Unternehmen setzen beim Strom auf Eigenversorgung

Seit der Energiewende bauen immer mehr deutsche Unternehmen eigene Kraftwerke. Das ist lukrativ, denn sie sparen Ökoabgaben, Steuern und Netzentgelte. Normale Verbraucher könnte das allerdings teuer zu stehen kommen.

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Von
  • Erich Reimann
  • dpa

Für die Metro war es eine Premiere: Deutschlands größter Handelskonzern nahm Anfang Juli seine ersten beiden eigenen Blockheizkraftwerke in Betrieb. Sie produzieren Wärme und Strom für die Metro-Großmärkte in Düsseldorf und Berlin-Marienfelde. Ziel des Unternehmens sei es, "die Unabhängigkeit von der Energiepreisentwicklung zu erhöhen", sagt eine Metro-Sprecherin. Denn mit der Eigenproduktion kann Metro alle Kosten, die mit dem Bezug von Strom und Wärme verbunden sind, vermeiden – etwa die Ökostrom-Umlage oder die Netzentgelte.

Mit dem Schritt steht die Metro nicht allein. Der Autobauer Daimler hat in den vergangenen Jahren gleich an mehreren Standorten eigene Blockheizkraftwerke gebaut. "Mit dem Ausbau der Eigenversorgung möchten wir auch die Versorgungssicherheit des Werkes erhöhen", heißt es in Stuttgart. Auch die zum Familienimperium Oetker gehörende Brauereien-Gruppe Radeberger setzt auf die Mini-Kraftwerke, um die Betriebskosten zu senken. Und mit ihnen viele andere Unternehmen. Allein seit 2009 gingen nach einer Übersicht des Verbands der deutschen Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) dezentrale Blockheizkraftwerke mit mindestens 1300 Megawatt Leistung in Betrieb.

Nach Einschätzung des Energieexperten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Manuel Frondel, hat der Trend "massive Ausmaße" angenommen: "Jeder, der kann, versucht dem System zu entkommen und baut eigene Kraftwerke." Die Unternehmen könnten so enorme Summen sparen, "weil für den selbstproduzierten Strom weder Stromsteuer, noch EEG-Umlage oder Netzumlage gezahlt werden muss".

Und Energie ist in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern teuer. Nach Angaben des europäischen Statistikamtes Eurostat hatte Deutschland im zweiten Halbjahr 2012 hinter Zypern die zweithöchsten Energiepreise. Und deutsche Unternehmen klagen immer wieder über die entstanden Wettbewerbsnachteile.

Der Chef der Deutschen Energie-Agentur Dena, Stephan Kohler, betont, große Stromverbraucher wie Bayer oder BASF hätten schon lange eigenen Strom produziert, doch jetzt begännen auch immer mehr mittelständische Unternehmen damit. Gerade wenn die Unternehmen nicht von der EEG-Umlage befreit seien, sei dies für sie ein guter Weg, den steigenden Strompreisen ein Schnippchen zu schlagen. "Es gibt einen sehr starken Trend zur Eigenversorgung", sagt Kohler.

Was für die Unternehmen lukrativ ist, hat allerdings für normale Stromverbraucher einen Haken. "Die Verbraucher, die noch die volle EEG-Umlage bezahlen, werden immer weniger, damit steigt die Umlage für diese Gruppe", beschreibt Kohler das Problem. Im Klartext: Das Geld, das die Unternehmen etwa bei EEG-Umlage sparen, müssen die anderen Verbraucher zusätzlich zahlen.

Deshalb geht der RWI-Energieexperte Frondel davon aus, dass der Staat bald eingreifen muss. "Die Politik kann nicht mehr lange zusehen, sonst steigen die Belastungen für die übrigen Verbraucher noch mehr." Der Beitrag der neuen Firmenkraftwerke zur Versorgungssicherheit ist nach seiner Einschätzung ohnehin eher gering. Frondel: "Die Kraftwerke sind einfach zu klein. Damit allein kann man die Probleme nicht lösen, wenn in absehbarer Zeit große Kapazitäten – Atomkraftwerke und unrentable Gaskraftwerke – vom Markt gehen." (anw)