Rundfunkbeitrag statt GEZ: Experte der ARD für Entlastung bei möglichen Mehreinnahmen

Der Rundfunkbeitrag wird zum Jahreswechsel ein Jahr alt. Die Länder stellen eine Senkung in Aussicht. Der ARD-Experte des Modells, Hermann Eicher, hält einen Ausgleich für Mehrbelastungen etwa von Firmen für wichtig.

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Von
  • Marc-Oliver von Riegen
  • dpa

Knapp ein Jahr nach der Einführung des Rundfunkbeitrags zieht der ARD-Verantwortliche für das Modell, Hermann Eicher, in der Summe eine positive Bilanz. Der SWR-Justiziar sagte der dpa, die Reform sei gelungen, auch wenn es mal "geknirscht" habe.

Der neue Rundfunkbeitrag ist vor knapp einem Jahr eingeführt worden. Welche Bilanz ziehen Sie bis jetzt?

Eicher: Es war es absolut richtig, auf ein geräteunabhängiges Modell umzustellen. Darin sind sich alle Fachleute einig. Die technische Entwicklung der vergangenen Jahre war derart rasant, dass es einfach keinen Sinn mehr ergibt, danach zu fragen, ob jemand ein Fernseh- oder Hörfunkgerät bereithält. Das ließe sich auch alles nicht mehr kontrollieren. Andererseits war diese Reform in jeder Beziehung eine echte Herausforderung für die Rundfunkanstalten: Über 40 Millionen Teilnehmerkonten wurden umgestellt, viele Fragen der Gesetzesauslegung mussten geklärt, viele Informationen mussten gegeben werden. Alles in allem ist das aus unserer Sicht gelungen, auch wenn es hier und da auch mal "geknirscht" hat.

Haben Sie mit der teils scharfen Kritik – unter anderem von Unternehmen mit vielen Betriebsstätten oder Filialen – gerechnet? Wird es Veränderungen am Modell geben?

Eicher: Eine Reform von einem solchem Umfang – das war uns von vornherein klar – würde jedenfalls von denjenigen massiv kritisiert werden, die davon nachteilig betroffen sind. Und natürlich halten wir es auch für legitim, auf Mehrbelastungen zu verweisen, die mit diesem Modellwechsel nicht gewollt waren. Ob das Modell nun im Rahmen der von den Landtagen beschlossenen Evaluierung noch einmal nachjustiert wird, ist Sache des Gesetzgebers. Wir tragen unseren Teil zur Aufklärung bei, indem wir mit Kommunen und Kirchen den Ursachen für mögliche Mehrbelastungen unter Einschaltung eines wirtschaftswissenschaftlichen Instituts auf den Grund gehen.

Bisher soll es bis zu 600 Klagen gegen den Beitrag geben. Ist das eine realistische Zahl?

Eicher: Wir können die Zahl von 600 Klagen nachvollziehen, wundern uns aber ein wenig über die Einordnung dieser Zahl, denn das sind deutlich weniger Klagen als noch zu Zeiten der Rundfunkgebühr. Da lagen die Klagezahlen um das Drei- bis Vierfache höher.

Wie werden sich die Einnahmen entwickeln? Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat eine Senkung des Beitrags um bis zu einen Euro im Monat in Aussicht gestellt, da die Kommission KEF Mehreinnahmen bis an die Milliardengrenze erwarte.

Eicher: An den Spekulationen über die Höhe von Mehreinnahmen beteilige ich mich nicht. Klar ist nur: Es handelt sich um Schätzungen für einen Vierjahreszeitraum, die sich erst einmal realisieren müssen. Sollte es zu Mehreinnahmen kommen, lässt sich natürlich eine Wunschliste aufmachen: Beitragssenkung, Werbefreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder – und das hätte meine Priorität – die Mehreinnahmen werden vor allem dazu verwendet, Mehrbelastungen von Unternehmen, Kommunen und Kirchen durch Gesetzeskorrekturen wieder auszugleichen. Klar ist nur: Man kann das Geld nur einmal ausgeben.

Gibt es auch Beispiele für weniger Belastungen im Zuge der Reform?

Eicher: Im privaten Bereich haben wir Abmeldungen in einer Größenordnung von rund 1,5 Millionen Teilnehmern, die in einer Wohnung bisher Mehrfachgebühren gezahlt haben, also zum Beispiel der Sohn mit eigenem Einkommen, der noch bei seinen Eltern wohnt. Und im nicht privaten Bereich profitieren vor allem Unternehmen, die bislang sehr viele Geräte bereitgehalten haben und nun nach der Staffel veranlagt werden. Auch für Hotels gibt es deutliche Entlastungen. (anw)