Grünes Licht für Meeresdüngung

Das Bundesforschungsministerium hat nun doch grünes Licht für das umstrittene Meeresdüngungs-Experiment LOHAFLEX gegeben.

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Folgt man dem Kurs von "Polarstern", hat das Forschungsschiff in den vergangenen Tagen eine größere Ehrenrunde gedreht, um dann doch wieder Position auf 48° südlicher Breite und 15° 30' westlicher Länge zu beziehen.

(Bild: AWI)

Das Bundesforschungsministerium hat nun doch grünes Licht für das umstrittene Meeresdüngungs-Experiment LOHAFLEX gegeben. Das Ministerium gab heute bekannt, dass man nach Auswertung von unabhängigen wissenschaftlichen und juristischen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das Eisendüngungsexperiment LOHAFEX weder gegen Umweltstandards noch gegen geltendes Völkerrecht verstoße.

Anfang Januar war das Forschungsschiff "Polarstern", das vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) betrieben wird, mit einem internationalen Wissenschaftlerteam in antarktische Gewässer aufgebrochen, um den Effekt der Meeresdüngung in einem groß angelegten Experiment zu testen. Auf einer Fläche von 300 Quadratkilometern sollen dabei 20 Tonnen Eisensulfat ausgebracht werden. Laut Nature News war das Umweltministerium vorab von dem Projekt informiert worden und hatte keine Einwände erhoben. Die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention hatten sich allerdings im Sommer 2008 in Bonn darauf geeinigt, solche Experimente vorerst auszusetzen. Nach Protesten von Umweltschützern hatte das Umweltministerium daher das Forschungsministerium veranlasst, das Experiment zu stoppen. Die Wissenschaftler sollten zunächst nachweisen, dass das Experiment nicht gefährlich ist.

Die Gutachten, die das AWI beibringen konnte, haben das Forschungsministerium nun offenbar überzeugt. "Wir sind natürlich erleichtert über den Rückhalt aus dem Bundesforschungsministerium", kommentierte Professor Karin Lochte, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts. Diese Rückendeckung sei auch international ein wichtiges Signal für die Wissenschaft, weil sie zeige, "dass die deutsche Forschung selbst in einer schwierigen politischen Situation ein verlässlicher Partner bleibt". Diese Entscheidung ist auch für die indischen Partner vom National Institute of Oceanography von großer Bedeutung, die dieses Experiment personell und finanziell zur Hälfte tragen, und für die dieses Experiment ein wichtiger Beitrag zur deutsch-indischen Kooperation ist.

Das Forschungsschiff "Polarstern" unter Fahrt

(Bild: AWI)

Nach mehrtägigen Voruntersuchungen hat das Wissenschaftlerteam nach Angaben des AWI inzwischen einen für das Experiment geeigneten geschlossenen Ozeanwirbel gefunden. Im Zentrum dieses Wirbels wird so bald wie möglich eine Treibboje mit Peilsendern ausgebracht. Von diesem Punkt aus wird Polarstern in den nächsten Tagen dann in spiralförmigen Windungen gelöstes Eisensulfat in den oberen 15 Metern der Wasserschicht verteilen. Unmittelbar nach Abschluss des Eiseneintrags werden im Zentrum des gedüngten Bereichs zahlreiche biologische, chemische und physikalische Parameter kontinuierlich gemessen und ökologische Veränderungen in allen Schichten der Wassersäule – von der Oberfläche bis zum Meeresboden in 3800 Metern Tiefe – über 40 Tage verfolgt.

In Gewässern, die zwar prinzipiell reich an Makro-Nährstoffen sind, denen aber Mikro-Nährstoffe wie Eisen fehlen, führt eine Meeresdüngung zu einer intensiven Algenblüte. Sterben die Algen ab und sinken auf den Meeresgrund, würde so ein Teil des aufgenommenen CO2 für längere Zeit aus dem Kohlenstoff-Kreislauf entfernt. Frühe Modellrechnungen haben ergeben, dass mit Eisendüngung 50 bis 100 ppm CO2 aus der Atmosphäre zu holen wären – neue Simulationen, die mehr biochemische Prozesse berücksichtigen, haben aber eher einen Effekt in einer Größenordnung von 10 ppm ergeben. In den vergangenen Jahren sind unter dem Stichwort "Geo-Engineering" zahlreiche, teilweise recht phantastisch klingende Pläne zur großtechnischen Bekämpfung des Klimawandels vorgeschlagen worden: So soll die Erde etwa durch gigantische Sonnensegel im All beschattet werden, die Ozeane gedüngt, Wolken künstlich aufgehellt oder Tonnen von Schwefel in die obere Atmosphäre geblasen werden.

Das AWI sieht allerdings keinerlei Zusammenhang zwischen dem Experiment und solchen Plänen: "Wenn LOHAFEX jetzt durchgeführt wird, dann möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass unser Experiment aus rein wissenschaftlichen Fragen heraus entwickelt wurde, um die Rolle des Eisens im globalen Klimasystem besser zu verstehen", sagte Lochte. "Im Internet und in der internationalen Presse kursieren viele Berichte, die behaupten, das Alfred-Wegener-Institut führe das Experiment als Maßnahme zum Klimaschutz durch und wolle testen, ob durch Ozeandüngung der Atmosphäre Kohlendioxid in großem Maßstab entzogen werden kann. Das ist keinesfalls so."

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