Online-Überwachung dank Software-Fernsteuerung beim Zoll?

Der Zoll bereitet eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung vor, "bei der die Übertragung einer Überwachungssoftware auf das Endgerät des Beschuldigten und die Nutzung dieser Software auch im Wege einer Fernsteuerung" möglich sein soll.

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Von
  • Detlef Borchers

In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zur Überwachung der Telekommunikation im Internet im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zu Online-Durchsuchungen (PDF-Datei) teilt die Bundesregierung mit, dass derzeit beim Bundeskriminalamt und bei der Bundespolizei keine "Quellen-Telekommunikationsüberwachung" (Quellen-TKÜ, Abhören von Internet-Telefonaten oder anderer Kommunikation vor dem Einsatz von Verschlüsselung) durchgeführt wird. Nur der Zoll bereitet nach Angaben der Regierung vor, eine Maßnahme durchzuführen, "bei der die Übertragung einer Überwachungssoftware auf das Endgerät des Beschuldigten und die Nutzung dieser Software auch im Wege einer Fernsteuerung" möglich sein soll. Diese Antwort wird von Gisela-Piltz, der innenpolitischen Sprecherin der FDP-Fraktion, kritisiert. Sie zeige die schrittweise Einführung der heimlichen Online-Durchsuchung als Standard entgegen aller Beteuerungen vom herausgehobenen Charakter der Maßnahme. "Ein, zwei, viele Online-Durchsuchungen" seien so zu erwarten.

In der veröffentlichten Kleinen Anfrage wollte die FDP-Fraktion unter anderem eine Auskunft darüber, welche Behörden derzeit eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung durchführen oder welche Behörden die im Innenausschuss des Bundestages diskutierte "Remote Forensic Software" einsetzen. In der gestern bei der FDP-Fraktion eingegangenen Antwort schreibt Innenstaatssekretär August Hanning, dass die Bundesregierung derzeit noch die Auswirkungen des Urteils prüfe, das vom Bundesverfasssungsgerichtes zur nordrhein-westfälischen Online-Durchsuchung gefällt wurde. Nach Auskunft von Hanning führen derzeit weder das Bundeskriminalamt noch die Bundespolizei eine Quellen-TKÜ durch. Zur Arbeit der Nachrichtendienste verweist der Staatssekretär auf die zuständigen parlamentarischen Gremien.

Nach Hanning ist der Zollfahndungsdienst derzeit die einzige Behörde, die über eine Software für die Quellen-TKÜ verfügt. Diese Software könne jedoch nicht für Online-Durchsuchungen eingesetzt werden und sei auch nicht identisch mit jener Software, die im Innenausschuss des Bundestages unter dem Namen "Remote Forensic Software" diskutiert wurde. Zur Arbeit der Zollfahnder heißt es in der Antwort des Staatssekretärs: "Der Zollfahndungsdienst wird auf der Grundlage eines richterlichen Beschlusses in Kürze mit einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung beginnen. Der auf Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaft ergangene richterliche Beschluss gestattet für den Fall, dass die Kommunikation in verschlüsselter Weise übertragen wird, die Überwachung und Aufzeichnung in unverschlüsselter Form und lässt die Übertragung einer Überwachungssoftware auf das Endgerät des Beschuldigten und die Nutzung dieser Software auch im Wege einer Fernsteuerung zu, sofern eine über den Überwachungszweck hinausgehende Online-Durchsuchung ausgeschlossen ist." Weitere Details dürfe die Bundesregierung auf Weisung der zuständigen Staatsanwaltschaft nicht nennen, weil sonst der Erfolg der Ermittlungen gefährdet sei.

Zur Frage, ob eine Software technisch so begrenzt arbeiten kann, dass sie nur die von einer Sprachtelefonie-Software wie Skype erzeugten Daten abgreift, hatten sich bereits die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht geäußert. Ein Restrisiko, das mit einer solchen Software immer auch auf andere Daten zugegriffen werden kann, wollte kein Sachverständiger ausschließen.

Dementsprechend ist für die FDP-Fraktion fraglich, ob wirklich sauber zwischen einer Quellen-TKÜ und einer Online-Überwachung getrennt werden kann. In ihrer Stellungnahme zur Antwort des Staatssekretärs verweist die FDP-Politikerin Piltz darum auf den kumulierenden Effekt dieser Maßnahmen: "Eine Handvoll hier, eine Handvoll da – am Ende braucht man recht viele Hände, um die Fälle noch zu zählen. Wenn das so weitergeht, wird die heimliche Online-Durchsuchung entgegen aller Beteuerungen doch noch zur Standardmaßnahme der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern."

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)