Kampf gegen Leaks: "Obama ist schlimmer als George W. Bush"

Nun ist auch der vollständige Bericht zum Umgang der US-Regierung mit Informanten in den eigenen Reihen veröffentlicht worden. Er erläutert detailliert, mit welchen Mitteln die Regierung unter Barack Obama die Arbeit der Presse behindert.

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Der verschärfte Kampf der aktuellen US-Regierung gegen Leaks behindert Teile der Presse massiv bei ihrer Arbeit. Diese wichtigste Schlussfolgerung eines Berichts des Comittee to Protect Journalists war zwar vorab bekannt geworden, wird aber nun durch weitere Einzelheiten in dem veröffentlichten Dokument untermauert. Darin wird erklärt, wie das massive Vorgehen gegen Quellen aus dem Staatsapparat Kollegen verunsichert und Pressekontakte erschwert oder ganz verhindert. In Bezug darauf, wie die Regierung Berichte zu vereiteln suche, in denen Behörden zur Rechenschaft gezogen werden, sei sie sogar "viel schlimmer als die Bush-Regierung", meint Ellen Weiss von den Zeitungen der E. W. Scripps Company.

Anhand mehrerer Beispiele aus den vergangenen Jahren untermauert Leonard Downie, ehemaliger Chefredakteur der Washington Post und Autor des Berichts, diese Vorwürfe. Gleich zu Beginn weist er darauf hin, dass unter Obama gegen sechs Staatsangestellte und zwei Auftragnehmer (darunter Edward Snowden) auf Basis eines Anti-Spionage-Gesetzes von 1917 (Espionage Act) ermittelt wurde oder wird. In allen Vorgänger-Regierungen waren es zusammen gerade einmal drei. Und derzeit würden sogar noch weitere Ermittlungen vorbereitet.

Angesichts dieses Vorgehens gebe es ein wirkliches Problem, wenn man für seine journalistische Arbeit auf interne Quellen angewiesen ist. Die meisten würden durch solche Verfahren abgeschreckt, erklärt Scott Shane von der New York Times: "Sie fürchten sich zu Tode." Seiner Meinung nach gibt es eine Grauzone zwischen geheimen und öffentlichen Informationen, in der sich solche Informanten bewegt hätten. Nun hätten sie Angst, sich in diese Grauzone zu begeben. Gleichzeitig würden Regierungssprecher nicht oder sogar feindlich auf offizielle Anfragen reagieren.

Bei Auftritten in Jay Lenos Tonight Show muss Obama keine kritischen Fragen fürchten.

Parallel zu diesem fast pressefeindlichen Vorgehen sei die Obama-Regierung aber auch bekannt dafür, soziale Netzwerke zu nutzen, über die Informationen direkt an die Bevölkerung gehen. Damit werde die Presse umgangen, gleichzeitig aber gezielt ausgewählt, was die Öffentlichkeit erfahren darf und wie. Zwar sei ein offener Dialog zwischen Gesellschaft und Regierung ohne zwischengeschaltete Filter prinzipiell gut, nicht aber, wenn diese Möglichkeit für Propaganda genutzt werde, meint der ehemalige CNN-Reporter Frank Sesno. Obama selbst hatte im März über diesen Vorwurf gewitzelt: Er habe ihn verstanden und wolle sich dafür entschuldigen – per exklusivem Video auf whitehouse.gov.

In dem Bericht gibt es Überblicke über die verschiedenen Fälle, in denen die Obama-Regierung juristisch gegen Informanten und Journalisten vorgegangen ist oder noch vorgeht. Einige wurden aber von der Bush-Regierung "geerbt". In einem Fall etwa wurde ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter festgenommen, weil er angeblich James Risen von der New York Times Dokumente über die Sabotage des iranischen Atomprogramms zukommen ließ. Risen soll nun gezwungen werden, den Vorwurf zu bestätigen, der auf Basis von Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten erhoben wird. Der Journalist widersetzt sich seit Jahren und hat geschworen, eher ins Gefängnis zu gehen, als seine Quelle zu nennen.

Zu den Fällen, in denen es um einzelne Personen ging, kommen Ermittlungen, wie sie gegen die Nachrichtenagentur AP angestrengt wurden. Um ein Leak zu finden, wurden 20 Telefonanschlüsse und die darüber laufenden privaten und beruflichen Anrufe überwacht. Associated Press wurde darüber nicht in Kenntnis gesetzt, wie es früher die Praxis war. So konnte die Agentur auch nicht juristisch dagegen vorgehen oder sicherstellen, dass nur verdächtige Personen ins Visier gerieten.

Barack Obama möchte allein entscheiden, welches Bild die Öffentlichkeit von ihm hat.

(Bild: whitehouse.gov)

Äußerst problematisch sei außerdem die Tatsache, dass immer mehr Dokumente als geheim eingestuft werden. So hätten etwa die von Wikileaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen gezeigt, dass darin veröffentlichte Zeitungsartikel als geheim klassifiziert worden waren. Im Jahr 2011 bekamen mehr als 4 Millionen US-Amerikaner die Sicherheitsfreigabe, die nötig ist, um geheime Dokumente einzusehen. Ein Jahr zuvor war 92 Millionen Mal die Entscheidung getroffen worden, etwas als geheim zu markieren.

Schließlich werden in dem Bericht noch mögliche Probleme erläutert, die ein neues Schutzgesetz bringen könnte, das eigentlich Journalisten absichern soll. Entscheidend sei etwa, ob und wie darin der Beruf des zu schützenden Journalisten definiert werde. Es bestehe die Gefahr, dass durch eine Eingrenzung quasi eine staatlich genehmigte Presse geschaffen werden könnte. (mho)