Neuer Telecom-Riese: Freenet schluckt Debitel

Mit der Übernahme des nach Mobilfunkkunden größeren Konkurrenten Debitel schafft Freenet-Chef Eckhard Spoerr einen neuen Branchenriesen, der hinter T-Mobile und Vodafone die Nummer Drei auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ist.

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Am späten Sonntagabend meldete der Aufsichtsrat Vollzug: Der Weg war frei für die Übernahme des Stuttgarter Mobilfunkserviceprovider Debitel durch die Freenet AG. Die Hamburger vollziehen damit eine erstaunliche Wandlung vom Übernahmekandidaten zum veritablen Telekommunikationsriesen. Der in der Branche nicht unbedingt geliebte Eckhard Spoerr bleibt auf dem Vorstandsposten und sitzt dort fester als zuvor. Er hat die Übernahmebestrebungen der United Internet abgewehrt, den Debitel-Kauf unbeirrt weiter verfolgt und damit Freenet als eigenständige Gesellschaft vorerst erhalten. Der auch schon als möglicher Vorstandsvorsitzender gehandelte Debitel-Chef Oliver Steil wird im gemeinsamen Unternehmen den Vertrieb verantworten.

Mit 1,63 Milliarden Euro beziffert Spoerr den Kaufpreis für Debitel. Dabei übernimmt Freenet Schulden von Debitel in Höhe von 1,13 Milliarden Euro. 32 Millionen neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung der Freenet AG sollen an Permira gehen. Der Finanzinvestor hält dann 25 Prozent des zusammengeführten Unternehmens und wird größter Einzelaktionär. Zudem gewährt Freenet Permira ein langfristiges Verkäuferdarlehen von 132,5 Millionen Euro. Durch die Kapitalerhöhung wird die 25-prozentige Beteiligung von United Internet und dem Mobilfunkanbieter Drillisch verwässert und künftig nur noch knapp 19 Prozent betragen.

United Internet hatte zusammen mit Drillisch die Übernahme und Zerschlagung der Freenet AG gegen den heftigen Widerstand Spoerrs betrieben. Der umtriebige Freenet-Chef und sein Kontrahent Ralph Dommermuth sind sich nicht gerade grün. In der vergangenen Woche gipfelte der Übernahmepoker zwischen den beiden eigenwilligen Managern in einem spitzfindigen Briefwechsel, der wohl von beiden Seiten gezielt an die Medien lanciert wurde. Doch "persönliche Animositäten" gebe es keine, sagt Spoerr, und versteht das Gezerre um Freenet eher als sportlichen Wettbewerb unter Wirtschaftslenkern.

In maximal drei Monaten soll die milliardenschwere Übernahme abgeschlossen sein. Noch müssen die Kartellbehörden den Deal absegnen, doch rechnet Spoerr da nicht mit Problemen. Mit den vereinten Serviceprovidern Mobilcom und Debitel schafft die Freenet AG einen Telekommunikationsriesen mit 5 Milliarden Euro Umsatz und 19 Millionen Kunden. Das neue Unternehmen, rechnet Spoerr vor, komme auf 20 Prozent Marktanteil und sei nach Kundenzahlen die neue Nummer Drei hinter T-Mobile und Vodafone. Für 2009 prognostiziert Spoerr ein EBITA-Ergebnis um die 450 Millionen Euro bei stagnierenden Umsätzen. Finanzexperten zweifeln allerdings, ob das Geschäftsmodell der Serviceprovider angesichts der sinkenden Preise langfristig tragbar ist.

Sparen wollen Spoerr und Steil mindestens 50 Millionen Euro. Auch Arbeitsplätze sollen gestrichen werden, sagte der Freenet-Chef, ohne Details zu nennen. Steil bekräftigte, für das "Vertriebspowerhouse" Freenet und Debitel liege der Fokus nicht auf Personalabbau. Debitel und Freenet beschäftigen zusammen 7500 Menschen. Über die Zukunft der verschiedenen Marken machten die Manager noch keine Angaben. Für das neue Unternehmen sei eine Mehrmarkenstrategie in Planung, noch sei allerdings nicht entschieden, welche Marken das seien. Freenet soll es wohl weiter geben, zum Beispiel als Content-Marke für mobile Dienste.

United Internet gibt derweil den Rückzug bekannt. "Die Zustimmung von Vorstand und Aufsichtsrat der Freenet AG zur Debitel-Übernahme beendet unsere Bereitschaft, ein Übernahmeangebot zu unterbreiten", sagte am Montag ein Sprecher von United Internet gegenüber dpa. Die Entscheidung sei "skandalös" und "gegen den Willen der Aktionäre". Es werde bewusst Aktionärsvermögen zerstört. Die Freenet-Aktionäre würden mit Sicherheit zu der im Juni 2008 anstehenden Freenet-Hauptversammlung alle rechtlichen Schritte gegen die Transaktion und zur Verfolgung von Ansprüchen gegen die Organe genau prüfen lassen, sagte der Sprecher. Spoerr geht unterdessen nicht davon aus, dass der Großaktionär die Akquisition noch verhindern werde oder die rechtlichen Möglichkeiten dazu habe.

Ganz aus dem Spiel ist Dommermuth noch nicht. Er zählt weiterhin zum Kreis der möglichen Käufer für Freenets DSL-Sparte, deren bevorstehenden Verkauf Spoerr noch einmal bestätigt, ohne Einzelheiten zu Gesprächen verraten zu wollen. "Selbstverständlich würden wir auch an United Internet verkaufen", meint Spoerr. Auch Versatel und Telefonica zählen in Branchenkreisen zu den Interessenten. Auf 400 Millionen Euro schätzt Spoerr den Wert der Zugangssparte. Die sollen helfen, Freenets beachtlichen Schuldenberg von rund 1 Milliarde Euro abzutragen. Als Alternative zu einem Barverkauf kann sich Spoerr auch vorstellen, das DSL-Geschäft gegen eine Beteiligung zu verkaufen. Auch andere, "nicht zum Kerngeschäft gehörende Bereiche", könnten verkauft werden, sagt Spoerr, ohne in die Details zu gehen.

Dumm gelaufen ist der Debitel-Deal für Drillisch-Chef Pascal Choulidis. Zusammen mit Dommermuth hatte er die Freenet-Übernahme betrieben und sich Hoffnungen auf den Konkurrenten Mobilcom machen können. Jetzt steht Drillisch mit leeren Händen da und schon denkt Spoerr laut über eine Übernahme nach. Zwar habe der Schuldenabbau Vorrang, doch könne er sich "vorstellen, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt mit Drillisch darüber verhandeln könnten". (vbr)