"Die NSA-Spionage macht uns weniger sicher"

Der IT-Sicherheitsexperte Bruce Schneier über seine Arbeit mit dem Snowden-Material – und die Frage, was Normalnutzer gegen die zunehmende Schnüffelei tun können.

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Von
  • David Talbot

Der IT-Sicherheitsexperte Bruce Schneier über seine Arbeit mit dem Snowden-Material – und die Frage, was Normalnutzer gegen die zunehmende Schnüffelei tun können.

Schneier, weltbekannter Security-Forscher und Kryptographie-Experte, hat seit einigen Wochen einen Nebenjob: Er hilft der britischen Zeitung "The Guardian" beim Auswerten der Dokumente von Edward Snowden. Im Interview spricht er über das Ausmaß des Überwachungsskandals und über mögliche Gegenmaßnahmen.

Technology Review: Mr. Schneier, was haben uns die Snowden-Dokumente verraten, was wir nicht schon vorher wussten?

Bruce Schneier: In der Sicherheits-Community haben wir schon ziemlich genau das vermutet, was Snowden nun offenbart hat. Aber vorher gab es nur wenig Indizien und keine Beweise. Diese Enthüllungen zeigen, wie robust und umfassend die NSA-Überwachung ist und in welchem Maß die NSA das gesamte Internet kontrolliert. Wir sehen, dass die NSA Daten von allen Cloud-Anbietern sammelt, die wir nutzen: Google und Facebook ebenso wie Apple, Yahoo und andere. Wir sehen, dass die NSA Partnerschaften mit allen wichtigen Netzbetreibern der USA und vielen anderen in der Welt pflegt, um Daten direkt am Backbone einzusammeln.

Wir sehen, wie die NSA gezielt Verschlüsselungen unterwandert, indem sie Geheimabkommen mit den Herstellern von Kryptografie-Software schließt. Die wirklichen Details und die tatsächlichen Programme zu sehen ist etwas ganz anderes, als theoretisch darüber Bescheid zu wissen.

TR: Wie betrifft die Schnüffelei einen durchschnittlichen Menschen?

Schneier: Die NSA-Aktionen machen uns alle weniger sicher. Sie spionieren nicht nur die Bösen aus, sondern machen das Internet für jeden weniger sicher – auch für die Guten. Es ist der reine Irrsinn zu glauben, dass nur die NSA die Sicherheitslücken ausnutzen kann, die sie verursacht. Außerdem baut die Behörde die Infrastruktur für einen Überwachungsstaat auf.

So weit sind wir zwar noch nicht. Aber wir haben herausgefunden, dass sowohl Drogenfahndung als auch die US-Steuerbehörde Abhördaten der NSA bei der Strafverfolgung nutzen und dies dann vor Gericht leugnen. Diese Macht ohne Rechenschaft ist auf einer sehr fundamentalen Ebene gefährlich für die Gesellschaft.

TR: Es hat viele Andeutungen gegeben, dass die NSA versucht, Hintertüren in Software einzubauen. Was ist daran real?

Schneier: Wir wissen nicht, wie weit dies geht. Wir wissen nur, dass es geschieht. Gezielte Schwächung der Verschlüsselungsalgorithmen, Aufweichung von Zufallszahlengeneratoren, Kopien von Master-Schlüsseln – alles. Ich weiß allerdings nicht, welche Produkte betroffen sind und welche nicht. Das ist wahrscheinlich am frustrierendsten daran. Wir haben keine andere Wahl, als allem zu misstrauen.

TR: Na toll. Sie haben kürzlich fünf Tipps gegeben, wie man es schwieriger – wenn auch nicht unmöglich – machen kann, ausspioniert zu werden. Dazu gehören verschiedene Verschlüsselungstechniken und Methoden, den Aufenthaltsort zu verschleiern. Ist das die Lösung?

Schneier: Meine fünf Tipps sind Mist. Sie sind nichts, was ein Durchschnittsmensch nutzen kann. Einer davon war, das Verschlüsselungsprogramm PGP zu nutzen. Aber meine Mutter kann nicht mit PGP umgehen. Vielleicht werden einige Ihrer Leser meine Tipps anwenden, aber die meisten Menschen nicht. Im Grunde genommen ist der durchschnittliche Anwender aufgeschmissen.

Sie können ihm nicht einfach sagen: "Benutze Google oder Facebook nicht!" – das ist ein nutzloser Rat. Das ist wie der Tipp: "Nutze keine Kreditkarten". So etwas funktioniert in der realen Welt nicht. Das Internet ist für unser Leben unerlässlich geworden, und es wurde zu einer gigantischen Überwachungsplattform zersetzt. Lösungen dafür können nur politisch sein. Der beste Rat für den Durchschnittsmenschen ist, für politischen Wandel einzutreten. (bsc)