Britischer Provider widersetzt sich Sperrwünschen der Musikindustrie

Der Chef von TalkTalk will sich vom britischen Verband BPI nicht zum Netzpolizisten machen lassen und erteilte den Wünschen der Musiklobby, wiederholt durch illegales Filesharing aufgefallene Kunden vom Netz zu trennen, eine klare Absage.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 138 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Der drittgrößte britische Telekommunikationsanbieter TalkTalk widersetzt sich der Musikindustrie, die von den Providern weit reichende Maßnahmen gegen die illegale Verbreitung von Musik über das Internet fordert. Die britischen Zugangsanbieter sollen nach dem Wunsch des Musikindustrie-Verbandes BPI durch die Verbreitung illegaler Kopien aufgefallene Kunden verwarnen und beim dritten Verstoß vom Netz abklemmen, heißt es in britischen Medienberichten. Als einer der betroffenen Provider hat sich TalkTalk nun öffentlich dagegen ausgesprochen.

Charles Dunstone, CEO von TalkTalk-Mutterkonzern Carphone Warehouse, will sich nicht zur "Internet-Polizei" der Film- und Musikindustrie machen lassen und damit die Rechte seiner Kunden beschneiden. "Die Musikindustrie hat durchweg versagt, sich dem Wandel der Technik anzupassen und will ihre Probleme nun auf andere abwälzen", erklärte Dunston. "Statt uns zu drohen, sollte BPI die Zeit besser darauf verwenden, die Realität zu akzeptieren und das Geschäftsmodell entsprechend anzupassen."

"Ich kann mir keine Umstände vorstellen, unter denen wir einen Kunden aufgrund der Vorwürfe eines Dritten abschalten", stellt Dunston klar. Für TalkTalk seien die Vorschläge des Verbandes unangemessen und nicht umsetzbar. Das Unternehmen werde "jedes praktische und rechtliche Mittel zur Verteidigung seiner Kunden" einsetzen, heißt es in einer Erklärung. Der Provider habe BPI schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass er Daten seiner Kunden unter keinen Umständen freiwillig an die Musikindustrie herausgeben werde.

In einer Stellungnahme wies der Verband die Kritik zurück. TalkTalk wolle wohl die Position der Musikindustrie verzerrt darstellen oder habe sie einfach nicht verstanden, mutmaßt BPI-Chef Geoff Taylor. Es gehe darum, Künstler auch im digitalen Zeitalter eine faire Vergütung zukommen zu lassen. Der Verband glaube, dass sich zusammen mit den Providern "erstklassige, sichere und legale digitale Musikangebote" entwickeln lassen. Dies könne aber nicht funktionieren, wenn die Zugangsanbieter das Problem des illegalen Filesharings ignorierten.

"Wir verlangen von den ISPs nicht, als Polizei aufzutreten", schreibt Taylor weiter. "Jeder sozial verantwortlich handelnde ISP sollte Maßnahmen zum Schutz seiner Kunden vor illegalen Aktivitäten ergreifen und jene abschrecken, die bewusst Gesetze brechen." Von einem Internet, in dem geistiges Eigentum respektiert und Kreativität fair entlohnt werde, könnten alle profitieren. Auch TalkTalk solle sich daran beteiligen.

TalkTalks schroffe Abfuhr ist bisher die schärfste Reaktion, die sich die Musikindustrie bei den Providern abgeholt hat. Die Zugangsanbieter stehen auch unter Druck seitens der Regierung, die zwar eine freiwillige Regelung bevorzugt, aber auch mit gesetzlichen Maßnahmen droht. Der BPI führt Gespräche auch mit Virgin Media und Orange. Grundsätzlich ist auch TalkTalk zu Gesprächen bereit, denn neue Gesetze würde die Branche gerne vermeiden. Allerdings geht dem Provider die Drei-Verstöße-Regel zu weit. Sicher, so lässt ein Sprecher verlauten, könne sich der BPI noch etwas Besseres einfallen lassen.

Auch in Deutschland und anderswo richten sich die Begehrlichkeiten der Musikindustrie auf die Zugangsanbieter. Die Verbände drängen auf verschiedenen politischen Bühnen darauf, die Provider für Urheberrechtsverstöße im Internet in die Verantwortung zu nehmen. Während sich die Justiz hierzulande verstärkt gegen solche Begehrlichkeiten zur Wehr setzt, fallen sie in Berlin und Brüssel auf fruchtbareren Boden. (vbr)