USA: Wikipedia ist keine Grundlage für richterliche Entscheidungen

Ein US-Bundesgericht entschied, dass die freie Online-Enzyklopädie wegen der bekannten potenziellen Unzuverlässigkeit nicht als Basis für eine richterliche Entscheidung, im behandelten Fall der Ablehnung eines Asylantrags, herangezogen werden darf.

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Von
  • Thomas Pany

Das amerikanische Department of Homeland Security darf Wikipedia nicht als Entscheidungsgrundlage für einen Asylantrag heranziehen. Ein US-Bundesgericht hat vor Kurzem ein entsprechendes Urteil veröffentlicht.

Hintergrund für den Richterspruch des Bundesgerichts ist die Ablehnung eines Asylantrags, den eine Äthioperin in den USA gestellt hatte. Nachdem der zuständige Immigration Judge den Antrag abgelehnt hatte, weil sich die Frau mit einem gefälschten italienischen Pass illegalen Zutritt zu den Vereinigten Staaten verschafft habe, legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Die Forderung der mit dem Widerspruch betrauten Stelle Board of Immigration Appeals (BIA) nach einem glaubhaften Identitätsnachweis beantwortete die Frau mit einem Papier namens "Laissez-Passer", einem Dokument, das von der äthiopischen Regierung ausgestellt wurde.

Nach einigem Hin und Her wurde der Fall an den Immigration Judge zurückverwiesen. Dort argumentierten Vertreter des Heimatschutzministeriums gegen den Antrag. Begründet wurde das u. a. damit, dass der Wikipedia-Eintrag zu dem "Laissez-Passer"-Dokument bestätige, dass das Papier kein ordentlicher Identitäts- und Nationalitätsausweis sei. Es gewähre lediglich "die Erlaubnis für einen Fremden, von einem Land abzureisen oder dorthin zu reisen".

Zusammen mit anderen Informationen, aber gestützt auf den Wikipedia-Eintrag, befanden die Homeland-Security-Vertreter den "Laisser-Passer"-Pass als unzureichend. Der Immigration Judge schloss sich in seiner Ablehnungsbegründung dieser Sicht an. Die Aufsichtsbehörde BIA bestätigte das Urteil des Richters, allerdings mit der Einschränkung, dass das BIA "die Verwendung von Wikipedia bei wesentlichen Entscheidungen über Einwanderungsfragen weder stillschweigend duldet, noch dazu ermutigt". Die Entscheidung des Richters wäre solider gewesen ohne Referenz auf Wikipedia.

Genau auf diese Einschränkung stützt sich nun die Entscheidung des Bundesgerichts, das den Fall der Äthioperin wieder an das Board of Immigration Appeals (BIA) zur Neuaufnahme zurückverweist. Grund: Die Unzuverlässigkeit von Wikipedia als gültige Referenz vor Gericht , die der Immigration Judge ja selbst in seinem Urteil einräume, würde von einer Reihe von Eigenaussagen von Wikipedia bestätigt, wie z. B. in der Aussage, dass "jeder sich Artikel in einem gegebenen Moment in einem schlimmen Zustand befinden könnte, etwa inmitten eines Edit-Wars oder kürzlich Vandalen zum Opfer gefallen". Da das Urteil des Immigration Judge von der übergeordneten Behörde nicht ohne diese Referenz auf Wikipedia angenommen wurde, so der Schluss des Bundesgerichtes, sei es fehlerhaft. ()