Mit PET gegen resistente Sporen

IBM-Forscher haben ein Material aus Polymerbestandteilen entwickelt, das problematische Pilzinfektionen bekämpfen kann.

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Von
  • Susan Young

IBM-Forscher haben ein Material aus Polymerbestandteilen entwickelt, das problematische Pilzinfektionen bekämpfen kann.

Wissenschaftler der Forschungsabteilung des IT-Konzerns IBM haben aus einem Polymer, das unter anderem in Kunststoffflaschen steckt, einen neuartigen antibakterielle und fungizide Stoff gewonnen, mit dem sich gefährliche Infektionen beseitigen lassen. Antibiotika-resistente Bakterien und Pilze töten allein in den USA jedes Jahr 23.000 Menschen und viele dieser mikrobiellen Infektionen ziehen sie sich in Krankenhäusern zu.

Forschergruppen auf der ganzen Welt arbeiten derzeit an dem Problem und versuchen es unter anderem mit neuartigen Antibiotika oder chirurgischen Versorgungsgütern, die mit virentötenden Bakterien überzogen sind. Eine weitere Idee ist ein biologisch aktives Material, das Löcher in die Membranen reißen kann, die die Zellen der Mikroben umgeben. Diese Stoffe arbeiten ähnlich wie die natürliche Abwehr des menschlichen Körpers – Peptide, die sich in die äußere Membran eines Bakteriums einhaken und es dann aufbrechen.

Die IBM-Forscher haben nun ein Material entwickelt, das sich selbsttätig in einen polymerartigen Komplex zusammenbauen kann. Damit ließen sich im Tierversuch bereits Pilzinfektionen mit Candida albicans von Nageraugen entfernen.

"Normalerweise ist es schwierig, gut wirkende Fungizide zu entwickeln, weil diese Zellen den menschlichen stark ähneln", sagt Kenichi Kuroda, materialwissenschaftlicher Chemiker an der University of Michigan, der auch an antimikrobiellen Stoffen arbeitet. Das Problem ist, dass viele der bisherigen Wirkstoffe die molekularen Prozesse innerhalb der Erregerzellen erst einmal stören müssen. Während bei Bakterien zumeist ein ausreichend großer Unterschied zu menschlichen Zellen besteht, sieht das bei Pilzzellen anders aus. Es kann also zu Nebenwirkungen kommen.

Das Material der IBM-Forscher wurde noch nicht am Menschen getestet, doch der Mäusetest ist vielversprechend. Die Candida-Augeninfektion wurde effektiver bekämpft als mit regulären pharmakologischen Methoden – und das ohne schädliche Nebenwirkungen. Auch eine Resistenz stellte sich nach elf Behandlungen nicht ein, während der Antipilzwirkstoff bereits nach sechs Behandlungen nicht mehr anschlug.

Die Verhinderung der Resistenzbildung scheint sich durch die Tatsache zu begründen, dass der Wirkstoff nur die äußere Membran der Mikroben zersetzt. Antibiotika arbeiten langsamer und erlauben deshalb einer Bakterienpopulationen leichter, Resistenzen zu bilden. "Diese Biomaterialien greifen sofort an", sagt Chemiker Kuroda.

IBM entwickelte sein Material mit Techniken, die aus der Mikroelektronik kommen und in der Biologie recht neu sind, erläutert James Hedrick, IBM-Research-Materialwissenschaftler, der die Studie leitete. Der Stoff gehört zu einem Bereich von Materialien, die man auch molekulare Gläser nennt. Die Mischung besteht anfangs aus vielen individuellen Minimolekülen, doch in Wasser setzen sie sich dann zu einer größeren Struktur zusammen, die an ein Polymer erinnert, aber schwächere Bindungen zwischen einzelnen Molekülen aufweist. Das heißt, dass sich das Material mit der Zeit zersetzt.

"Es fällt auseinander und wird dann durch den Körper ausgeschieden", sagt Hendrick. Das Material erfülle die gewünschte Funktion und verflüchtige sich dann. "Wir wollen nicht, dass es sich im Körper, in Gewässern oder in der Nahrung anreichert."

Das Ausgangsmaterial stammt aus einem bekannten Kunststoff namens PET. Das darf ruhig recycelt sein: Schon jetzt greift sich Hedrick stets eine Plastikflasche aus dem Papierkorb, die er dann zerschneidet, wenn er neues Material anmischt.

Kollegen aus Singapore testeten die Wirkung des Stoffes dann an Mäusen. Das Team hofft, das ähnliche Stoffe auch gegen Antibiotika-resistente Bakterien wie MRSA antreten könnten. In einem ersten Versuch funktionierte das bereits: Nach der Injektion einer eigens hergestellten Mischung in die Schwanzvene von Nagern ließ sich eine MRSA-Infektion im Blut bekämpfen. "Wir können mit diesen Stoffen viele Dinge tun. Wir können sie zu Hydrogel formen, um Hautinfektionen anzugehen oder sie sogar in ein Shampoo oder Mundwasser packen", sagt Hedrick. (bsc)