MWC: Krise vermiest Mobilfunk-Branche die wichtigste Messe

Die auf rasantes Wachstum getrimmten Handy-Hersteller stellen sich auf einen Absatzrückgang ein: den ersten seit 2001 und erst den zweiten, seit es Mobiltelefone gibt.

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Von
  • Andrej Sokolow
  • dpa

Die Kapitäne der Mobilfunk-Industrie kommen an diesem Montag mit tiefen Sorgenfalten zu ihrem wichtigsten Branchentreff, dem Mobile World Congress in Barcelona. Die Wirtschaftskrise schneidet ihnen allen ins Geschäft – und jeder bringt seine eigenen Probleme mit.

Die auf rasantes Wachstum getrimmten Handy-Hersteller stellen sich auf einen Absatzrückgang ein – den ersten seit 2001 und erst den zweiten, seit es Mobiltelefone gibt. Die Mobilfunk-Betreiber müssen in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und massiver Sparprogramme bei Unternehmen um die Ausgaben ihrer Kunden bangen. Haben die Mobilfunk-Konzerne weniger Geld, können auch die Netzwerk-Ausrüster – denen es ohnehin nicht gerade glänzend geht – das erhoffte große Geschäft mit Technik für noch schnellere Datenübermittlung vorers vergessen. Dabei haben sie bereits Milliarden in die Entwicklung investiert.

Was für ein Kontrast zu den früheren Jahren in Barcelona: Für gewöhnlich schwärmte die Branche hier von grandiosen Wachstumsmöglichkeiten, feierte schicke neue Geräte und debattierte darüber, wie Handys die Welt verändern werden, von Bankgeschäften für die Dritte Welt bis hin zu glücklicheren Menschen durch mobile Internet-Kommunikation. Dieses Jahr wird das Mobilfunk-Mekka von der Realität eingeholt. Nokia, der Handy-Weltmarktführer mit fast 40 Prozent Marktanteil, muss die Produktion kappen, Stellen streichen und die Forschungsausgabe senken. Der Handy-Sparte von Motorola, einst die Nummer zwei der Welt, droht der Abschwung gar das Genick zu brechen. Und der Netzwerk-Ausrüster Alcatel-Lucent, einer der Vorreiter des LTE-Formats für noch schnellere Netze, musste sich gegen Forderungen von Investoren wehren, aus dem Mobilfunk-Geschäft auszusteigen.

Der Ton in der Branche sei ein anderer in diesen Tagen und auch in Barcelona werde das zu spüren sein, glaubt ein Analyst des Marktforschungsunternehmens Strategy Analytics. "25 Jahre lang ging es darum, den Umsatz zu steigern, dieses Jahr wird es mehr darum gehen, die Kosten zu drücken." Und so erwartet Gartner-Branchenexpertin Carolina Milanesi von der normalerweise vor Neuheiten strotzenden Messe "nichts revolutionäres". Allenfalls weitere Handys mit dem von Google ins Leben gerufenen Betriebssystem Android könnten für Aufsehen sorgen. Wie viele davon in Barcelona zu sehen sein werden, blieb allerdings bis zuletzt unklar.

Wohlgemerkt, bei allen Problemen ist die Mobilfunk-Branche viel weniger von der Krise betroffen als zum Beispiel die krisengeschüttelte Autoindustrie. Außerdem: Auch wenn die Handy-Hersteller meist im Vordergrund stehen – vier Fünftel der Branchenumsätze werden mit Mobilfunk-Diensten gemacht. Und hier rechnen Marktexperten auch in diesem Jahr noch mit einem satten Plus von neun Prozent auf 950 Milliarden Dollar. T-Mobile-Chef Hamid Akhavan konnte dem Rückgang der Handy-Verkäufe sogar durchaus etwas positives abgewinnen. "Wenn die Leute ihre alten Handys behalten und weiterhin unsere Dienste nutzen, steigert das sogar unsere Profitabilität als Mobilfunk-Anbieter, da wir die neuen Geräte subventionieren", argumentierte er in einem Interview.

Zum Mobile World Congress in Barcelona siehe auch

(Andrej Sokolow, dpa)/ (axv)