys auf eine Anordnung des Richters hin zuzugreifen. Wir haben eine Vielzahl von Fällen, in denen wir beispielsweise Handy-Ortungen machen und damit Leben retten können. Wir ärgern uns nun über die politische Diskussion, die hier zielgerichtet von einigen Gruppen geführt wird. Es geht um nichts anderes, als jetzt eine EU-Norm umzusetzen. Wenn ich mir vorstelle, dass es gestern an 30 Orten in der Bundesrepublick Demonstrationen zu diesem Thema gegeben haben soll, da wurde das Bild eines totalen Überwachungsstaates gezeichnet, das mit den Realitäten überhaupt nichts zu tun hat." Auch in Osnabrück hatte es tags zuvor eine kleine Kundgebung mit circa 50 Teilnehmern gegeben.

Das Thema wird den Osnabrückern noch eine Weile erhalten bleiben: Als nächster Gast der Ringvorlesung wird BKA-Chef Ziercke über "Terrorismusbekämpfung und innere Sicherheit" in Deutschland referieren. (Detlef Borchers) / (jk)