Das BKA berichtet aus der unsicheren digitalen Welt

Der Tatort Internet hat viele Facetten, meint das BKA, und beschäftigt sich auf seiner Herbsttagung nach den Themen Terrorismus im Netz und Online-Durchsuchung auch mit "gewöhnlichem" Cybercrime, mit Kinderpornografie und mit dem sozialen Web.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Nachdem das Internet in seinen terroristischen Dimensionen ausgelotet, die Notwendigkeit von Online-Durchsuchung und Datenspeicherung vom BKA-Chef festgestellt worden war, beschäftigte sich die BKA-Herbsttagung mit der "gewöhnlichen" Computerkriminalität, der Kinderpornografie und dem sozialen Web: Der Tatort Internet hat viele Facetten.

Die Jahreszahlen, die das BKA auf seiner Herbsttagung bekannt gab, sprechen eine deutliche Sprache: 165.720 Straftaten wurden 2006 in Deutschland begangen, bei denen das "Tatmittel Internet" benutzt wurde. Verglichen mit den Zahlen des Vorjahres nahm die "Fälschung beweiserheblicher Daten und Täuschung im Rechtsverkehr bei der Datenverarbeitung" um satte 143,1 Prozent zu. 3500 Phishing-Fälle wurden aufgedeckt, mit Schadenssummen von jeweils 2000 bis 3000 Euro. Für die Polizei in der digitalen Welt gibt es also Arbeit genug, ganz ohne Bombenbauanleitungen und dem Besuch der Fernuniversität Internet.

Humorig erzählte Alltagsgeschichten von Phishern und Bauernfängern präsentierte Kriminalhauptkommissar Mirko Manske, auch wenn einige der Geschichten sehr dick aufgetragen schienen. Kinder, die gezielt gesperrte Ports an der eingebauten Firewall des Routers öffnen, um Spiderman 3 saugen zu können, oder Antivirenprogramme, die nur mit Hilfe von Signaturen Schadsoftware erkennen, und ähnliche Dönekens sollten die Mär vom furchtbaren Internet unterstützen. "Das gemeine an moderner Schadsoftware ist, dass die Software on demand für den jeweiligen PC zusammengebaut wird. Keine dieser Malware gleicht einer anderen, sodass die Signaturen niemals stimmen", beschrieb Manske die Methode, mit der möglicherweise auch der "Bundestrojaner" arbeiten wird: Der PC wird mit kleinen Programmen infiziert, die sich erst hinter dem Firewall zum schädlichen Trojaner zusammensetzen. Das Fazit des Kriminalisten: "Kann man im Internet überhaupt etwas glauben? Im Zweifelsfall nein."

Im Anschluss an die spaßige Praxis kam die düstere Kehre. Der norwegische Superindendent Björn-Erik Ludvigsen erläuterte, wie die europäischen Polizeien bei der Bekämpfung der Kinderpornografie zusammenarbeiten. Eine allgemeine Einführung in die Arbeit des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI folgte, ehe Wolfgang Bär, Richter am Oberlandesgericht Bamberg, einen Streifzug durch das Strafrecht für die digitale Welt unternahm. Das Mithören von Skype-Telefonaten, die Vorratsdatenspeicherung ebenso wie die Online-Durchsicht eines Computers und selbst die Online-Durchsuchung in Form einer andauernden Überwachung eines Rechners sah Bär von den bestehenden Paragraphen des Strafrechtes gedeckt. Offene juristische Probleme sah Bär vor allem in der Verfolgung von Straftaten in Second Life, der Meinungsäußerung in Blogs und bei offenen WLANs, bei denen die unter Strafe gestellten Hackertools nicht einmal eingesetzt werden müssten, um Internet-Zugang zu bekommen. Henrik Kaspersen, Jurist an der Freien Universität Amsterdam machte deutlich, wie zäh die Cybercrime Convention als gesamteuropäisches Recht vorankommt.

Ziemlich zum Ende des zweiten Veranstaltungstages referierte die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm über das Web 2.0 und die sozialen Netzwerke. Sie war die einzige, die die positiven Seiten des Internet herausstellte und den Spaß am Mitmachweb vermittelte, auch wenn Themen wie das Cyber Mobbing oder Kinderpornografie in Second Life zur Sprache kamen. Am Beispiel des vermeintlichen Kölner Amoklaufes konnte Thimm zeigen, wie problematisch die Gesellschaft auf das Web 2.0 reagiert. Beide Jugendlichen hätten im Internet Details über ihren Plan veröffentlicht, es aber versäumt, sich ausreichend klar von dem Amoklauf-Plan zu distanzieren. Für Thomas Bliesener von der Universität Kiel waren sie darum die prototypischen Opfer der digitalen Welt. Gerade für wenig gefestigte Jugendliche können Angebote wie MySpace und SchülerVZ gefährlich sein, da dort die "Vikitmisierungsrate durch Cyberbullying" hoch sei. Bliesener forderte die Kriminalisten auf, auch für das Internet eine opferorientierte Präventionsarbeit ähnlich der polizeilichen Aufklärung über Drogengefahren einzuführen.

Siehe zur Herbsttagung des BKA auch:

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Detlef Borchers) / (jk)