Gericht: Wikimedia Deutschland haftet nicht für Wikipedia

Der Versuch einer Frankfurter Verlagsgruppe, den Verein Wikimedia Deutschland für einen kritischen Wikipedia-Eintrag haftbar zu machen, scheiterte vor dem Landgericht Köln.

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Von
  • Torsten Kleinz

In einem am gestrigen Donnerstag gesprochenen Urteil hat das Landgericht Köln den Verein Wikimedia Deutschland von der Haftung für Inhalte der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia freigestellt. Geklagt hatte die Frankfurter Verlagsgruppe, die sich in einem Artikel über das Unternehmen verunglimpft sah.

In dem strittigen Wikipedia-Eintrag war Kritik an der Firmengruppe geäußert worden, die mehrere Druckkostenzuschussverlage umfasst. Im Gegensatz zum üblichen Verlagsgeschäft müssen die Autoren bei solchen Verlagen selbst für die Publikation ihrer Werke zahlen. Der Wikipedia-Artikel verwies unter anderem auf einen Bericht des ZDF-Magazins WISO, der sich kritisch mit dem Geschäftsgebaren der Firmengruppe auseinandergesetzt hatte.

Bereits 2006 hatte die Frankfurter Verlagsgruppe Wikimedia Deutschland wegen der Inhalte des Artikels abgemahnt. Im Mai 2007 reichte sie schließlich Klage gegen den Verein und dessen Geschäftsführer Arne Klempert ein. Der Argumentation der Kläger zufolge hatte sich die Beklagte die Inhalte zu Eigen gemacht, da sie auf die deutschsprachigen Inhalte der Wikipedia weiterleite. Obendrein rekrutiere der Verein Administratoren, die aktiv in die Inhalte der Wikipedia eingriffen. Als drittes Argument brachte die Firmengruppe vor, dass der Verein als deutsche Sektion der in den USA ansässigen Wikimedia Foundation Zugriff auf die Datenbanken habe und so bestimmen könne, was in der Wikipedia steht.

Mit dieser Argumentation erlitten die Kläger vor der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln Schiffbruch. In der 22-seitigen Urteilsbegründung (PDF-Datei) wurde die Klage komplett abgewiesen. Da die Domain wikipedia.de nicht auf einen bestimmten, sondern auf die Gesamtheit der über 750.000 deutschsprachigen Artikel weiterleite, machten sich die Beklagten die Aussagen in dem beanstandeten Artikel nicht zu Eigen. Die Wikipedia-Administratoren seien zudem keine Angestellte von Wikimedia.

Auch darüber hinaus sehen die Richter keine Handhabe. Alle sechs beanstandeten Passagen sind nach Überzeugung des Gerichts hinzunehmen, da es sich zumeist um wahre Tatsachenbehauptungen oder zulässige Meinungsäußerungen handelt. Ob die Frankfurter Verlagsgruppe gegen das Urteil Berufung einlegen wird, konnte das Unternehmen auf Anfrage von heise online nicht mitteilen. Ob sich weitere Rechtsstreitigkeiten lohnen, ist aber ungewiss: Der Artikel wurde bereit Ende Januar wegen mangelnder Relevanz gelöscht.

Wikimedia-Anwalt Thorsten Feldmann von der Berliner Kanzlei JBB Rechtsanwälte zeigt sich zufrieden mit dem Urteil: "Wir freuen uns vor allem darüber, dass sich die Richter die Mühe gemacht haben, sich mit der Wikipedia detailliert auseinanderzusetzen.” Noch im letzten Jahr hatten Landgericht und Oberlandgericht in Köln eine Haftung des Vereins für Wikipedia-Inhalte ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Grund war unter anderem die direkte Umleitung der Domain wikipedia.de, die im Sommer 2007 durch ein allgemeines Suchportal ersetzt wurde.

Mehr Erfolg hatte eine Gruppe von Mormomen in den USA, die der Wikimedia Foundation eine Unterlassungsverfügung wegen Verletzung des Urheberrechts zustellen ließ. Das kollaborative News-Portal Wikinews hatte über die Veröffentlichung von internen Dokumenten der Mormonen berichtet und dabei auf die auf Interna spezialisierte Seite Wikileaks verwiesen. Nachdem die Foundation die Unterlassungsverfügung erhalten hatte, wurde der beanstandete Link von einem Wikinews-Administrator entfernt. Davon unabhängig sind die Dokumente weiterhin bei Wikileaks abrufbar. (Torsten Kleinz) / (vbr)