Kein Strom mehr vom Meer?

240 Windenergie-Anlagen wollte die deutsche RWE Innogy vor die britische Küste stellen – und damit den größten Windpark der Welt errichten. Daraus wird wohl nichts.

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Von
  • Robert Thielicke

240 Windenergie-Anlagen wollte die deutsche RWE Innogy vor die britische Küste stellen – und damit den größten Windpark der Welt errichten. Daraus wird wohl nichts.

Die Dimensionen waren gigantisch, entsprechend heftig fiel die Kritik der Gegner aus. Windräder mit einer Höhe von 220 Metern sollten knapp 17 Kilometer vor der Atlantikküste Strom liefern – und zwar 1,2 Gigawatt, der Bedarf von 900.000 Haushalten. Noch war das AtlanticArray genannte Projekt nicht genehmigt. Aber wäre es gebaut worden, hätte es das ebenfalls britische London Array mit seinen 175 Windmühlen auf Platz zwei der Weltrangliste verwiesen. Gegner wie der Landmark Trust oder die Initiative „Slay the Array“ bezeichneten das Vorhaben als „völlig fehlgeleitet“ und fürchteten Schäden für das Naturreservat Lundy Island. Gerade einmal 13,4 Kilometer wären es von dort zum Windpark gewesen.

Nun können die Naturschützer jubeln. Atlantic Array ist vorerst Geschichte. Das Projekt ist allerdings nicht am Widerstand der Bürger gescheitert, sondern an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Und das ist die eigentlich schlechte Nachricht. Denn sie zieht die gesamte Offshore-Strategie in Zweifel und wird auch für Deutschland Folgen haben.

„Angesichts der technologischen Herausforderungen und der derzeitigen Marktbedingungen ist es nicht die richtige Zeit, das Projekt weiterzuführen“, sagte gestern der verantwortliche RWE-Manager Paul Cowling. In Großbritannien liegen die Bedingungen zugegeben anders als in Deutschland: Die Regierung subventioniert lieber Atomkraft als Wind- und Sonnenenergie, wie die kräftige Unterstützung für den AKW-Neubau Hinkley C zeigt. Hinzu kommt ein Fördermodell, das billigen, nicht aber zukunftsweisenden grünen Strom unterstützt. Eines aber bleibt gleich, egal welches Land man betrachtet: Die Offshore-Technologie ist immens teuer. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, Kosten zu senken, geringer als an Land. Gigantische Stahltürme in den Meeresgrund zu rammen und die Generatoren bei Wind und Wetter zu warten, fordert schlicht seinen Preis. Hinzu kommt die äußerst aufwändige Netzanbindung. Im Gegenzug bläst der Wind vor der Küste zwar weit stetiger und berechenbarer. Ob sich jedoch am Ende der Aufwand wirklich rechnet, steht zunehmend in Zweifel.

Natürlich werden technologische Fortschritte auch Offshore die Kosten senken. Aber um wieviel? Und wie schnell? Die Fragezeichen wachsen mit jedem gescheiterten Großprojekt. Denn damit schrumpft der Markt für die ausführenden Firmen. Ohne einen entsprechend großen Markt fehlt jedoch das nötige Geld für technologische Fortschritte. Und ohne technologische Fortschritte wird die Offshore-Windenergie nie auch nur annähernd an die geringeren Kosten der Windkraft an Land herankommen. Schon mehren sich die Stimmen, sich von der Offshore-Strategie ganz zu verabschieden. Im kommenden Heft werden wir von Technology Review dazu ein sehr aufschlussreiches Streitgespräch veröffentlichen.

Ob Deutschland irgendwann als einzige Nation Windenergie-Anlagen auf hoher See installiert, bleibt abzuwarten. Sollte es so kommen, gibt es zwei Möglichkeiten: Wir haben die Technologie so effizient gemacht, dass alle anderen ihren Irrtum erkennen – und unsere Anlagen kaufen. Oder wir haben Milliarden Euro im Meer versenkt. (rot)