Digital Life Design: Die Privatsphäre löst sich auf

Soziale Netzwerke, Cloud Computing und mobile Anwendungen für smarte Telefone waren einige der Themen der Konferenz des Burda-Verlages, die gestern zu Ende ging.

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Von
  • Detlef Borchers

Drei Tage lang versuchte die Konferenz Digital, Life, Design (DLD) und ihr Technik-Appendix "Technology Enables Success" unter dem Motto "Neue Realitäten" die Trends zu bestimmen, die das digitale Leben der nächsten Jahre prägen werden. Am Ende der Tagung war klar: Die sozialen Netzwerke gewinnen auf Kosten der Privatsphäre.

Auf der seit 2005 in München veranstalteten DLD-Konferenz des Burda-Verlages werden traditionell viele Themen behandelt, diesmal von der Mode über ökologisches Design bis zur neuen Frauenbewegung des 21. Jahrhunderts. Auch die Finanzkrise fehlte nicht und stellte mit einem Duett des Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann und des Bankenkritikers Nassim Taleb den intellektuellen Höhepunkt der Veranstaltung. Taleb forderte unter Verweis auf seine Arbeiten zur Statistik eine Verstaatlichung aller Banken und die Entlassung aller Banker und Wirtschaftswissenschaftler, die mit Finanzkonstrukten wie den Credit Default Swaps meinten, das Kredit-Risiko ausblenden zu können.

Unter IT-Gesichtspunkten dominierten soziale Netzwerke, das Cloud Computing und mobile Anwendungen für smarte Telefone die Agenda der Doppelkonferenz. Das zentrale Thema setzte Jürgen Scriba, der ehemalige Computerredakteur des Spiegels, als Künstler anschaulich in Szene. Er fotografierte alle 800 Teilnehmer der Konferenz in einer Vereinzelungsschleuse und erstellte daraus mit seinen Mitarbeitern ("150 Stunden Photoshop mit Schokolade und Kaffee") ein Wimmelbild von 60 Gigapixeln in der Tradition von Ali Mitgusch. Dabei freute er sich besonders, dass die Namen der Teilnehmer auf großen Badges gut zu lesen waren. Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, muss identifizierbar sein, lautet Scribas künstlerisches Credo, das mit sogenannten Timescapes zeitgenössische Überwachungsprojekte nachbildet. Den Gegenpart zu Scriba besetzte David Weinberger mit einem Referat zum Wissen im Zeitalter des informationellen Überflusses. "Die absolute Kontrolle skaliert nicht, oder, wenn es doch versucht wird, nur unter enormen Kosten", lautete zusammengefasst seine Botschaft.

Unklar ist, ob Weinberger das soziale Netzwerk Facebook kennt. Der Referent wurde wie das Gros der DLD-Teilnehmer von Limousinen eines Sponsors nach dem Vortrag direkt zum Weltwirtschaftsforum nach Davos gebracht, wo Facebook einen werbeträchtigen Auftritt haben wird. Die Firma stand gleich in mehreren Diskussionsrunden der Konferenz im Zentrum der Debatten, etwa bei der Diskussionsrunde über Internet Politics (Netzpolitik.org berichtet hier) oder auf der Unterkonferenz "Technology enables Success": Dort bekannte Martin Buhr von Amazon, dass Amazons Elastic Computing Cloud (EC2) bei 40 ausgelasteten Instanzen dümpelte, bis Facebook damit begann, Leistungen anzumieten. In kürzester Zeit lief das System mit 5000 Instanzen und konnte auch Rückschläge spielend überwinden. "Facebook stammt eben nicht aus den Tagen der alten IT, in denen man konventionell einen Server bei einem Provider anmietete."

Den Schlusspunkt der Konferenz bildete folgerichtig ein Auftritt des 1984 geborenen Facebook-Gründers Mark Zuckerberg. Der "Adiletten-Geek" Zuckerberg wurde von David Kirkpatrick von Fortune freundlich interviewt. Stolz verkündete Zuckerberg zunächst, dass in Deutschland über 2 Millionen Facebook-Nutzer registriert sind. Damit hat sich Facebook innerhalb Deutschlands in einem Jahr vervierfacht und ist zum härtesten Konkurrenten des Facebook-Clones StudiVZ und von Wer-kennt-Wen aufgestiegen.

Die Fragen seines Gesprächspartners, wie Facebook den Datenschutz im besonders kritischen Deutschland berücksichtige, bügelte Zuckerberg unter Verweis auf die Rolle der Facebook-Nutzer ab. Wer Daten mit anderen Nutzern teilt, muss darauf vertrauen, dass diese die freigegebenen Daten nicht wiederum mit anderen teilen oder eben selbst möglichst wenig Daten eingeben. Die Frage, ob Facebook die Daten an Behörden weitergibt, ließ Zuckerberg offen und behauptete stattdessen, dass "Sharing" immer vom Gegenüber mit "Caring" beantwortet werden müsse. Werde Missbrauch etwa mit Fotos betrieben, müsse der Nutzer sein persönliches Netzwerk auf die Menschen beschränken, die man wirklich kenne.

Die Frage des Datenschutzes in sozialen Netzwerken blieb solchermaßen im Raum stehen. Vergessen wird sie nicht. Sie steht beispielsweise auf der Agenda der Unterkonferenz PrivacyOS die anlässlich der Konferenz re:publica'09 in Berlin veranstaltet wird. Dort will man vom 1. bis 3. April "IT-Rechtsexperten und IT-Techniker, Hersteller von IT-Produkten oder IT-Services sowie Datenschutzbehörden" zu einem Diskurs über Datenschutz in Softwareprodukten versammeln, wie es in der Ankündigung heißt. Und nicht zuletzt wird heute der dritte Europäische Datenschutztag begangen, an dem auch das Verhalten von Heranwachsenden in sozialen Netzwerken thematisiert wird. (Detlef Borchers) / (anw)