Europäische Datenschutzgrundverordnung: Rechtsinformatiker plädiert für Datenschutzampel

Prof. Dr. Nikolaus Forgó bewundert den Kompromiss zur europäischen Datenschutzverordnung, dieser verliere sich aber im Klein-Klein und sei bald vielleicht nicht mehr aktuell. Mit einer Datenschutzampel könnten Nutzer sich selbst besser schützen.

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Nikolaus Forgó vom Institut für Rechtsinformatik an der Universität Hannover hält die geplante europäische Datenschutzgrundverordnung für recht gelungen

Die europäische Datenschutzgrundverordnung gehe zwar in die richtige Richtung, nach dem Geschmack von Rechtsinformatiker Prof. Dr. Nikolaus Forgó hätte sich die Verordnung aber eher auf die Formulierung universellerer Grundregeln für das Internetrecht konzentrieren sollen, anstatt an manchen Stellen in ein Klein-Klein zu verfallen.

Darüber hinaus spricht sich Forgó für eine Datenschutzampel im Internet aus, um Verbraucher deutlicher über die Art der Datenerhebung und -verarbeitung aufzuklären. Das erklärte der Rechtsinformatiker am Rande des Fachgesprächs „Moderner Datenschutz für Europa“ der Grünen-Fraktion im Landtag Niedersachsen.

Forgó tauschte sich während der Veranstaltung lebhaft mit Jan Philipp Albrecht aus, der als Europaabgeordneter der Grünen maßgeblich an der Kompromissfindung zur bisherigen Vorlage der Datenschutzverordnung mitgewirkt hatte. Trotz Forgoś grundsätzlicher Bedenken, welche Prinzipien im Internetrecht angewendet werden sollten, hielt er den bisher erreichten Kompromiss für absolut erstaunlich. Das wichtigste Grundrecht bleibt für Forgó in diesem Zusammenhang aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Kritik hagelte es, als die bisher festgeschriebenen Sanktionen der Grundverordnung diskutiert wurden. Forgó sprach von „utopischen Strafen“. Albrecht führte allerdings an, dass die anvisierten Strafen den Bußgeldern entsprächen, die die EU in anderen Verfahren verhängt habe. Überdies seien Sanktionen ein "effektives Mittel der Marktregulierung", da sie helfen, Recht durchzusetzen. Sie sollten so kalkuliert sein, dass Unternehmen Datenschutzverstöße und deren Verfahren nicht ohne Weiteres bereits in ihre Bilanzen planen.

Jan Philipp Albrecht, Europa-Abgeordneter der Grünen, befürchtet, dass die "Rückabwicklung der Privatsphäre" in vollem Gang ist.

(Bild: Jan Philipp Albrecht, Fotograf: Fritz Schumann)

Albrecht versicherte, dass die „Rückentwicklung der Privatsphäre“ im vollen Gange sei; die Konsequenzen die das EU-Parlament mit der Verordnung ziehe, „sollen Regierungen zum Handeln zwingen“. Denn grundsätzlich müsse man, betonte Albrecht, den Menschen "zumindest theoretisch die Möglichkeit geben, bei Datenschutzverletzungen zu intervenieren". Dass dies durch den bisherigen Föderalismus eher erschwert werde, ließ besonders Forgó anklingen. Schon deshalb sei eine EU-weite Regelung wünschenswert.

Dass diese aber noch in diesem Jahr kommen könne, wollte niemand auf dem Podium versprechen. Jan Philipp Albrecht wies am Rande des Fachgesprächs darauf hin, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass die Datenschutzverordnung noch vor den Europawahlen im Mai 2014 verabschiedet wird.

Forgó skizzierte für diesen Fall schon ein düsteres Bild. Die neugewählten Abgeordneten könnten den bisherigen Kompromiss kippen, um Veränderungen einzubringen. Bis dieser dann vom europäischen Parlament verabschiedet würde, vergingen sicherlich mehrere Jahre. Und bis die Verordnung dann tatsächlich in Kraft trete, könne man davon ausgehen, dass die dort getroffenen Regelungen nicht auf Augenhöhe mit den zukünftigen Standards im Internet seien.

Um zumindest Verbraucher besser zu schützen, setzt Forgó auf eine Internetampel, die ähnlich der Lebensmittelampel über die Art der Datenverarbeitung der Unternehmen aufklären könnte. Je nachdem, wie viele und welche Daten ein Unternehmen verlangt, damit Dienste in Anspruch genommen werden können, solle die Ampel Grün, Gelb oder Rot anzeigen.

Um dieses Konzept umzusetzen sei der öffentliche Sektor aber nicht prädestiniert, meinte Forgó. Öffentliche Stellen könnten der Masse an zu klärenden Fällen nicht Herr werden. Forgó sieht deshalb die Privatwirtschaft in der Pflicht, um mehr Transparenz zu schaffen und Kunden eine Risikofolgenabschätzung zu ermöglichen.

Damit Firmen sich gewissenhaft kümmern können, dürfe man aber davon ausgehen, dass der Datenschutz nicht kostenlos daherkomme, erklärte Forgó. Man müsse sich darauf einstellen, dass jeder, der seine Daten geschützt sehen will, dafür einen Obulus zu entrichten habe; eine Weisheit, die im Internet schon länger gelte: Kostenlose Angebote sind nur auf den ersten Blick kostenlos. Was nicht in barer Münze bezahlt wird, finanziert sich über abgeschöpfte Nutzerdaten. (kbe)