Großbritannien: Umstrittene Kinderdatenbank ohne Kinder von Prominenten

Die Datenbank "Contactpoint" soll Behörden helfen, sich besser abzustimmen, insbesondere wenn es um die Betreuung von gefährdeten Kindern geht. Erfasst wird aber offenbar nicht jedes Kind.

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Von
  • Thomas Pany

Daten von elf Millionen Kindern sind in der kürzlich aktivierten britischen Datenbank Contactpoint registriert. Seit Montag können Ärzte, Sozialarbeiter und Polizisten Namen, Adresse, Geburtsdatum, den Namen des zuständigen Allgemeinarztes und der Schule prinzipiell jedes Minderjährigen aus Großbritannien in dieser Datenbank nachschauen, wie der Guardian berichtete. Seither wird die Kritik an Contactpoint immer lauter. "Wenn das System so sicher ist, warum haben dann die Kinder von Prominenten – Parlamentsabgeordnete eingeschlossen – mehr Recht auf Privatheit?" – diese Frage stellt heute ein Kommentator der Zeitung Telegraph. Nach seinen Informationen sind Kinder Prominenter aus "Gründen der Diskretion" nicht im Contactpoint erfasst.

224 Millionen Pfund kostete die Datenbank. Sie ist eine Reaktion auf einen Mordfall, der sich im Jahre 2000 ereignete; eine Achtjährige war jahrelang von Verwandten missbraucht und schließlich zu Tode gequält worden. Dabei hatten Sozialbehörden, Ärzte und sogar die Polizei in dieser Zeit ständigen Kontakt zu dem Kind, so der Guardian.

Die neue Datenbank soll nun gerade solche Wahrnehmungs- und Versorgungslücken in der Arbeit der verschiedenen Ämter und Dienste verhindern. Seit Montag ist es nun einem Sozialarbeiter oder einem Polizisten, der mit einem "gefährdeten Kind" befasst ist, möglich, schnell zu erfahren, ob andere Ämter in Kontakt mit dem Kind stehen. Die Datenbank soll aber keine Information über Missbrauchsverdacht oder die Familiengeschichte enthalten. Der Download ist nach Informationen des Guardian nicht möglich.

Von Anfang an stand Contactpoint in der Kritik von Bürgerrechtsgruppen, Organisationen für Kinderrechte und dem britischen Datenschützer, dem Information Commissioner, der sich besorgt über das Ausmaß und die Funktion der Datenbank zeigte.

Deutliche Kritik kommt auch von der Association of Directors of Children's Services (ADCS), deren Abteilungsleiter für IT-Politik, Richard Stiff, bemängelte, dass es nicht klar sei, wer für die Sicherheitsüberprüfung und Überwachung des Systems verantwortlich ist, was dazu führen könne, dass sich jemand unerlaubt Zugang zu ContactPoint verschaffen könnte und nur eingeschränkt Konsequenzen aus dieser Handlung fürchten müsse.

Wiederholt wird von Kritikern auch das Argument vorgebracht, dass zentrale Datenbanken sich als teuere Regierungsvorhaben herausgestellt hätten, bei denen es immer wieder zu erheblichen Sicherheitslücken gekommen sei. Befürworter stellen dem gegenüber, dass diese Kinder-Datenbank eine der Empfehlungen der Kommission war, die den Fall der grausam zu Tode gekommenen Victoria Climbié genauer untersuchte; möglicherweise könnten durch eine bessere Abstimmung zwischen zuständigen Verantwortlichen für das Kind, etwa Schulen und Ärzte, Leben gerettet werden.

Im Herbst vergangenen Jahres sorgte der Fall "Baby P" für wochenlange, landesweite Aufregung in Großbritannien. Obwohl Ämter und Behörden, die sich um den Kinderschutz kümmern, dauernd in Kontakt mit dem 17 Monate alten Jungen und der Familie standen, starb das Kind an den Folgen von Schlägen und Vernachlässigung. In der fehlenden Kommunikation zwischen den einzelnen Stellen erkannten viele Beobachter eine der Hauptursachen für die Tragödie. Ob die Datenbank Contactpoint solche Fälle künftig vermeiden kann, ist die noch nicht beantwortete Frage. ()