Bericht: Brüssel rudert bei Roaming-Regulierung zurück

Die EU-Kommission ist bei ihrem Projekt für einen einheitlichen europäischen Telekommunikationsmarkt offenbar von ihrem Plan abgerückt, Roaming-Gebühren in der EU schon bald abzuschaffen. Brüssel weist das zurück.

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Die EU-Kommission rückt offenbar von Plänen ab, Roaming-Gebühren für Mobilfunkgespräche im EU-Ausland streng zu regulieren und schon bald auf ein paar Cent zu begrenzen. Die für die Digitale Agenda zuständige Kommissionsvizepräsidentin Neelie Kroes habe die Kürzung der Gebühren um bis zu 90 Prozent aus dem aktuellen Entwurf für einen europäischen TK-Binnenmarkt gestrichen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf EU-Dokumente. Die Kommission sagt hingegen, sie hält an den Plänen fest.

Die EU-Kommission will Anfang September ihre Pläne für einen einheitlichen europäischen Telekommunikationsmarkt vorlegen. Damit sollte eigentlich auch der Abschied von Roaming-Gebühren innerhalb der EU einhergehen. Langfristig will Kroes diese Gebühren, die Mobilfunknutzer für Gespräche im Ausland zusätzlich zahlen müssen, ganz abschaffen – und weiß dabei auch das Parlament hinter sich. Den Netzbetreibern passt das erwartungsgemäß nicht ins Konzept.

Seit 2007 hat die Kommission die Roaming-Gebühren Jahr für Jahr ein bisschen mehr gesenkt. Kroes' Vorgängerin Viviane Reding hatte die Regulierung gegen heftigen Widerstand der Netzbetreiber durchgesetzt. Kostete eine Gesprächsminute für Anrufe im europäischen Ausland 2007 noch 49 Cent (brutto), sind es seit der letzten Senkung im Juli heute noch 24 Cent, eingehende Gespräche können mit 10 Cent abgerechnet werden.

Laut einem früheren Entwurf habe Kroes die Roaming-Gebühren auf bis zu 3 Cent pro Minute begrenzen wollen, heißt es in dem Bericht. Damit sind wohl die Gebühren für eingehende Gespräche gemeint. In dem aktuellen Entwurf seien diese Obergrenzen nicht mehr enthalten. Insider machten gegenüber Reuters dafür die Lobbyarbeit der Netzbetreiber verantwortlich. Kroes hatte sich gegenüber den "Unternehmen, die ihre Cash-Cow verlieren", zuletzt noch kampfeslustig gezeigt. Eine Sprecherin wies den Bericht gegenüber heise online als "nicht korrekt" zurück.

Die Chefs von Telecom Italia, Orange (France Telecom), Telefónica und ein hochrangiger Telekom-Vertreter waren im Juli bei Kroes angetreten, um für ihre Interessen einzustehen. Sie fürchten neben dem Umsatzverlust vor allem neue Konkurrenz von Billiganbietern, die als virtuelle Netzbetreiber ihre Kontingente bei einem Netzbetreiber günstig einkaufen und dann europaweit anbieten können.

Für die Unternehmen geht es um viel Geld. Analysten schätzen, dass die Netzbetreiber rund 5 Prozent ihres Umsatzes mit Roaminggebühren machen, die bei der Nutzung von anderen Mobilfunknetzen im Ausland anfallen. Laut Juniper Research waren das im vergangenen Jahr branchenweit rund 46 Milliarden US-Dollar (35 Milliarden Euro). Insbesondere wegen der zunehmenden Internetnutzung in Mobilfunknetzen sollen diese Einnahmen in den nächsten Jahre noch kräftig wachsen.

Die EU-Kommission hält nach eigenen Angaben an ihren Plänen fest. Man arbeite weiter daran, dass mobiles Telefonieren und Internet-Surfen im EU-Ausland genau so viel kosten sollten wie zu Hause, sagte ein Sprecher von EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes am Donnerstag in Brüssel. "Seit 2010 ist es unser Ziel, Roaming-Gebühren los zu werden, und das bleibt unsere Absicht." (vbr)