Umweltverbände: Große Koalition bremst Energiewende im Südwesten

Jetzt sollte es endlich losgehen im Südwesten. Als Schlusslicht in Sachen Windkraft wollte Baden-Württemberg Hunderte Anlagen bauen. Doch nun droht Berlin, Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

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Von
  • Roland Böhm
  • dpa

Die Ziele der neuen großen Koalition im Bund drohen nach Ansicht baden-württembergischer Umweltverbände, die Energiewende im Südwesten massiv zu bremsen. Sollte die Windkraftförderung – wie geplant – nur noch für Top-Standorte gezahlt werden, kippe jeder zweite Standort in Baden-Württemberg aus der Förderung und rentiere sich nicht mehr, warnte die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender. Nabu-Landeschef Andre Baumann sagte, die Windenergiepläne der grün-roten Landesregierung wären "konterkariert".

Beide bekannten sich klar zum Ausbau der Windkraft auch in Baden-Württemberg. Sie unterstützen das Ziel von Grün-Rot, bis spätestens 2020 mindestens zehn Prozent der Bruttostromerzeugung aus Windenergie zu gewinnen. Nach groben Berechnungen müsste die Zahl der Windräder bis dahin auf 1200 verdreifacht werden. Konflikte mit dem Naturschutz könnten gelöst werden, versicherten Dahlbender und Baumann. "Da passt kein Blatt zwischen uns."

Sie legten ein gemeinsames Positionspapier pro Ausbau der Windkraft vor, das sich in der Frage Naturschutz versus Windkraft für ein Sowohl-als-auch ausspricht. Der Ausbau der Windkraft im Südwesten sei auch mit einem angemessenen Landschafts- und Artenschutz möglich, wenn das Ganze richtig gelenkt werde, betonte Dahlbender. Wichtig sei der Dialog vor Ort, da dort Vorkommen von Auerhühnern, Horste vom Rotmilan oder Zugrouten von Fledermäusen am ehesten bekannt seien.

Zwar gebe es immer wieder Naturschützer, die verschiedene neue Windkraftanlagen ablehnten – grundsätzlich stünden BUND und Nabu aber klar zum Ausbau. "Der Klimaschutz und der Schutz der Biologischen Vielfalt sind für die beiden Umwelt- und Naturschutzverbände gleichrangige Ziele", heißt es im Papier. Im Interesse des Natur- und Landschaftsschutzes setzten sie sich für Windräder mit möglichst großer Leistung in gebündelten Windparks ein. Bevorzugt würden Standorte nahe von Siedlungen und Verkehrstrassen. Der Tendenz, Windräder aus dem Blickfeld von Siedlungen zu verbannen und in wertvolle Naturräume hineinzuverlagern "treten die Verbände entschieden entgegen".

BUND und Nabu bauen zudem auf eine "frühzeitige und echte" Beteiligung der Bürger und Umweltverbände. Es gebe nach wie vor eine hohe Akzeptanz für den Atom- und Kohleausstieg und für den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind oder Wasser, sagte Baumann. Dennoch müsse etwas dafür getan werden, diese hohe Akzeptanz auch zu erhalten. Und das gehe nur mit Hilfe der Bürger vor Ort. Am besten sogar über Bürgerbeteiligungsgenossenschaften. Diese müsse das Land besser fördern, forderte Dahlbender.

Als besonders ärgerlich bezeichneten Baumann und Dahlbender die Ankündigungen der möglichen großen Koalition in Berlin, Windkraft an weniger ertragreichen Standorten in Zukunft nicht mehr zu fördern. In Baden-Württemberg, wo sich Grün-Rot aufgemacht habe, Versäumnisse aus Jahrzehnten mit CDU-Regierungen aufzuholen, könne allein diese Ankündigung schon dramatische Folgen haben. Nachdem jetzt die planungsrechtlichen Vorgaben abgearbeitet seien, stünden die Investoren für 2014 in den Startlöchern. BUND und Nabu befürchten nun ein jähes Ende dieses Aufbruchs.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte bereits auf diese Gefahr hingewiesen. Auch das Windcluster mit rund 60 Unternehmen forderte rasch klare Vorgaben für den Bau neuer Anlagen und verlässliche Fördervorgaben. Laut BUND liegen Anträge für 48 Standorte mit 108 Anlagen zur Genehmigung vor. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hatte kürzlich gesagt, es gebe "keinen Grund schwarzzumalen", denn die Höhe der künftigen Windkraftförderung entscheide sich erst mit der Änderung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Es sei nicht zu befürchten, dass sich die Perspektiven für die Windkraft im Südwesten verschlechterten. (anw)