Arbeitsgruppe zu Kinderporno-Sperren ergebnislos vertagt [Update]

Das Bundesfamilienministerium will eine rasche Befassung des Bundeskabinetts mit der geforderten Vereinbarung zu Web-Blockaden gegen Kinderpornographie herbeiführen, einen Gesetzesentwurf aber weiterhin vorerst nicht präsentieren.

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Trotz hohen Drucks aus dem Bundesfamilienministerium und dem Innenressort haben Internetprovider bei einer weiteren Sitzung der eingerichteten Arbeitsgruppe zu "Access Blocking" am heutigen Freitag in Berlin die von der Politik geforderte Vereinbarung zu Web-Blockaden von Kinderpornographie nicht unterzeichnet. Die Gesprächsrunde endete eine halbe Stunde früher als geplant, wobei beide Seiten laut Teilnehmerbekunden "gerade noch um einen Eklat herumgekommen sind". Die Gespräche in der großen Runde sollen jetzt am 13. März fortgesetzt werden.

Bis dahin will das Familienministerium erreichen, dass sich das Bundeskabinett mit dem Vertragsentwurf "über die Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten im Internet" beschäftigt und so eine gemeinsame Position der Bundesregierung herbeiführen. Bisher haben sich in dem Streit um die von den meisten Zugangsanbietern geforderte gesetzliche Grundlage für Websperren nur Unions-geführte Ministerien öffentlich zu Wort gemeldet. Im Familienministerium wird bezweifelt, dass ein gemeinsamer Gesetzesentwurf noch vor der Bundestagswahl im Herbst auf den Weg gebracht werden kann.

[Update: Das Bundesjustizministerium fühlt sich in der Auseinandersetzung unterdessen übergangen. "Wir haben erst Ende vergangene Woche den Vertragsentwurf erhalten", erklärte eine Sprecherin der Behörde gegenüber heise online. Vorher sei das Haus von Ministerin Brigitte Zypries (SPD) "ausdrücklich nicht an den Beratungen beteiligt gewesen" und habe darüber erst aus der Presse erfahren. Man werde das Vorhaben nun gründlich auf datenschutz- und verfassungsrechtliche Fragen prüfen.]

Zu Beginn der Sitzung schien es nach Teilnehmerangaben, als ob sich nach Vodafone auch die Deutsche Telekom entgegen massiver Bedenken von Juristen bereit erklären würde, eine "freiwillige" Vereinbarung trotz ungeklärter technischer sowie rechtlicher Problemen zu unterzeichnen. Dazu kam es dann aber nicht. Schon bei einem parlamentarischen Abend der Telekom in Berlin am Donnerstag vor einer Woche hatte von der Leyen gehofft, ihr Anliegen Telekom-Chef René Obermann bei einem Glas Wein direkt vorbringen zu können. Der Konzernchef hatte sich aber wegen Krankheit entschuldigen lassen, was anwesende Konkurrenten als "Kneifen" werteten.

Generell soll das Familienministerium die großen Provider massiv bearbeiten. So wurde dem Justiziar eines Zugangsanbieters, der das Sperrvorhaben sehr kritisch sah, nach Informationen aus Branchenkreisen zwischenzeitlich die Zuständigkeit für den Themenbereich entzogen. Mit weiteren "Einzelmassagen" rechnen die beteiligten Provider, zu denen neben Telekom und Vodafone etwa auch 1&1, Alice/Hansenet, Freenet, Kabel Deutschland sowie O2/Telefonica gehören, nun vor dem nächsten Treffen.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco hat unterdessen einen Alternativ-Vorschlag für ein Sperrabkommen ins Spiel gebracht, der heise online vorliegt. Damit soll die Verpflichtung der Zugangsanbieter an eine gesetzliche Regelung gekoppelt werden. Das Bundeskriminalamt (BKA) wird in dem Gegenentwurf angehalten, seine Filterliste so zu erstellen, "dass eine mögliche Beeinträchtigung der Rechte unbeteiligter Dritter auf das unvermeidbare Minimum begrenzt wird". Auch die von der Politik gewünschte "Stopp-Seite", auf die Surfer bei einem Listentreffer umgeleitet werden sollen, möchten die Provider vom BKA betrieben wissen.

Um von der Leyen eine Brücke zu schlagen, enthält das Papier eine Klausel, dass die Provider bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes bereits an technischen Lösungen für eine von Experten als weitgehend wirkungslos erachtete Sperrung über das Domain Name System (DNS) arbeiten. Größere Zugangsanbieter rechnen mit einer Implementierungszeit für die tiefen Einschnitte in ihre Netzinfrastrukturen von bis zu sechs Monaten. Innerhalb dieser Zeit könne der Bundestag umfängliche Rechtssicherheit für alle Seiten in Fragen möglicher Grundrechtseingriffe oder der Haftung herstellen. Von diesem Ansatz will von der Leyen bislang aber nichts wissen. Einen gesonderten Gesprächstermin mit dem eco in dieser Woche lehnte die Ministerin aus Zeitmangel ab.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (vbr)