Neuer Sicherheitsbericht für den LHC: Keine Gefahr in Sicht

Während die apokalyptischen Ängste vor dem Start des Teilchenbeschleunigers am CERN wachsen, erteilen in einer neuen Studie CERN-Physiker den Versuchen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung.

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Von
  • Florian Rötzer

Am 10. September wird der Large Hadron Collider (LHC) im Europäischen Kernforschungszetrum CERN bei Genf in Betrieb genommen (siehe auch: Die verborgenen Kosmen von nebenan). Mit dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger sollen auch Mini Schwarze Löcher erzeugt werden. Nachdem bereits seit längerem Ängste bestehen, dass sich eventuell die künstlichen Schwarzen Löcher vergrößern und letztlich die Erde verschlucken oder sonst Unheil anrichten könnten, steigt anscheinend kurz vor dem Start die Angst vor dem Weltuntergang.

Eine Eilverfügung ist erst vor wenigen Tagen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen worden. Da manche Menschen den Wissenschaftlern vom CERN kein Vertrauen schenken, die versichern, dass die Experimente keine Risiken mit sich bringen, werden nun, wie der Telegraph berichtet, bereits Todesdrohungen an Wissenschaftler wie den Nobelpreisträger für Physik, Frank Wilczek vom MIT, geschickt. James Gillies, der Leiter der Öffentlichkeitsabteilung am CERN, berichtet, er bekomme Telefonanrufe, in denen er angefleht werde, den Teilchenbeschleuniger zu stoppen. Andere wollen bestätigt bekommen, dass die Experimente nicht gefährlich sind und die Welt nicht vor ihrem Untergang steht.

Der Bericht "Review of the safety of LHC collisions" (doi:10.1088/0954-3899/35/11/115004) der LHC Safety Assessment Group, der gerade im Journal of Physics G: Nuclear and Particle Physics erschienen ist, versucht erneut die Ängste zu beruhigen. "Es gibt keinerlei Grundlage für irgendeine Angst vor den Folgen von neuen Teilchen oder Materieformen, die möglicherweise vom LHC produziert werden könnten", so das Ergebnis.

Überprüft wurden die Aussagen im ersten, 2003 veröffentlichten Sicherheitsbericht aus der Perspektive neuerer experimenteller Erkenntnisse. "Die Natur hat bereits das Äquivalent von hunderttausend LHC-Experimenten auf der Erde durchgeführt - und den Planeten gibt es noch immer." Mit dem LHC würden unter kontrollierten Bedingungen Kollisionen reproduziert, die eine geringere Energie als diejenige erzeugen, die von kosmischer Strahlung verursacht wird, die die Erde "seit Milliarden von Jahren bombardiert".

Die Stabilität der Himmelskörper belege, so die Wissenschaftler, "dass solche Kollisionen nicht gefährlich sind". Das Universum reproduziere die Gesamtzahl der Kollisionen, die im LHC gemacht werden, 1013 Mal in der Sekunde, seit Beginn des Universums sei dies 1031 Mal geschehen. In den Detektoren ATLAS und CMS würden eine Milliarde Proton-Proton-Kollisionen produziert werden.

Im Besonderen haben die Wissenschaftler die "mögliche Produktion von hypothetischen Objekten wie Vakuumblasen, magnetische Monopolen, mikroskopischen Schwarzen Löchern und Strangelets" betrachtet, ohne Hinweise auf Gefahren zu finden. Selbst wenn möglicherweise erzeugte mikroskopische Schwarze Löcher durch den Aufeinanderprall von Protonen entstünden und nicht schon vor dem Erreichen der Wand der Detektoren durch die Hawking-Strahlung zerfallen, würden sie ebenso wie diejenigen, die durch die kosmische Strahlung entstehen, in der Erde oder in anderen Himmelskörpern gestoppt werden. Die empirischen Beweise dafür seien robust, dass stabile Schwarze Löcher nicht existieren oder diese keine Folgen haben.

Ähnlich wird im Hinblick auf mögliche andere Risiken argumentiert. Wenn beispielsweise tatsächlich Vakuumblasen, die sich ausbreiten und das Universum zerstören könnten, entstehen würden, wären diese, so die Wissenschaftler, auch durch die kosmische Strahlung entstanden. Dann aber hätten diese Blasen schon vor vielen Milliarden Jahren große Teile des sichtaren Universums zerstören müssen. Da aber das Universum kontinuierlich bestanden habe, seien solche Vakuumblasen nicht entstanden und würden dann auch im LHC nicht erzeugt werden können.

Im Fall von Strangelets, hypothetische winzige Klumpen instabiler Seltsamer Materie, die sich blitzschnell in normale Materie verwandeln sollen, führen Schwarzseher an, dass es doch stabile geben und diese womöglich auch normale Materie in Seltsame Materie verwandeln könnten. Wenn im LHC überhaupt Strangelets durch die Kollision von schweren Atomkernen entstehen sollten, würde dies aber noch mit geringerer Wahrscheinlichkeit stattfinden als bei den Versuchen am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory. Allerdings hätten diese keine Hinweise auf die Existenz von Strangelets gezeigt.

Beruhigen wird die Apokalyptiker die neue Studie auch nicht besser als die vorhergehende. Da man sich in einem höchst spekulativen Raum von hypothetischen Möglichkeiten bewegt, lässt sich an hypothetischen Risiken immer festhalten, auch dann, wenn der Weltuntergang mit den Versuchen des LHC noch nicht stattgefunden hat. (fr)