Mobilfunk Marke Eigenbau

Ein abgelegenes Dorf in Indonesien betreibt sein eigenes Handynetz – mit schwedischen Telefonnummern und einer Basisstation im Baum.

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Von
  • David Talbot

Ein abgelegenes Dorf in Indonesien betreibt sein eigenes Handynetz – mit schwedischen Telefonnummern und einer Basisstation im Baum.

Vier Autostunden entfernt vom letzten Flecken mit Mobilfunkversorgung im abgelegenen Hochland von Papua in Indonesien hat eine neue Art von Guerilla-Telefonnetz seinen Betrieb aufgenommen. Kern der nicht genehmigten Anlage ist eine billige Basisstation, festgebunden im Wipfel eines Baumes. Das System könnte zum Vorbild für andere Gegenden werden, die ebenfalls schwer zu erreichen sind und in denen die üblichen Geschäftsmodelle der Telekom-Branche nicht funktionieren.

Weltweit haben Hunderte Millionen von Menschen, die meisten davon in abgelegenen Regionen auf dem Land, nicht einmal eine Basisversorgung mit Mobilfunk. Große Mobilfunkanbieter wie Telkomsel aus Indonesien sehen oft keine geschäftliche Grundlage dafür, daran etwas zu ändern. "Wir haben nun eine Lösung gefunden: Die Gemeinschaften müssen das Netz selbst bauen", sagt Kurtis Heimerl, der als Entwickler bei Range Networks und Graduiertenstudent an der University of Berkeley das Projekt geleitet hat.

Das Dorf mit dem neuen Netz befindet sich im tropischen Hochland von Papua. Die Ureinwohner dieses Gebietes vermieden lange jeden Kontakt mit westlichen Besuchern, bis Wissenschaftler 1938 ungeplant auf sie stießen.

Das dort entstandene Netzwerk wird jetzt von einer eigenen winzigen Telekom-Firma betrieben, die zu einer lokalen Nichtregierungsorganisation gehört. "Es ist ein fertig gekauftes Telekom-Netz, das wir auf einen Baum geschafft haben", sagt Heimerl. "Wir wollten zeigen, dass solche Dörfer profitabel und nachhaltig ihre eigenen Netze betreiben können. Die Bewohner können alles selbst machen." Zur Abrechnung dient ein Laptop, für den Kontakt zum Rest der Welt sorgt eine Satellitenverbindung. Das Netz arbeitet mit schwedischen Telefonnummern, denn lokale Telecom-Unternehmen wollten keine zur Verfügung stellen.

"Wildwest-Engineering" nennt Ed Cutrell das Projekt. Er leitet bei Microsoft in Indien eine Forschungsgruppe zu Technologie für Schwellenländer. Und für ihn zeigt Heimerl auf überzeugende Weise, wie auch die abgelegensten Gegenden der Welt mit Kommunikationsdiensten versorgt werden können. "Seine Arbeit eröffnet die Möglichkeit, Millionen von Menschen anzubinden, die einfach zu weit außerhalb und zu weit verstreut wohnen, um von Interesse für Telekom-Firmen zu sein."

Zum Teil nutzt das Projekt bestehende Infrastruktur: ein kleines Wasserkraftwerk und eine Satellitenschüssel, die den Internetzugang für die Schule vor Ort herstellt. Die Berkeley-Gruppe brachte noch eine Basisstation für die lokale Mobilfunkanbindung dazu, außerdem eine Batterie für den Nachtbetrieb, einen WLAN-Router für die lokale Internetnutzung und ein Abrechnungssystem.

Aber es sind auch technische Neuerungen darin zu finden. Eine davon ist eine Stromspar-Strategie, bei der die Nutzer selbst bestimmen, ob das Netz auch in der Nacht verfügbar ist. Eine in einem abgelegenen Gebiet tätige Telecom-Firma würde hier normalerweise schlicht den Strom (oft aus Diesel-Generatoren) abschalten, um nachts Energiekosten zu sparen. Das System der US-Forscher dagegen befindet sich nachts im "Sleep"-Modus, kann aber von den Nutzern aktiviert werden. Wenn sie mitten in der Nacht telefonieren oder eine SMS verschicken wollen, müssen sie nur zu einem von drei Funkapparaten an zentralen Standorten gehen, einen roten Knopf drücken – und die Basisstation wacht auf. Eingehende Anrufe oder SMS haben denselben Effekt. Allerdings werden sie 20 Sekunden verzögert:

In dieser Zeit wird der Verstärker hochgefahren, sodass das Funksignal im Dorf verfügbar wird. Dadurch ist das Netz bei Bedarf 24 Stunden am Tag in Betrieb, braucht laut Heimerl aber nur halb so viel Strom wie eine durchgehend laufende Anlage.

Nach 10000 Dollar Anfangsinvestitionen ist das Projekt 2013 in den Live-Betrieb gegangen. Im Dezember hatte es 187 Mobilfunkteilnehmer. Der Monatsumsatz lag bis dahin im Durchschnitt bei 830 Dollar. 368 Dollar blieben als Gewinn. Das kleine Unternehmen dahinter hat mehrere Jobs geschaffen, darunter drei für Verkäufer von Handy-Guthaben.

Die beteiligten Forscher haben nach eigenen Angaben zwar eine stillschweigende Genehmigung durch hochrangige Personen in der indonesischen Regierung erhalten, eine formale Lizenz hat das Projekt aber nicht. Um das Konzept zu erweitern, wird es Heimerl zufolge entscheidend darauf ankommen, legalen Zugriff auf freie Funkfrequenzen zu bekommen – ohne viel Geld in eine Lizenz investieren zu müssen. Er plant aber auch über Indonesien hinaus: Ähnliche Projekte will Heimerl in anderen Regionen verwirklichen, darunter den Philippinen und Pakistan. (bsc)