Die Haar-Waschanlage

Der japanische Elektronikkonzern Panasonic hat sich auf die Entwicklung von Robotern für Krankenhäuser spezialisiert – und nebenbei eine Hilfe für Friseure erfunden.

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Von
  • Martin Kölling

Der japanische Elektronikkonzern Panasonic hat sich auf die Entwicklung von Robotern für Krankenhäuser spezialisiert – und nebenbei eine Hilfe für Friseure erfunden.

Wie dornig sich der Weg zum Superstar der Roboterwelt gestalten kann, haben die Forscher des japanischen Elektronikkonzerns Panasonic mit einer ihrer jüngsten Kreationen aus ihrem Labor in Osaka erlebt: Sie sieht unscheinbar aus – wie ein Waschbecken mit Liegestuhl beim Friseur. Aber dahinter verbirgt sich ein extrem feingliedriger und feinfühliger Geselle. Sanft und doch fest umfassen 24 kleine Finger den Kopf des Nutzers, der bequem auf einer Liege ruht. Aus Düsen sprüht der Roboter erst Wasser, später Shampoo auf die Haare, während die Finger algorithmisch gesteuert die Kopfhaut massieren.

Entwickelt haben Panasonics Ingenieure den Haarwaschroboter eigentlich für Krankenhäuser und Pflegeheime, um das Personal zu entlasten. Aber das Gerät machte seine Arbeit so gut, dass die Ingenieure es voriges Jahr auch Friseuren vorstellten – mit großem Erfolg.

Ein dreimonatiger Testlauf des Helfers in Haarsalons begeisterte nicht nur die Haarstylisten, die ihre Rücken und Hände entlastet sahen. Auch die meisten der 250 getesteten Kunden erklärten, dass der Roboter sie mindestens so gut, wenn nicht besser als die Friseurangestellten massiert hätte.

Das positive Feedback stellt Panasonic unerwartet vor ein Problem: "Wir haben uns noch nicht entscheiden können, ob wir den Haarwaschroboter über unsere Sparte zur Gesundheitspflege oder als Konsumentenprodukt anbieten", sagt Yoshihiko Matsukawa, Geschäftsführer der Roboterentwicklung. Jede dieser Zielgruppen würde ein anderes Geschäftsmodell erfordern, was erst einmal aufgebaut sein müsse. Die Markteinführung, ursprünglich geplant für Ende 2013, wird sich nun verschieben.

Panasonics Luxusproblem zeigt, wie Roboter Schritt für Schritt die Fabrikhallen verlassen und den Alltag erobern können – weit über die eher simplen Staubsaug- und Rasenmähroboter hinaus. Der Weg dahin war allerdings lang und aufwendig: Er begann mit dem Gedanken, das Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu unterstützen. Um herauszufinden, bei welchen Tätigkeiten Roboter wirklich helfen können, arbeitet der Konzern eng mit Krankenhäusern zusammen. "Roboter sind kein reines Endgeräte-Geschäft, sondern wir müssen Lösungen anbieten", erklärt Matsukawa. Man müsse erst die Arbeitsabläufe analysieren und die Geräte als Teil eines Gesamtsystems konstruieren.

Das Entwicklungszentrum in Panasonics Heimatstadt Osaka sieht dann auch eher aus wie ein Freilandlabor. Es gibt reichlich Platz, damit Besucher die Geräte ausprobieren und sich direkt mit den Ingenieuren austauschen können. Auch in Krankenhäusern wird getestet, und das nicht nur in Japan. Singapur steht auf der Liste – und ganz oben das kleine Dänemark. "Dort ist es viel einfacher, eine Genehmigung zu erhalten", erzählt Matsukawa, "in Japan brauchen wir zwei bis drei Jahre."

Die ersten Roboter entwickelte Panasonic bereits in den 1990er-Jahren. Nur erregten sie kein Aufsehen, weil sie wie Medizinschränke aussahen. Dabei waren sie die ersten maschinellen Apotheker. Die Maschinen sortieren Arzneien von Patienten in Kliniken, und das schneller und fehlerfreier als ihre menschlichen Kollegen. Die Personaleinsparung rechnete sich trotz der hohen Anschaffungskosten. Inzwischen verrichten landesweit mehrere Hundert dieser Geräte ihren Dienst.

Von dieser Erfahrung ausgehend, entwickelte Panasonic nach und nach immer weitere Service-Roboter entlang der Arbeitsabläufe im Hospital. Ein neueres Modell etwa prüft von Hand oder maschinell abgepackte Medikamente, bevor sie am Bett des Patienten landen. Und der Transportroboter Hospi, eine überlebensgroße Mensch-ärgere-dich-nicht-Figur mit Bildschirm als Gesicht, bringt die Arznei selbstständig auf die Station.

Mit der nächsten Generation, dem Hospi-Rimo, will Panasonic einen entscheidenden Sprung schaffen. Denn die neue Inkarnation, die derzeit noch als Prototyp durch Panasonics Labor surrt, hat sich vom einfachen Träger zu einem freundlich lächelnden Telepräsenzroboter gemausert. Auf vielfachen Wunsch des Pflegepersonals kann er sogar Patrouille gehen und autonom mit Menschen reden. "Wenn er etwas Ungewöhnliches bemerkt, kommuniziert er erst selbst und ruft, wenn er das Problem nicht lösen kann, einen Operator", erklärt Hajime Kawano, sein Entwickler. Der Operator steuert dann den Roboter aus der Ferne über Bildschirm und Joystick. Hospis Display ermöglicht ihm sogar, von Angesicht zu Angesicht mit den Patienten zu sprechen. Probleme bereitet dabei allerdings noch eine Zeitverzögerung von 0,1 bis 0,2 Sekunden. Das reicht bereits, um Patienten zu verwirren.

"Langfristig wollen wir eine Telekommunikation zwischen Arzt und Patienten herstellen", hofft Kawano. Die ersten Erfahrungen mit dem Roboter unter Menschen stimmen optimistisch. Die Patienten hätten die Hospis nach dem ersten Überraschungsmoment akzeptiert, haben zumindest Umfragen von Panasonic in den Kliniken ergeben. Es gäbe sogar unerwartete positive Reaktionen: Kranke, die aus irgendwelchen Gründen nicht mit dem Pflegepersonal kommunizieren, reden plötzlich mit Robotern. Ein Grund mag sein, dass das Gerät für sie neu ist, mutmaßen Experten bei Panasonic.

Nach einer Fallstudie des Robot Laboratory der Stadt Osaka beim Matsushita-Gedächtnis-Krankenhaus stieß der Hospi hingegen zunächst auf Bedenken beim Pflegepersonal. Er rollte so langsam, dass einige Schwestern fragten, ob es nicht schneller sei, selbst zu laufen, erklärt Krankenhauschef Tetsuro Yamane. "Aber dann stoppten wir die Zeit und stellten fest, dass Hospi doch recht schnell ist." Die Krankenhausverwaltung sieht in ihm den Vorteil, dass sie sich die hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten eines Fließbands für den Medizinversand sparen kann. Denn Hospi kann den Aufzug nehmen.

Und er bringt Spaß in die Flure. "Hospi macht kleine Kinder fröhlich, Besucher knipsen Fotos vom Roboter", so Yamane. Darüber hinaus sei er höflich. Er sagt "Entschuldigen Sie bitte!", wenn er auf eine Person trifft, und "danke", wenn die Person ausweicht. Inzwischen behandele das Pflegepersonal den Transportroboter als Teammitglied und sage "Lass uns Hospi rufen". Wann allerdings der Traum vom Roboter als Teledoktor wahr wird, ist derzeit offen. Besonders die Fernkommunikation im Krankenhaus ist umstritten. "Wir brauchen weitere Analysen der Arbeitsabläufe und müssen uns noch mehr mit Pflegern und Ärzten beraten", so Matsukawa.

Für Panasonics Entwickler ist die Roboterrevolution jedoch nur eine Frage der Zeit. "Ich stelle mir die Zukunft wie bei ,Star Wars' vor", meint Hospi-Entwickler Kawano. "Es gibt R2-D2, Droiden wie C-3PO und viele andere Modelle – quasi spezialisierte Werkzeuge." Sie müssten sich gar nicht wie Menschen benehmen. "Warum sollten sie Beine haben, wenn sie nur einen Arm brauchen?" "In Krankenhäusern werden sich Roboter vielleicht schon in zwei bis drei Jahren verbreiten." Bald könnten Patienten sogar auf einem von ihnen liegen. Panasonic hat ein Roboterbett entwickelt, das sich auf Knopfdruck in einen elektrischen Rollstuhl verwandelt. Selbst Bettlägerige können so plötzlich ohne fremde Hilfe im Krankenhaus herumkommen. Das Modell steht kurz vor der Marktreife. Bleibt für Panasonic jetzt nur noch sein kleines Problem zu lösen: Wer darf denn nun in den Genuss des feinfühligen Haarwäschers mit seinen 24 Fingern kommen? ()