Verfassungsschutz hatte verbotenerweise Journalisten im Visier

Schuldeingeständnis des Verfassungsschutzes in NIedersachsen: Unrechtmäßigerweise sind Journalisten in der Datei der Behörde gelandet, die im Bereich Extremismus recherchierten. Die gespeicherten Daten zu 9000 Personen werden nun überprüft.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Verfassungsschutz in Niedersachsen hat in der Vergangenheit verbotenerweise Journalisten ins Visier genommen. In mindestens sieben Fällen seien Publizisten in der Datei des Verfassungsschutzes gelandet, obwohl es keinen Extremismusbezug gegeben habe, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD). Die Betroffenen hätten sich lediglich im Zusammenhang mit ihrer Arbeit mit Extremismus beschäftigt, die Fälle reichten zurück bis ins Jahr 2006. Die Einträge würden gelöscht und die Publizisten informiert.

Betroffen ist auch die Rechtsextremismus-Expertin und Autorin Andrea Röpke, teilte ihr Anwalt in Göttingen mit. Auf ihre Anfrage hin habe der Verfassungsschutz 2012 mitgeteilt, dass keine Daten gespeichert seien. Tatsächlich wurden die Einträge in dem Moment gelöscht. Pistorius wertete den Fall als bewusste Vertuschung und sprach von "eklatanten Versäumnissen des Verfassungsschutzes".

Journalisten seien vom Verfassungsschutz nicht abgehört und auch nicht von V-Leuten observiert worden, betonte die Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger. Alle Speicherungen des Verfassungsschutzes zu rund 9000 Personen würden derzeit überprüft. "Ich gehe davon aus, dass es weitere Fälle geben wird." Brandenburger hatte nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen und ihrem Wechsel an die Behördenspitze ab März zunächst stichprobenartig mit der Kontrolle begonnen. Wegen der Brisanz des Fall Röpkes wurde das Ministerium nun schon vor Abschluss der Überprüfung eingeschaltet.

Pistorius sprach von einem jahrelangen Fehlverhalten der Behörde. Menschen seien ohne ausreichenden Grund von Sachbearbeitern in der Datei der Verfassungsschützer gespeichert worden. Später sei eine Löschung der Dateien nicht wie vorgeschrieben geprüft worden. Brandenburger betonte, dass Konsequenzen für die Verantwortlichen geprüft werden. Künftig sollten Abteilungsleiter über das Speichern personenbezogener Daten entscheiden.

"Die Frage ist, warum die Öffentlichkeit erst jetzt informiert wurde. Schließlich hat Frau Brandenburger bereits seit März von den sechs Fällen gewusst", reagierte der FDP-Fraktionsvize Stefan Birkner. Auch die CDU zeigte sich verwundert: "Obwohl Rot-Grün seit Monaten über die Neuausrichtung des Verfassungsschutzes diskutiert, hat Amtschefin Brandenburger offenbar keine Veranlassung gesehen, den Innenminister ansatzweise über ihre hausinterne Recherche zu informieren", sagte die Abgeordnete Angelika Jahns. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder sprach von einem "skandalösen Angriff auf die Pressefreiheit". Verantwortlich dafür sei der vorherige Innenminister Uwe Schünemann (CDU). (jk)