Steampunk-PC

Ein Computer wie auf dem Cover der c't Hacks 1/14 besteht aus sehr vielen Einzelteilen. Ein komplettes Tutorial wäre an dieser Stelle viel zu komplex, einige Einblicke in den Bau einer solchen Workstation möchte ich Euch aber gerne geben.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Alexander Schlesier

Altersunterschiede überwinden: Röhren-Monitor in Druckerpresse.

(Bild: Alexander Schlesier)

Als Basis für den Bildschirm habe ich einen alten Röhren-Monitor verwendet, den eine Firma ausrangierte. Das Gehäuse wurde entfernt und die Röhre nebst Elektronik in eine alte Druckerpresse verbaut.Die Presse stammt vom Flohmarkt und ist circa 100 Jahre alt. Mir ist dabei wichtig, möglichst authentische Materialien zu verwenden, besonders Dinge, die sonst auf dem Müll landen, da sie in ihrer eigentlichen Funktion längst ausgedient haben. Ich verzichte gänzlich auf Plastik und andere Kunststoffe. Verwendetes Material darf gerne alt, mit Gebrauchsspuren und einer natürlichen Patina versehen sein. Alte Dinge haben eine Geschichte und die sollte man ihnen auch ansehen. ACHTUNG: Monitore und ähnliche elektrische Geräte führen Hochspannung und sollten keinesfalls von Laien verbastelt werden, es besteht Lebensgefahr! Kondensatoren speichern Strom und auch die Bildröhre steht unter Hochspannung, selbst wenn sich kein Netzstecker mehr in der Steckdose befindet!
Alle Rechner-Komponenten habe ich in dem Gehäuse eines Radios aus den fünfziger Jahren untergebracht. Das Radio stammt vom Schrottplatz und da jemand bereits dessen Innenleben ausgeschlachtet hatte, war es für eine originalgetreue Restauration wertlos. Das Holz habe ich neu aufbereitet und hinter dem Stoff fand ein größerer Lautsprecher Platz.

Des Rechners neue Hülle gehörte früher einem Radio.

(Bild: Alexander Schlesier)

Befreit man das Innenleben eines PCs aus dessen Umfeld, muss man auch hier auf einige Dinge achten. So macht es beispielsweise Sinn, vor dem Abziehen der Stecker und Platinen ein Foto zu machen oder die Kabel anderweitig zu markieren. Sonst muss man später die richtige Anschlussstelle durch Probieren herausfinden. Um Hitzeschäden zu vermeiden, sollte man darauf achten, dass der Lüfter auch im neuen Rechnergehäuse genügend Luft ins Innere befördern kann. Bei Netzteilen und anderen stromführenden Teilen sollte man stets Vorsicht walten lassen und sich gegebenenfalls lieber von anderer Stelle Rat und Hilfe einholen. Ein Kurzschluss ist schnell fabriziert und auch sonst können geladene Kondensatoren von Geräten zu bösen Überraschungen führen. Strom macht bekanntlich klein, schwarz und hässlich!

Für den Neuaufbau der entkernten Tastatur sind hier Holzleisten montiert.

(Bild: Alexander Schlesier)

Das aufwändigste Teil an einem Rechnerplatz ist zweifelsfrei die Tastatur, da sie sehr viele Einzelteile beinhaltet und jede Taste einzeln bearbeitet werden muss. Als Grundlage diente hier eine alte IBM Model M Tastatur mit Federknickmechanismus (buckling spring system) aus den achtziger Jahren. Der Federmechanismus verleiht der Tastatur den speziellen "Tastenklick", der an die alten Schreibmaschinen erinnert. Auch sind diese Tastaturen sehr robust und haben eine lange Lebensdauer.

Eine Computer-Taste verwandelt sich in eine Schreibmaschinen-Taste.

(Bild: Alexander Schlesier)

Um die Ästhetik einer alten Schreibmaschine zu erreichen, sollte man am besten auch die Teile einer solchen verwenden. Bei diesem Modell habe ich die Tastenkappen von alten "Continental" Schreibmaschinen genutzt. Diese sind nur verkrampt und lassen sich einfach von der Tastenführung lösen. Die originalen Tasten des Keyboards wurden in mühevoller Handarbeit solange beschnitten und geschliffen, bis die runden Tastenkappen der Schreibmaschinen darauf passten.

Eine lasierte Sperrholzplatte ersetzt die Plastikabdeckung.

(Bild: Alexander Schlesier)

Hinweis!
Zerlegt für Bastelarbeiten bitte keine Maschinen, die noch funktionieren oder aufbereitet werden können. Schreibmaschinen sind ein Meisterwerk früherer Handwerkskunst und sollten im Hinblick auf das Bewahren unserer Industriekultur erhalten werden! Das gilt auch für Radios und andere historisch wertvolle Geräte. Ich verwende für meine Arbeiten ausschließlich Dinge, die irreparabel beschädigt sind und gebe ihnen damit wieder einen neuen Nutzen.

Acht Arbeitsschritte pro Taste braucht man für die Steampunk-Tastatur.

(Bild: Alexander Schlesier)

Da ein Keyboard mehr Tasten hat als eine Schreibmaschine, reichen die Tasten von einer Maschine nicht aus. Aber man muss schließlich nicht unbedingt Schreibmaschinen zerlegen, sondern kann auch andere Sachen als Tasten verwenden, Knöpfe, Unterlegscheiben oder ähnliches. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt und für ein gelungenes Ergebnis sollte man ohnehin stets viel probieren.

Um diese Komponenten zu einer Maus zusammen zu denken, braucht es einen Steampunk.

(Bild: Alexander Schlesier)

Das Layout der Tastatur mit den Tasten-Domen habe ich eingescannt und auf Papier 1:1 ausgedruckt, um die Übertragung auf eine dünne Sperrholzplatte zu ermöglichen. Dabei müsst Ihr die Krümmung der Tastatur berücksichtigen, da sonst die aufs Holz übertragenen und ausgebohrten Löcher nicht über alle Dome passen werden. Die Holzplatte wurde gebeizt, gewachst und auf die Tastatur geklebt beziehungsweise geschraubt. Damit auch die Funktions- und Sondertasten eine stilgetreue Bezeichnung erhalten, habe ich für alle Tasten im Computer ein neues Layout erstellt und ausgedruckt. Die Tastenkappen der Schreibmaschine habe ich schließlich über die geschliffenen Originaltasten der Tastatur mit den aufgeklebten Zeichen gestülpt und neu verkrampt.

Die fertige Maus erinnert ein wenig an einen Käfer. Die "Augen" dienen für den Links- und Rechtsklick.

(Bild: Alexander Schlesier)

Neben der Tastatur benötigt man auch eine Maus als Eingabegerät. Ich entschied mich für eine schlichte, kabellose, optische Maus mit Scrollrad. Die Maus wurde von mir bis auf die Grundplatte nebst Elektronik filetiert. Ihren neuen Körper fertigte ich aus dem Messinggehäuse eines alten Uhrwerks und dem Bügel eines zahntechnischen Instruments. Das Batteriefach habe ich mit Kupferblech so geformt, dass eine Blockbatterie darin Platz findet. Die Tasten bestehen aus kleinen Federgehäusen von Armbanduhren. Bei einer anderen Maus habe ich hierfür die Tasten von Schreibmaschinen verwendet.

Die Webcam steht auf dem Fuß einer Magnet-Pendeluhr aus Messing.

(Bild: Alexander Schlesier)

Doch was ist heutzutage ein Computer ohne eine Webcam? Und was eignet sich besser zum Umbau als ihr historisches Vorbild? Zu Zeiten Jules Vernes gab es Fotoapparate, um das Abbild einer Person in einen Kasten zu bannen. Die frühen Kameras hatten einen sogenannten Faltenbalg, der das Objektiv mit dem Rest der Kamera verband und durch seine Flexibilität ein manuelles Scharfstellen ermöglichte. Den Balgen einer solchen Kamera sowie ein kleines Objektiv habe ich verwendet, um dort eine kleine, moderne Webcam unterzubringen. Ich habe sie von hinten in den Faltenbalg eingesetzt und mit dem Objektiv verschraubt.

Der fertige Steampunk-Computer lässt optisch nicht vermuten, was er alles kann.

(Bild: Alexander Schlesier)

Nun kann man die gefertigten Objekte auf einem Tisch platzieren. Wer keinen schönen alten Schreibtisch sein eigen nennen kann, kann sich auch anderweitig behelfen. In dem Bildbeispiel habe ich das Gestell einer alten mechanischen Nähmaschine verwendet und aus ihr einen Arbeitstisch gebaut. Zeitlich ordnet sich dieser ebenfalls in das beginnende zwanzigste Jahrhundert ein und bildet mit den übrigen Komponenten ein harmonisches Ganzes. Der Bau der kompletten Workstation wurde von Kabel1 für die Sendung Abenteuer Leben dokumentiert und ist auch auf der Website des Senders oder meinem Youtube-Channel zu finden. Weitere Projekte findet Ihr auf meiner Webseite. (esk)