Streaming-Abmahnanwalt Urmann: "Sicht der Regierung spielt keine Rolle"

Abmahnanwalt Urmann ist es egal, dass die Bundesregierung im Betrachten von Video-Streams keinen Urheberrechtsverstoß sieht. Unterdessen gerät der Anwalt wegen standesrechtlicher Bedenken in Kollegenkritik.

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Von
  • Holger Bleich

Die Massenabmahnungen wegen angeblichem Videostream-Konsums auf dem Pornoportal Redtube haben in jüngster Zeit zu juristischen Debatten darüber geführt, wie das Urheberrechtsgesetz (UrhG) korrekt ausgelegt werden kann. Zuletzt äußerte sich sogar die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hin zu dem Thema. Aus ihrer Sicht sei das "reine Betrachten" von Streams im Web keine Urheberrechtsverletzung, teilte das Bundesjustizministerium mit.

Gegenüber der Hamburger Morgenpost kommentierte Abmahnanwalt Thomas Urmann nun: "Was die Regierung schreibt, spielt keine Rolle." Die Antwort der Regierung sei "nüchtern betrachtet sehr dünn". Urmann verweist darauf, dass das Justizministerium "alles nach Europa abschiebt". Er spielt darauf an, dass die Regierung eine Antwort darauf, ob Streaming eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung sein kann, schuldig bleibt und stattdessen auf die noch nicht vorhandene europäische Rechtsprechung verweist.

Unterdessen sorgen Urmanns widersprüchliche Angaben zum Sitz seiner Kanzlei-Gesellschaft für Verwirrung unter Rechtsanwaltskollegen: Auf den Streaming-Abmahnungen ist die "U + C Rechtsanwälte URMANN+COLLEGEN Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH" mit Sitz in Regensburg und Hamburg angegeben. Deren Geschäftsführer ist demzufolge Thomas Urmann. Bis in den Dezember hinein gab Urmann auch auf der Kanzlei-Website an, dass sein Kanzleisitz in der Elbchaussee 54 in Hamburg sei. Als bekannt wurde, dass gegen ihn eine Strafanzeige wegen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Hamburg eingegangen ist, verschwanden alle Hinweise auf den Hamburger Firmensitz – nun ist Regensburg der alleinige Standort der Kanzlei.

Die Anwaltskanzlei Nierenz&Batz wies in ihrem Blog darauf hin, dass unter Urmanns Hamburger Adresse die Kanzlei "Reinberg-Meyer-Von-Beust" residiert, deren Mitgesellschafter Ole Freiherr von Beust, also der ehemalige Hamburger Oberbürgermeister ist. Überdies gehöre die von Urmann angegebene Kanzleirufnummer zur Kanzlei Reinberg. Dies führt zur Aussage, dass "Urmann in der Kanzlei von Ole von Beust Unterschlupf bekommen hat".

Darauf angesprochen, wies die Kanzlei Reinberg gegenüber heise online jedwede Verbindung zu Massenabmahner Urmann weit von sich. Urman sei einfach "ein Mieter im Hause Elbchaussee 54 gewesen". Dort seien, "wie auch in anderen Geschäftshäusern in Hamburg, mehrere, verschiedene Firmen als Mieter ansässig". Im Haus gebe es "eine zentrale Telefonanlage, sodass einzelne Durchwahlen von verschiedenen Firmen genutzt und lediglich weitergeleitet werden."

Die Frage des Gesellschaftssitzes wird insbesondere aus standesrechtlichen Aspekten diskutiert. Laut Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) muss eine Rechtsanwaltsgesellschaft am angegebenen Sitz auch eine Kanzlei unterhalten, "in der verantwortlich zumindest ein geschäftsführender Rechtsanwalt tätig ist, für den die Kanzlei den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bildet". Und im bundesweiten amtlichen Anwaltsverzeichnis ist als Sitz des Rechtsanwalts Thomas Urmann tatsächlich Elbchaussee 54, Hamburg, angegeben (Stand 10. Januar 2014). Nicht einmal eine Zweigstelle ist demnach in Regensburg vorhanden.

Parallel dazu ist Urmann allerdings in Regensburg zugelassen, was nicht zusammenpasst. Dies veranlasst einige Kollegen zu der These, dass Urmann eigentlich derzeit nicht zugelassen sein dürfte. Drastisch formuliert es Rechtsanwalt Daniel Nierenz: "Nimmt die zuständige Rechtsanwaltskammer Nürnberg die Gesetzeslage ernst, bleibt ihr wohl kaum eine andere Wahl, als der U+C Rechtsanwälte Urmann + Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH umgehend die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu entziehen, was einem Berufsausübungsverbot für die RA-GmbH gleich käme." (hob)