Maschinen aus DNA

Origami ist die uralte japanische Kunst des Papierfaltens. Nun übertragen Biotechnologen das Prinzip auf DNA und schaffen nanometerkleine Objekte. Was erst wie Spielerei anmutete, lässt Science-Fiction-Träume wahr werden.

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Von
  • Jens Lubbadeh

Origami ist die uralte japanische Kunst des Papierfaltens. Nun übertragen Biotechnologen das Prinzip auf DNA und schaffen nanometerkleine Objekte. Was erst wie Spielerei anmutete, lässt Science-Fiction-Träume wahr werden.

Wenn man es nicht mit eigenen Augen sähe, man würde es nicht glauben. In nur einer halben Stunde verwandelt Jo Nakashima ein schnödes Blatt Papier in Yoda, den legendären Jedi-Meister aus „Star Wars“. In einem YouTube-Video zeigt der Japaner, wie man das Papier genau 59-mal falten muss, damit daraus das kleine Origami-Kunstwerk entsteht – selbstverständlich ohne Schere oder Kleber zu Hilfe zu nehmen. Solche „Tricks“ sind in der jahrhundertealten japanischen Kunst streng verpönt. Ob Yoda, Raumschiffe, Kraniche, Dinosaurier oder Blumen – kaum etwas, das Origami-Künstler nicht aus Papier falten können.

Paul Rothemund war kein Kenner oder Anhänger der Papierfaltkunst, als er im Jahr 2006 nach einem geeigneten Begriff suchte, um das, was er gerade getan hatte, möglichst treffend zu beschreiben: Rothemund hatte aus einem DNA-Strang, also dem Molekül, auf dem die Erbgutinformation enthalten ist, eine Smiley-Figur gefaltet, 900000-mal kleiner als der papierene Yoda. DNA-Origami taufte der Biotechniker vom California Institute of Technology in Pasadena seine neue Technik. „Der Ursprung des Wortes war mir damals gar nicht so bewusst“, erzählt Rothemund rückblickend. „Im Amerikanischen nutzen wir ,origami‘ als Verb, wenn es darum geht, etwas Komplexes zu falten.“ „Oru“ heißt falten, und „kami“ bedeutet Papier. „Insofern macht das Wort bezogen auf DNA eigentlich gar keinen Sinn“, sagt Rothemund und lacht.

Sein Produkt dafür umso mehr. Es war wohl das erste Mal, dass auf dem Cover des altehrwürdigen Wissenschaftsmagazins „Nature“ groß und gelb ein Smiley prangte. Er passt zu Rothemund, der ein sehr humorvoller Typ ist. Aber der Smiley war mehr als nur PR: „Er war kompliziert zu bauen – eine Scheibe mit drei Löchern. Ich wollte damit zeigen, was die Technik alles kann.“ Rothemund war zwar nicht der Erste, der das Erbgutmolekül zielgerichtet gefaltet hatte. Aber eine solch komplexe Figur – das war eine Premiere. Zumal Rothemund noch eine einfache Anleitung präsentierte, mit der man nun DNA-Origami auf jede beliebige zweidimensionale Form anwenden konnte.

Jeder Smiley war 100 Nanometer breit und damit ein Tausendstel so dick wie ein menschliches Haar. Die „Pixelgröße“ entsprach der Größe eines DNA-Kettengliedes: sechs Nanometer. Rothemund faltete noch mehr aus DNA, zum Beispiel eine Karte des amerikanischen Kontinents sowie verschiedene geometrische Figuren. „Das Tolle am DNA-Origami ist, dass wir damit Figuren und Muster im Nanobereich durch simple Selbstorganisation der Moleküle bauen können“, sagt Rothemund (siehe Kasten). Das geht, weil DNA sich chemisch völlig vorhersehbar verhält – anders als zum Beispiel Proteine. Die wären interessanter für die Nanokonstrukteure, weil sie chemische Reaktionen ausführen können oder andere interessante Funktionen besitzen. „Mit dem DNA-Gerüst verfügen wir nun über eine Basis, an die wir funktionale Einheiten und zusätzliche Eigenschaften anheften können – und zwar gezielt.“ Beispielsweise Proteine oder Nanotubes. Dafür versieht man sie mit einem DNA-Schnipsel, der sie wie ein Klettverschluss mit dem Origami-Gerüst verbindet.

Damit rückt eine alte Vision der Nanotechnologie näher: 1986 hatte der Nano-Visionär Kim Eric Drexler die Idee vom Nano-Assembler aufgebracht, einem nanometerkleinen Apparat, der jede beliebige Struktur aus ihren atomaren Bausteinen von Grund auf bauen kann. „DNA-Origami ist natürlich noch kein Nano-Assembler“, sagt Rothemund. „Aber wir haben damit nun die Möglichkeit, winzigste Dinge gezielt irgendwo zu platzieren – egal ob es elektronische Komponenten oder chemische Verbindungen sind. Und dafür müssen wir sie weder berühren noch irgendwelche Maschinen benutzen.“

(jlu)