Neue Internet-Adressen: .berlin und .wien gehen als erste Städte-Domains online

Noch in diesem Jahr sollen die beiden Städte-Domains ihren Platz im Internet bekommen. Unterdessen hat der Chef der Netzverwaltung sein Versprechen erneuert, die ICANN stärker international auszurichten.

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Von
  • Monika Ermert

.berlin und .wien bekommen noch vor Weihnachten einen eigenen Platz im globalen Netz. Nach acht Jahren Vorbereitung konnten die Geschäftsführer von dot.berlin, Dirk Krischenowski, und punkt.wien, Nikolaus Futter, am heutigen Montag auf der Konferenz new domains in München ihre Verträge mit dem Präsidenten der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) Fadi Chehadé unterschreiben.

v.l.: Chehadé, Krischenowski, Akram Atallah, ICANN-Präsident für generische Domains und Futter

(Bild: punktwien.at )

Nach einem technischen Test der Backbone-Registry – beide nutzen die Infrastruktur der nic.at, die auch die .at-Adresszone betreibt – können die beiden als erste Städte-Domains in die Rootzone und auf den Markt. Eine Top Level Domain (TLD) .berlin wird den Nutzer zwischen 29 und 49 Euro pro Jahr kosten. Die Registryverkaufspreise liegen bei 20 beziehungsweise 18 für .berlin beziehungsweise .wien. Krischenowski rechnet damit, dass Nutzer ab Ende 2013 Domains wie meinefirma.berlin oder meinname.berlin registrieren können.

[Update: Nach jahrelangenDebatten hatte sich die Internet-Verwaltung ICANN erst 2011 endgültig dazu durchgerungen, den Internet-Namensraum zu öffnen und neue Adresszonen einzuführen. Damit möchte die ICANN ein reguläres Verfahren für die fortgesetzte Beantragung neuer Adresszonen im Stil von .com oder .biz etablieren, mit dem sich nahezu beliebige Begriffe für Top Level Domains auswählen lassen. Die ICANN hatte das komplizierte und teure Bewerbungsverfahren für neue Internet-Adresszonen wie ".berlin", ".music" oder ".sport" Anfang 2012 gestartet; nach einigen Pannen, die zur vorübergehenden Aussetzung des Verfahrens führten, konnten Bewerber endlich im Mai 2012 ihr Begehr für neue Top Level Domains vorbringen - was dann nach einigen Querelen, vielen technischen Problemen sowie langwierigen (und teuren) Antrags- und Genehmigungsverfahren zu ersten Ergebnissen führte.]

Dot.berlin hatte den Start der Domain .berlin seit 2005 vorbereitet, noch bevor die endgültige Entscheidung der ICANN über die Erweiterung des Internet-Namesraums fiel. Doch die Eintragung neuer TLD war immer wieder von Regierungen und Markenrechtsinhabern torpediert worden. Chehadé sage in München, es habe bis zuletzt immer wieder Zweifel gewesen, ob man das "Kind wirklich zu Welt bringen" könne. Mit der Zulassung wolle sich die ICANN auf den Service für die noch in der Schlange stehenden über 1000 neuen TLDs konzentrieren.

Chehadé sagte, der Ball sei jetzt im Feld der Betreiber. Sie müssen jetzt die neuen TLDs an die Nutzer bringen. Die neuen TLDs der ersten Runde aus dem Jahr 2000 führen bis heute – abgesehen von .info – eher ein Schattendasein. Der TLD-Markt ist vorerst immer noch etwas für Experten, sagte ein Beobachter, es gebe nicht zuletzt in Deutschland ein gewisses Kommunikationsproblem.

Den Städte-Domains werden von Experten dabei vergleichsweise gute Chancen eingeräumt, weil sie automatisch eine "Gemeinde" ansprechen. Kritische Stimmen meinen allerdings, dass der Verkauf interessanter "Premium-Domains" das Marketing erschweren kann. Die Städte verdienen daran als "Gestattungsgeber" übrigens mit.

Chehadé wiederholte in München sein Versprechen, die ICANN zu einer stärker international ausgerichteten Organisation zu machen. Die einseitige Aufsicht der Rootzone durch die USA sei "nicht nachhaltig". Chehadé könne sich vorstellen, dass die Länderadresszonen wie .de oder .at die Aufsicht über laufende Veränderungen selbst beaufsichtigen. Möglicherweise sei das auch für die generischen TLDs möglich.

Solche Vorschläge für eine ICANN-Reform sind nicht neu. Sowohl die Betreiber der Länderadressbereiche als auch ICANN-Vertreter wie der frühere Präsident Peter Dengate-Thrush hatten sich dafür stark gemacht. Aktuell aber treibt der grassierende Vertrauensverlust in die US-Administration die ICANN vor sich her.

Die ICANN stehe unter erheblichem Legitimationsdruck bis zu den bevorstehenden Konferenzen der Vereinten Nationen, vor allem der Vollversammlung der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) im kommenden Jahr und der Nachfolgeveranstaltung zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS). Um nicht nur als kalifornische Firma gesehen zu werden, hat die ICANN Büros in Istanbul und Singapur eröffnet. Ein weiterer Standort wird in Genf sein. Er strebe dabei auch die Eintragung der ICANN unter anderem Recht an, erklärte Chehadé.

Nach der viel zitierten Forderung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff, Internetfragen im Angesicht der Massenüberwachung durch die USA bei den Vereinten Nationen zu erörtern, hatte sich der ICANN-Chef mit Rousseff, aber auch Regierungsvertretern in Indien und Korea besprochen. Jetzt werben Brasilien und die ICANN gemeinsam für einen Internetgipfel in Brasilien, auf dessen Programm nicht nur die "Rootfrage", sondern ein Rahmen für globale netzpolitische Regeln insgesamt stehen soll. (anw)